Das im folgenden analysierte Interview begründet diese Warnung mit der Anpassungsfähigkeit von Krankheitserregern. Richtig ist, dass hinter ihr die Evolution steht, also ein Wechselspiel zwischen genetischen Veränderungen "Mutationen" und dem Erfolg oder Misserfolg der entstehenden Varianten, also der "Selektion". Allerdings
Leider erweisen die Leserreaktionen, dass Impfskeptiker und Impfgegner sich mit diesem Nachdenkseiten-Interview "frisch munitioniert" sehen. Sie unterstellen, Mutanten bedrohten als stärkere und tödlichere Krankheitserreger die Allgemeinbevölkerung und kämen auch bloß auf, weil mit Impfungen gegen die Pandemie vorgegangen werde.
Es betrübt, dass keine naturwissenschaftliche Erkenntnis dagegen gefeit ist, zerstückelt zu werden. Immer lassen sich einzelne Stücke auswählen und dann in mehr oder weniger demagogischer Absicht neu zusammenfügen.
Gesprächspartner | Dr. Stefan Tasler (st), Chemiker |
geführt von | Jens Berger (jb), Redaktionschef Nachdenkseiten |
veröffentlicht auf | Nachdenkseiten am 13.12.2021 |
st Bei einer Infektion mit einem Virus wird man nicht von einer Spezies, sondern einem Genotyp, einem Ensemble, infiziert. Wenn ich also hundert oder tausend Viren mit einem Tröpfchen aufnehme, sind wahrscheinlich kaum welche davon auf RNA-Ebene komplett identisch. In einer Population sind also die einfacheren Mutationen alle statistisch schon vorhanden.
Diese Aussage ist nicht belegt und ich sehe auch nicht, dass es relevant wäre, wie verschieden die Virionen (d.h. die einzelnen Viren) sind, die den einzelnen infizieren.
st Erste Laborergebnisse beziehen sich wieder nur auf die Neutralisationstests mit im Blut befindlichen Antikörpern - was aber absolut kein Richtwert sein sollte, um den wirklichen Immunschutz von Genesenen und Geimpften zu vergleichen, da Erstere eine viel breiter angelegte T-Cell-Antwort aufweisen müssten.
Die Sicht, die zelluläre Antwort würde nicht angeregt, begegnete mir erstmals in einem Artikel aus der Zeitschrift "Natur und Heilen" [1] und war auf Impfungen mit Protein-Impfstoffen bezogen. Genau dieser Klasse gehören die vier aktuell vewendeten Impfstoffe jedoch nicht an; es sind Vektor- und mRNA-Impfstoffe.
Außerdem sprechen die Krankheitsverläufe eine andere Sprache. Laut Lokalausgabe des Münchner Merkur vom 10.11.2021 [2] waren mit Ausnahme eines Patienten alle in das Freisinger Krankenhaus eingelieferten Patienten ungeimpft. Die Aussage, die Impfung verhindere schwere Verläufe, gilt also bis dato.
st Omikron weist fünfzig Mutationen zur ursprünglichen Virus-Variante auf und davon sitzen 32 auf dem Spike-Protein. Wenn man sich die Größe der vier Strukturproteine anschaut, die das Virion enthält, dann entspricht das tatsächlich einer statistischen Verteilung der 50 Mutationen und würde daher die aktuelle Annahme unterstützen, dass sich diese Variante in einer Region entwickelt hat, in der nur ein geringer Impfstatus vorherrscht.
Die zwei hier genannten Befunde entkräften die Argumentation Taslers gegen die vier zugelassenen Impfstoffe. Denn überall im Text betont er, dass die Nutzung dieser Impfstoffe Probleme mit Mutanten aufkommen lässt. Hier räumt er ein, dass die Omikron-Mutante sich anderswo entwickelt hat, in einer Region, "in der nur ein geringer Impfstatus vorherrscht".
Die Argumentation Taslers wird auch insofern geschwächt, als er immer unterstreicht, dass die Strukturen des Spike-Proteins, die die Impfstoffe abbilden und dem Immunsystem des Impflings als "Steckbrief" dienen sollen, zu klein sind. Deswegen sei erwartbar, dass schon ein paar Mutationen reichen, um anschließend mit einer unempfindlichen Variante ("Escape-Variante") zu tun zu haben. Hier erwähnt Tasler, dass das Corona-Virus sowieso nur vier Strukturproteine aufweist. Also wäre doch ein ansehnlicher Anteil der Protein-Oberflächenstrukturen in die Impfstoffentwicklung eingegangen.
Unerwähnt bleibt auch der Aspekt, inwieweit Variationen beim Spike-Protein möglich sind. Denn Mutationen im Spike-Protein haben immer zwei Effekte. Nicht nur, dass das Immunsystem Geimpfter die Variante weniger sicher erkennt. Zwangsläufig stören Mutationen auch das Schlüssel-Schloss-Prinzip, dank dessen es einem Virion gelingt, von einer lebenden Zellen aufgenommen zu werden. Das heißt, Mutanten mögen zwar besser getarnt sein, es wird ihnen aber auch schwerer fallen, die erste Hürde im Wirtsorganismus zu nehmen.
Schließlich sind die vier genbasierten Impfstoffe verglichen mit Protein-Impfstoffen oder inaktivierten Erregern ("Totimpfstoffe") leichter nachzujustieren, wenn Mutanten aufkommen. Welche Gensequenz verwendet wird und in die Massenherstellung des Impfstoffes geht, beruht letztlich auf Labormethoden zum Abschreiben und Einfügen (Copy and Paste).
st Wenn jetzt ein Geimpfter nach Afrika kommt und dort statistisch ohnehin unbeschreiblich viele Mutations-Varianten vertreten sind, dann trifft der Geimpfte unweigerlich irgendwann auch mal auf eine Variante, bei der das Spike-Protein jetzt nicht mehr so gut zu dem aktuellen Impfschutz passt. Und diese Variante hat natürlich bei ihm einen Selektionsvorteil, den sie vorher im ungeimpften Umfeld nicht gehabt hätte, da die ursprüngliche Variante vom Immunsystem ja nun sofort eliminiert wird. Ich habe also mit der Impfung eine gemähte Wiese für die Etablierung einer Mutation geschaffen, die sonst vielleicht nie eine Chance gehabt hätte.
Hier verzerrt Stefan Tasler die Gegebenheiten. In dieser Situation hat der Geimpfte durch die Impfung keinen Nachteil, vielmehr ist es so, dass sein Vorteil schwindet. Für die Gruppe der Ungeimpften wiederum ist der Selektionsdruck, den ein geimpfter Teil der Bevölkerung darstellt, bedeutungslos. Siehe auch Taslers Ausführungen weiter unten, wo er darlegt, dass ein Wegdriften eines Virus-Stamms vom Impf-Prototyp und dessen Gefährlichkeit (Pathogenität, Letalität) nichts miteinander zu tun haben.
jb Auch bei der Delta-Variante sehen wir ja immer wieder sogenannte Impfdurchbrüche. Zahlreiche Studien weisen darauf hin, dass Geimpfte in gar nicht mal so viel geringerem Umfang als Ungeimpfte genau die Varianten weiterverbreiten, gegen die die Impfung ja als wirksam gilt. Spricht das nicht eigentlich gegen die These des veränderten Selektionsdrucks?
Impfdurchbrüche im eigentlichen Sinn sind laut Christian Fiedler [2] Impfungen, bei denen kein Schutz erreicht wurde, weil das Immunsystem des Impflings aus irgendwelchen Gründen nicht reagiert hat. Hier kommen hohes Alter, die Immunabwehr dämpfende Medikamente und andere Erkrankungen in Frage.
st Die klinischen Studien liefern keinerlei Zahlen zur verbleibenden Infektiosität und zur Übertragbarkeit bei Geimpften, weswegen wir auch jetzt bei diesem Punkt immer noch ziemlich viel spekulieren müssen.
Laut einer israelischen Untersuchung wird die Ansteckungswahrscheinlichkeit klar gemindert, wenn eine oder beide beteiligten Personen eine Impfung erhalten haben ([3]. Es gibt also Zahlen, aber Tasler nimmt sie nicht zur Kenntnis.
st Wenn das Virus nun durch unsere Impfkampagne das Spike-Protein anpasst, heißt das aber natürlich auch nicht, dass dies automatisch schwerere Krankheitsverläufe mit sich bringen muss. Rein statistisch könnte es ganz im Gegenteil auch eine viel mildere Variante sein. Wir haben durch die Impfung ein System geschaffen, bei dem die Aggressivität des Virus nicht zwingend das entscheidende Selektionskriterium ist.
Genau darauf habe ich oben hingewiesen.
st Die nächste Frage wäre: Wie kam man auf die unhaltbare Idee, auf die Genesenen noch einmal draufimpfen zu müssen? Das hat mit Logik nichts mehr zu tun - und ich für mich konnte da nur zwei mögliche Gründe ausmachen. Der eine ist ganz simpel der weitere Absatzmarkt. Der zweite Grund wäre der viel böswilligere und fatalere - nach den ganzen Versprechen, die man am Anfang getätigt hatte, durfte am Ende nicht vielleicht herauskommen, dass der Genesene besser geschützt wäre als der Geimpfte.
Hier stimme ich mit Stefan Tasler überein, Mir fallen auch keine Argumente ein, Genesene zu impfen.
jb Christian Drosten hatte mal die Infektion nach einer Impfung als "natürlichen Booster" bezeichnet, der "vermutlich eine breite und weiterreichende Immunantwort auslösen könnte". Da stellt sich natürlich die Frage, warum dies nur für eine Infektion nach einer Impfung gelten sollte, wenn die Infektion die weitreichendste Immunantwort auslöst.
Bei dieser Frage wird - wieder - davon ausgegangen, dass eine Covid-19-Erkrankung ohne Bedenken oder sogar bewußt mit dem Ziel der Immunisierung hingenommen werden könnte.
Die Aussage Christian Drostens deckt sich auch nicht dem verbreiteten Argwohn, eine "Virologenzunft" flüstere der Politik ein, was anschließend die Kassen die Pharmabranche fülle. Vielmehr gründet sie in der lapidaren Erkenntnis, dass das Coronavirus in der Welt bleiben werde. Zweck der laufenden Impfkampagne ist es, Verluste und Schäden der Anfangszeit zu mildern. Die Impfspritze braucht durchaus kein "Begleiter" der Zivilisation werden. Im übrigen schöpften aber nie Impflinge, sondern die an Covid-19 Erkrankten die Behandlungskapazitäten des Gesundheitswesens aus.
st In Großbritannien wurde hinter dem PR-Rummel um den "Freedom-Day" von den wissenschaftlichen Beratern der Johnson-Regierung ja sehr rational argumentiert. Man wolle im Sommer, wo der Infektionsdruck ohnehin gering ist, die Zügel lockerer lassen, auch um möglichst viele natürliche Infektionen zuzulassen. "Wer sich im Sommer infiziert, kann im Winter keine Intensivstation blockieren", so der britische Gesundheitsminister. Die aktuellen Zahlen weisen darauf hin, dass dieses Experiment geglückt ist.
Es könnte sein, dass die Zahlen zum Zeitpunkt des Interviews schon nicht mehr den Zahlen bei dessen Veröffentlichung entsprechen. Es kam im Dezember in England zu einem enormen Anstieg der Inzidenz, der mit der Omikron-Variante in Verbindung gebracht wird.
st Bei der natürlichen Immunisierung richtet sich das Immunsystem auf das gesamte Antigen-Ensemble eines Virus aus und nicht nur auf ein bestimmtes Protein wie bei der aktuellen Impfung.
Das mag sein. Doch je mehr funktionelle Einheiten des echten Erregers in einem Impfstoff eingebaut werden, desto aufwendiger ist seine Produktion und desto schwieriger wird es, die Sicherheit des Impfstoffes zu belegen. Prinzipiell ist es jedenfalls möglich, in einen mRNA-Impfstoff auch genetische Information über die anderen drei Strukturproteine zu packen.
st Das hat jetzt übrigens auch der Totimpfstoff von Valneva gezeigt. In der klinischen Studie hat man sich die T-Zell-Reaktivität in einer Teilgruppe der Probanden angeschaut. Das ist in meinen Augen der wesentlich zielführendere Ansatz, als auf Antikörper-Titer zu gehen. Es sind am Ende eher die T-Zellen, die uns den langfristigen Schutz bieten werden. Da hat man nun herausgefunden, dass nach der Impfung die T-Zellen auf alle drei Oberflächen-Proteine vom Virus reagieren - nicht in gleichem Maße für jedes Protein, aber doch als Portfolio an Abwehrmöglichkeiten.
Hier wird mit anderen Worten von neuem kritisiert, dass die vier zugelassenen Impfstoffe den Erreger nicht umfassend genug abbilden und die Bildung von Gedächtniszellen nicht ausreichend anregen.
st Der Totimpfstoff hat ja ein klassisches Spike-Protein, auf das das Immunsystem der mRNA-Geimpften programmiert ist. Unser Immunsystem würde also wahrscheinlich umgehend auf diesen Impfstoff reagieren, weil es das bekannte Spike-Protein erkennt, und würde durch den schnellen Angriff auf diese Partikel die natürliche und breitere Antrainierung unserer Immunabwehr auf die anderen Oberflächenproteine dieses Impfstoffs drastisch reduzieren, da unser Körper damit anfängt, die Partikel des Totimpfstoffs zu eliminieren. Somit wäre eine Ausbildung eines mehrdimensionalen Schutzes über verschiedene antigene Proteine eventuell zeitlich durch die rasche Erkennung des Spike-Proteins nicht mehr so effizient wie bei einem Ungeimpften - wenngleich sicherlich die Antwort auf das Spike-Protein auch mit dieser Impfvariante geboostert werden könnte. Man müsste hier also noch wissenschaftlich zeigen, ob die breiter aufgestellte Immunantwort auch dann gebildet wird, wenn man VLA2001 einem Spike-Vorgeimpften spritzt. Für mich ist der Totimpfstoff also primär die Chance, den Nicht-Geimpften und Nicht-Genesenen eine Impfung anzubieten.
Die Überlegung, wonach die bisher eingesetzten Impfstoffe und der Totimpfstoffs Valneva VLA2001 nicht gut zusammenspielen, ist nachvollziehbar.
st Man hat der Entfaltung des vollen Potenzials der Totimpfstoffe durch die Vorimpfung durch mRNA-Impfstoffe aber sicher Steine in den Weg gelegt.
Diese Sicht Taslers führt auf der politisch-gesellschaftlichen Ebene zur Frage, ob die mRNA- und Vektorimpfstoffe nicht zum Einsatz kommen hätten sollen, weil noch mit anderen Impfstoffen zu rechnen war. Auf der individuellen Ebene ist unwahrscheinlich, dass alle, die sich seit deren Zulassung mit Biontech, Moderna, Astrazeneca oder Johnson&Johnson impfen haben lassen, darauf verzichtet und gewartet hätten, bis der Totimpfstoff Valneva zugelassen ist.
Die relativ schnelle Verfügbarkeit der mRNA-Impfstoffe erklärt sich auch durch straffe Wirkkette im Hintergrund: Bei deren Herstellung ist man nicht auf Tiere angewiesen, was hygienische und infektiologische Probleme beschert. Zu dem von Stefan Tasler hoch gelebten Totimpfstoff von Valneva ist anzumerken, dass die Zellkulturen, in welchen die Corona-Viren für ihn gezüchtet werden, mit fötalem Kälberserum ernährt werden. In welcher Zahl Kälberföten zur Gewinnung solche Serums verbraucht werden würden, sollte bei den Abwägungen zu diesen oder jenen Impfstoffen berücksichtigt werden. Der Rückgriff auf Kälberserum könnte auch einen hohen Preis und niedrige Produktionskapazitäten bedingen. Speziell die mRNA-Impfstoffen können dagegen mit einfachen und in der Biochemie eingeführten Grundstoffen hergestellt werden.
jb Und was sagen Sie zum Problem - vielleicht es ja auch gar keines - der Adjuvantien, die den Totimpfstoffen beigemengt werden müssen? Bei Valneva kommt ja ein Adjuvans namens CpG 1018 zum Einsatz, das meines Wissens bislang auch nur in einem Hepatitis-Impfstoff eingesetzt wurde und ebenfalls als experimentell gelten kann. Gibt es da potenzielle Gefahren? Ich denke da zum Beispiel an die Schweinegrippe-Impfstoffe, bei denen die Adjuvantien ja eine sehr negative Rolle gespielt haben.
st Ja, es gibt immer potenzielle Gefahren durch Stoffe, die dem Körper zugeführt werden, die nicht langjährig erprobt sind. In unserer Branche müssen die Firmen immer etwas Innovatives in einer Medikation vorweisen, so dass sie einen Patentschutz auf die Impfstoffe bekommen können. Und so haben auch Firmen eine Technologie-Plattform um Adjuvantien aufgebaut, was dazu führt, dass eben auch neuere Adjuvantien in Impfdosen verarbeitet werden - was aber auf keinen Fall per se schlecht ist. Jetzt kommen bei diesem Impfstoff ja auch Aluminiumsalze als Adjuvans zum Einsatz und dann wird sicher wieder argumentiert, dass Aluminiumsalze in Deo-Stiften nicht enthalten sein sollen und nun kommen sie in die Spritze. So was muss man aber immer im Kontext sehen. Das eine ist eine topische Daueranwendung ohne echte medizinische Notwendigkeit, das andere kommt ein- oder zweimal, je nachdem, wie oft geimpft wird, intramuskulär in den Körper. Das sind kleinste Mengen, die unser Immunsystem strukturell herausfordern und ja, so was kann Nebenwirkungen haben. Andererseits sind diese Aluminiumsalze aber auch seit Jahrzehnten im Einsatz. Daher würde ich das zunächst einmal nicht so kritisch sehen.
Wohlgemerkt verwiesen Impfgegner auch in Zusammenhang mit den mRNA- und Vektorimpfstoffen auf Probleme durch Adjuvantien; und zwar ungeachtet der Tatsache, dass diese völlig andere Rezepturen aufweisen dürften, weil sich Wirkstoff und Wirkort grundlegend von denen herkömmlicher, proteinbasierter Impfstoffe unterscheiden.
st Das CpG als Adjuvans in Valnevas VLA2001 ist jedoch was anderes. In einem seiner Beiträge hat Herr Dr. Wodarg wieder betont, das sei gefährlich, weil gentechnisch - das wird ja heute für alles genommen, was böse sein soll. Aber bitte, therapeutische humanisierte Antikörper, die heute klinisch eingesetzt werden, werden gentechnisch hergestellt - soll ich die deshalb verteufeln? Da muss man wirklich vom Vokabular her aufpassen. Das CpG ist eine Nukleotid-Sequenz aus DNA-Bausteinen - das ist per se aber nichts Schlimmes, wenn man weiß, was damit bezweckt werden soll. Die CpG-Einheiten sind im menschlichen Genom sehr selten, und dann meist auch noch modifiziert - aber in viralen Genomen kommen diese Einheiten deutlich häufiger und unmodifiziert vor. Und für genau solche viralen Nucleotidsequenzen hat der menschliche Körper Rezeptoren, die darauf mit einer Art "Hallo-Wach-Signal" für das Immunsystem reagieren.
Gut, dass hier ein für die Haltung gegenüber mRNA- und Vektor-Impfstoffen sicherlich relevanter Faktor nebenher zur Sprache kommt, nämlich die verbreitete Skepsis gegenüber gentechnischen Methoden.
jb Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang eigentlich die Proteinimpfstoffe?
st Diese Impfstoff-Klasse wurde für Influenza ausgewählt, da die Produktion schneller und leichter ist. Man kann so jedes Jahr neue Versionen des Impfstoffes anbieten. Aber wie schon früher erwähnt: Bei der Grippeimpfung geht es nur um einen kleinen Teil der Bevölkerung und nicht um die gesamte Population und man sieht die strategischen intrinsischen Probleme dieses Ansatzes ja bereits bei der Impfung dieses kleinen Bevölkerungsteils.
Welche Probleme diese sein sollen, sagt Tasler nicht. Allerdings geht es in dieser Passage ja um Influenza-Impfstoffe.
st Proteinimpfstoffe haben jedoch den Vorteil, dass es sich hier um ein bekanntes Impfprinzip handelt, das nicht - um es vorsichtig zu formulieren - die große Batterie an Fragezeichen der mRNA-Impfstoffe mit sich bringt. Wenn wir also keine Totimpfstoff-Alternative hätten, würde ich den Proteinimpfstoff dem mRNA-Impfstoff aktuell immer vorziehen.
In dem ganzen umfangreichen Interview liefert Stefan Tasler nirgendwo auch nur einen Fingerzeig, welcher Art die gesundheitliche Gefährdung sein soll, die von mRNA-Impfstoffen ausgeht. Jens Berger als Interviewer und Redaktionsleiter setzt offensichtlich darauf, dass eine Person, die im Umfeld von Biontech tätig war, für unvoreingenommen und kompetent gehalten wird.
st Da kommt dann aber ein Punkt hinzu, der in der Fachliteratur zu den Grippe-Impfungen beschrieben ist: Wenn regelmäßig diese Art von Impfungen vorgenommen wird, scheint das Immunsystem von Mal zu Mal weniger auf die Impfung zu reagieren.
Diese Aussage ist nicht belegt und kann auch andere Hintergründe haben, zum Beispiel das zunehmende Alter des Impflings.
st Man hat also vielleicht nicht die Möglichkeit, den Menschen permanent und wiederholt einen RNA-Booster zu verabreichen. Es ist also fraglich, ob hier mit Sinn und Verstand eine Strategie aufgesetzt wurde, die wirklich der Menschheit nachhaltig gegen ein Virus helfen soll. Im Moment hat man vielmehr einen selbsterhaltenden Absatzmarkt geschaffen. Mit den gleichen - nicht angepassten - Impfstoffen jetzt obendrauf zu gehen, entbehrt in meinen Augen jeder Vernunft. Ja, wir werden sehr wahrscheinlich immer noch einen temporären teilweisen Schutz vor schweren Krankheitsverläufen sehen, aber wir verschieben die Entscheidung über eine Änderung der Impfstrategie nur um ein weiteres halbes Jahr, denn dann wird es durch die Anpassung des Virus wieder zu "Impfdurchbrüchen" kommen.
Zum Zeitpunkt des Interviews sind Impfdurchbrüche nicht das Problem.
Wichtig erscheint mir zum jetzigen Zeitpunkt der Verzicht auf eine allgemeine Impfpflicht. Nach vier Pandemiewellen ist ein Bundestagsbeschluss frühestens im Februar, also im Abflauen einer Welle durch Omikron zu erwarten. Zuvor hatten verantwortliche Politiker immer beteuert, eine Impfpflicht werde es nicht geben. Je nach Fallzahlen und Verläufen in der fünften Welle wird sich, wie es auch bei der vierten Welle im November 2021 war, noch ein Teil der Bevölkerung für eine Impfung entscheiden. Epidemiologisch relevant dürften die dann verbleibenden Impfgegner nicht sein. Naheliegender ist, dass die Durchsetzung einer Impfpflicht noch mehr Hass und Hetze in die Gesellschaft tragen wird. Die Atmosphäre ist heute schon unerträglich.
st Es ist für mich ein Rätsel, wie für einen so exploratorischen Impfstoff wie eine RNA offensichtlich derartige Ausnahmen geschaffen werden konnten. Diese mRNA-Technik wurde in der Art bislang keinem mir bekannten Zulassungsprozess unterzogen. BioNTech arbeitet seit Jahren mit der RNA-Technologie auf dem Gebiet der Krebsbehandlung - für eine solche Anwendung ein hochgradig intelligentes Konzept. Dort sind jedoch auch ganz andere Patientengruppen im Fokus, von denen einige oft wenig Alternativen haben, um noch ein längerfristiges Überleben ermöglicht zu bekommen. Da kann ich die Risiken der RNA-Technik in einem ganz anderen Nutzen-Risiko-Verhältnis betrachten, als wenn ich eine weitgehend gesunde Bevölkerung durchimpfen will.
Die angeblichen Gefahren von mRNA-Impfstoffen benennt Tasler nicht. Was er herausstellt, ist ein abnehmender Nutzen, sollten die genbasierten Impfstoffe nicht an Virusvarianten angepasst werden. Des weiteren führt er an, dass, wer jetzt mit ihnen geimpft ist, bei ihnen bleiben sollte. Dabei bleibt es jener Gruppe, die die vier aktuell zugelassenen Impfstoffen ablehnen, unbenommen, sich mit dem Valneva-Totimpfstoff zu schützen, sobald er zugelassen und verfügbar ist.
st Hier hätten beim Studiendesign ganz andere Anforderungen definiert werden müssen. Es kann eigentlich nicht sein, dass bei der Phase-III-Studie von z.B. Comirnaty nur die primary efficay als Wirksamkeitsdaten erhoben wurden, bei denen nur auftretende symptomatische Verläufe gezählt und am Ende dann der jeweiligen Placebo- bzw. Verumgruppe zugeordnet wurden. Diese Zahlen erfassen ja gar nicht echte Infektionszahlen, sondern wirklich nur die symptomatischen Verläufe - nur wer beim Arzt diesbezüglich mit Symptomen vorstellig wurde, wurde auch gezählt.
Wenn es um den Schutz vor Erkrankungen geht, kann man sich durchaus mit diesen Zahlen begnügen.
st Man hätte doch sicherlich ohne Probleme - von mir aus auch repräsentativ stichprobenartig - die Probanden in regelmäßigen Abständen zum PCR-Test bitten und so über einen größeren Zeitraum eine generelle Infizierbarkeit verfolgen können. Bei den getätigten Aussagen und Versprechen vor einem Jahr dürfen solche tiefgreifenden Versäumnisse in meinen Augen ganz einfach nicht sein.
Studien zur Infizierbarkeit Geimpfter liegen vor [3]. Dass mit den Impfungen keine sterile Immunität erlangt wird, also in geringerem Maße auch Geimpfte infektiös sein können, war das Ergebnis solcher Studien.
jb Da das Zulassungsverfahren ja verkürzt war, bezeichnet man die jetzige flächendeckende Massenimpfung ja auch als Phase-IV-Studie. Da sollte man doch eigentlich annehmen, dass gerade so sensible Punkte wie potenzielle schwere Nebenwirkungen, aber auch Nebenwirkungen generell besonders aufmerksam beobachtet und protokolliert werden. Ich kann mich aber nicht erinnern, dass ich bei meiner Impfung beispielsweise ein Merkblatt bekommen hätte, mit Hinweisen, wie ich unbürokratisch Nebenwirkungen hätte melden können. Erst viel später habe ich überhaupt erfahren, dass es vom Bund eine Internetplattform gibt, über die man Nebenwirkungen melden kann.
st Wenn man das von vornherein transparent aufgezogen hätte, wäre sicher das Startgrundvertrauen in der breiten Masse höher gewesen. Aber wenn man es sauber erfasst hätte, wären wir wohl auch längst in einer Situation, in der man das Experiment hätte beenden müssen. Für mich ist das ein breit angelegter Feldversuch.
Meiner Wahrnehmung nach stimmt nicht, dass die Erfassung von Nebenwirkungen auf breiter Front vereitelt worden wäre. Solche Vorkommnisse waren immer Gegenstand der Presseberichterstattung. Als zentrale Quelle für Daten wurde in der Regel auf das Paul-Ehrlich-Institut verwiesen. Dessen Internetauftritt beinhaltete die Möglichkeit, selbst Daten einzugeben und daraus abgeleitete statistische Zahlen abzufragen [4].
jb Ist die Pandemie denn erst vorbei, wenn wir alle natürlich immunisiert sind?
st Provokante Gegenfrage: Wie definieren wir dieser Tage eine Pandemie?
Demnach ist für Stefan Tasler strittig, ob wir es seit Jahresbeginn 2020 mit einer Pandemie zu tun haben. Für diesen Kreis besteht kein Handlungsdruck. Wer nicht handelt, macht selbst keine Fehler, sondern kann sich darauf konzentrieren, nach Fehlern anderer zu suchen und die anzuprangern.
jb Zumindest haben wir seit Ende November offiziell keine epidemische Notlage nationaler Tragweite mehr.
st Viren gab es schon immer, und es wird sie auch immer geben. Wir werden auch den SARS-CoV2-Virus in den nächsten Jahrzehnten als Begleiter haben, genauso wie Grippe-Viren uns schon alle ein Leben lang begleiten. Die Frage ist, ob das jetzt durch das massive Eingreifen des Menschen gestörte Virus-Wirt-System wieder zu einem Gleichgewicht finden wird. Sicher werden wir am Ende auch weiterhin Todesfälle zu beklagen haben, die dann positiv auf SARS-CoV2 getestet wurden.
Die Aussage, ein Virus-Wirt-Systems sei im Gleichgewicht und menschliches Eingreifen stelle eine Störung da, ist Unsinn. In der Natur sind dynamische Gleichgewichte viel verbreiteter als statische. Erstere sind gekennzeichnet von Rückkoppelungsmechanismen, sie schwingen also um eine Mitte. Wenn Stefan Tasler hier eine "Störung" ausmacht, hätte er nicht zuerst über das Impfen zu sprechen, sondern über das Corona-Virus, von dem Ende 2019 offenbar eine Variante mit hohem pathogenen Potential entstanden ist oder es - ohne nennenswerte genetische Veränderung - von einer Tierart auf den Menschen überging. Drastische Änderungen der Pathogenität sind bei Wirtswechseln keine Neuigkeit.
st Wann ist eine Pandemie zu Ende? Zumindest kann man davon ausgehen, dass wir es mit dem aktuellen Impfprinzip und -konzept sicherlich nicht schaffen, die Infektionswellen mit SARS-CoV2 zu beenden, da wir immer wieder neue Virengenerationen sehen werden, die diesem Impfprinzip durch Mutation entkommen. Wichtig für uns als Gesellschaft ist aber, dass diese neuen Varianten nicht automatisch gefährlicher oder tödlicher sein müssen. Sie verbreiten sich nur, weil sie bildlich gesprochen die gemähte Wiese zur Ausbreitung vorfinden und andere, vorher etablierte Varianten im Konkurrenzkampf durch ihr ursprüngliches Spike-Protein keine Chance mehr haben. Mit dem aktuellen Impfprinzip werden wir so eine Welle nach der anderen "züchten". Und dieser Kreislauf könnte dann eigentlich nur durch möglichst viele "Impfdurchbrüche" und die damit verbundene umfassendere Immunisierung der Betroffenen durchbrochen werden.
Dass Pandemien in Wellen um die Erde gehen und es nicht die Impfstoffe sind, die eine Mutation hervorrufen, die die nächste Welle trägt, zeigte sich auch bei der Spanischen Grippe nach dem Ersten Weltkrieg [5]. Auch bei ihr gab es mehrere Wellen. Impfstoffe standen nicht zur Verfügung.
Hier wiederholt Tasler von neuem, dass er den Erreger für so harmlos hält, dass für die Bevölkerungsmehrheit ein Durchmachen der Erkrankung der Impfung vorzuziehen ist. Er wiederholt auch den Vorwurf, mit den Impfkampagnen würden Resistenzen gezüchtet und übergeht, was er im ersten Interviewteil korrekt darlegte. Nämlich, dass die Entstehung von Mutanten ein Nebeneffekt der Virenvermehrung ist. Die eingeführten Impfstoffen vermindern die Übertragungs-Wahrscheinlichkeit, mildern den Verlauf und verkürzen die Erkrankung. Damit dämmen sich zugleich die Verbreitung der Viren ein und die Entstehung von Mutanten wird weniger wahrscheinlich.
stDann wären da noch die Totimpfung und die natürliche Infektion. Beides hilft meines Erachtens, um breiter gegen die weitere Verbreitung des Virus voranzukommen. Je mehr wir so die Verbreitung eindämmen können, weil wir wahrscheinlich effektivere Immunantworten sehen werden, desto weniger gut können sich neue Mutationen ausbreiten. Damit würden wir den Kreislauf verlangsamen, und vielleicht kommen wir so wieder in ein System, das sich stückweise selber reguliert. Das ist natürlich zum jetzigen Zeitpunkt nur reine Spekulation - und ein bisschen Hoffnung.
Hier wiederholt Tasler die Kritik, dass die Vektor- und m-RNA-Impfstoffe nicht nachhaltig wirken. Unerwähnt lässt er, dass auf diesem Konzept beruhende Impfstoffe mit vergleichsweise geringem Aufwand "nachjustiert" werden können.
stDie meisten unserer Leser würden die Frage nach dem Ende der Pandemie sicher weniger epidemiologisch, sondern eher damit beantworten, dass die Pandemie dann vorbei ist, wenn es keine Maßnahmen mehr gibt, die mehr oder weniger tief in unser aller Leben eingreifen. Aber das ist ja nicht zwingend proportional zum echten Krankheitsgeschehen. Man kann natürlich durch politische Maßnahmen oder deren Aufhebung die Pandemie für beendet erklären, hat aber doch inhaltlich am Ende gar nichts verändert. Das ist natürlich eine Frage der Definition. Ja, für die meisten Menschen ist die Pandemie natürlich vor allem über die getroffenen Maßnahmen definiert. Und nebenbei wirkt auch noch das Narrativ, dass die Krankheit schwerwiegend und tödlich verlaufen kann und das Pflegepersonal in der Tat aktuell überlastet ist. Am Ende sollte man jedoch auch das alles im richtigen Kontext sehen und darf nicht aus einer Angst heraus das Leben völlig zum Erliegen bringen. So gesehen ist die aktuelle Pandemie wohl eher ein gesellschaftliches als ein virologisches Phänomen.
Wobei es auf mich so wirkt, als hätte Stefan Tasler bisher keine Erfahrungen mit Erkrankten oder Todesfällen gemacht und als gingen ihn die Ansprüche, die Teile der Bevölkerung haben - nämlich den Schutz der Gesundheit und eine Behandlung bei Krankheit - nichts an.