Soziale Welt 30.07.2014, 17-18 Uhr
PERSPEKTIVEN FÜR DEN GÜTERVERKEHR AUF DER SCHIENE
Sendungseröffnung
Der Verkehr soll fließen. Der Verkehr wächst. Der Verkehr stockt. Der Verkehr braucht mehr Platz. In diesem Viereck springen die Deutschen und ihre Politiker seit Jahrzehnten eigentlich unentwegt. Zu beziehen hat man die Entwicklung vorwiegend auf Straßen. Beim Nahverkehr deutet sich zumindest in gut bedienten Räumen eine Wende zugunsten öffentlicher Verkehrsmittel, Bus und Bahn an. Für den vermehrten Transport von Gütern auf der Schiene gäbe es ebenfalls Argumente wie Sicherheit, niedriger Flächenverbrauch und Energieeinsparung. Moderne Bahntechnik ist vielfach entwickelt, kann sich aber erst nach entsprechenden politischen Entscheidungen bewähren. Grund genug, in dieser Ausgabe der sozialen Welt anzusprechen, was den Gütertransport auf der Schiene voranbringen kann. Als Redakteur am Mikrofon begrüßt Sie Markus Hiereth.
Jazz Big Band Graz (2008) Some days ago in the future (Ausschnitt)
Franz Lindemair ist Pressesprecher der Deutschen Bahn für Bayern. Ich hatte Gelegenheit, mit ihm über die Geschäftslage, die Vorhaben in Sachen Schienennetz und die Chancen zeitgemäßer Bahntechnik zu sprechen. Auf die entleitende erste Frage, was ihn derzeit beschäftige, antwortete er.
fl0041 Wir schauen sehr gespannt nach Berlin, denn im Bundesverkehrsministerium werden die Weichen gestellt, dort wird derzeit der Bundesverkehrswegeplan erarbeitet. Darin befinden sich Ausbaupläne für alle Verkehrsträger, auch für die Schiene. fl0122 Das ist der erste Schritt. Der zweite ist, wie werden diese Projekte finanziert. Auch hier ist der Bund gefragt, weil er als Eigentümer des Schienennetzes für alle Projekte - Neubau-, Ausbaustrecken verantwortlich ist und erst dann kommt die DB ins Spiel. Er beauftragt die DB Netz mit Ausbaumaßnahmen. fl0242 Der Bund gibt uns im Durchschnitt der letzten Jahre ungefähr 1,5 Milliarden Euro für Aus- und Neubauprojekte. Und er gibt uns 2,5 Milliarden für Ersatzinvestitionen im bestehenden Netz. Wir legen bei letzterem nochmal 500 Millionen drauf. So dass wir jedes Jahr 3 Milliarden in das bestehende Netz stecken. Dazu kommen noch Aufwendungen für die Wartung.
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Planung: Strecke, Ausführung und Finanzierung
mh0323 Dann steht im Verkehrswegeplan drin, der nächste Kandidat für den Ausbau ist München-Mühldorf. Da weiß man, wieviele Kilometer es sind und hat einen Etat. Kommen Sie damit aus? fl0337 Ja wenn es einen Etat gäbe, wären wir froh. Aber so weit ist die Politik noch nicht. Das Projekt steht seit 20, 30 Jahren im Verkehrswegeplan. Zwischendrin kamen die Auswirkungen der deutschen Einheit. Der Bund hat den Schwerpunkt seiner Investitionen auf die Nord-Süd-Strecken verlagert. Damit wurde München-Mühldorf vom Bund zurückgestellt. fl0408 Wir haben an ein paar Stellen über die Konjukturprogramme vom Bund Mittel bekommen, um abschnittsweise zweigleisige Abschnitte zu bauen. Einmal zwischen Ampfing und Mühldorf, der nächste wird sein zwischen Altmühldorf und Tüssling. Das ist ein Engpass, da ist es sehr wichtig, dass da zwei Gleise liegen. fl0429 Für die anderen Abschnitte dieser Strecke haben wir vom Bund bisher nur Planungsmittel bekommen. Wir hoffen sehr, dass wenn die Planungen abgeschlossen sind, der Bund auch die Mittel für den Bau zur Verfügung stellt.
mh0446 Aber man kann doch nicht planen, wenn man nicht weiß, wie das Ergebnis aussehen soll. Im Fall von Dorfen ist die Diskussion: Zweigleisig will man haben, soll sie in einem Trog sein, auf Oberflächenniveau, dann hängt es von dieser Entscheidung ab, ob man Überführungen braucht, Lärmschutzwände, ... Eigentlich können sie nicht planen, wenn das Ergebnis nicht politisch entschieden ist. fl0527 Das Planungsrecht sieht die Beteiligung der Betroffenen vor. Man weiß tatsächlich am Anfang nicht, wie am Ende konkret eine Strecke verläuft oder was sie alles braucht, damit sie gebaut werden kann. Deswegen kann der Bund am Anfang auch nicht sagen, die Strecke von A nach B kostet x Millionen Euro. Man weiß aber, was man will. Zweigleisige Strecke, Elektrifizierung. fl0603 Jetzt gilt es im Planungsprozess die Interessen der Betroffenen zusammenzubringen. Am Ende wird ein Planfeststellungsbeschluss sein. Auf Grund des Planfeststellungsbeschlusses weiß man dann, wie teuer das Projekt wird. Dann ist der Punkt gekommen, an dem der Bund erkennen kann, ob er genügend Mittel zur Verfügung hat oder nicht.
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Sie hören die Soziale Welt in der es um die Perspektiven für den Gütertransport auf der Schiene geht. Bei der Deutschen Bahn stand mir Pressesprecher Franz Lindemair als Gesprächspartner zur Verfügung und im vorangegangen Interviewteil unterstrich er, dass die DB Netz bei Neu- und Ausbau nur ausführende Stelle ist und das wesentliche den politischen Entscheidern zuzuschreiben ist. Auch orientiere man sich an den gesetzlichen Standards. Von welchen es reichlich gibt, etwa ein "Eisenbahnkreuzungsgesetz" von 1963.
mh0705 Was sind denn die Kosten? Was kostet ein ganz ordinärer Ausbau 'zweites Gleis legen', wenn man das mit Index 100 anlegt. Mit Schallschutzwänden 125. Andere wollen die Strecke tiefer legen. Ich möchte ein Gefühl dafür kriegen. Letztlich wird um das Geld gestritten. fl0743 Genau. Es gibt Vorschriften für den Lärmschutz. Die Bahn muss diese einhalten. In der Regel ist das die Variante mit einer Wand oder des passiven Lärmschutzes, indem man Schallschutzfenster einbaut bei Anliegern. Diese Varianten sind natürlich wesentlich günstiger als wenn eine ganze Bahntrasse in einen Keller, Tunnel, Trog gelegt werden müsste. Die Gelder, die der Bund zur Verfügung stellt, sehen in der Regel nicht vor, dass eine Troglösung aus Steuermitteln finanzierbar ist. fl0833 Wir haben einen Fall im Großraum München, wo es eine solche Troglösung gab. Vor rund 10 Jahren. Das ist die Gemeinde Unterföhring. Dort hat die Gemeinde das selbst bezahlt.
mh0856 Wie entwickelt sich denn der Güterverkehr? fl0903 Der Güterverkehr ist in den letzten Jahren erfreulicherweise gewachsen. Seit der Bahnreform verzeichnen wir 56 Prozent mehr Tonnenkilometer auf unserem Streckennetz. Wir haben dem Straßenverkehr auch ein bisschen Marktanteile abgenommen. Leider nur ein paar Prozent. fl0928 Die Verkehrsprognosen des Bundes sehen vor, dass der Güterverkehr auf der Schiene stark wächst. Das heißt, wir müssen heute sehr genau darauf achten, wo künftig Engpässe entstehen könnten und die Weichen stellen, dass das nicht passiert. Das bedeutet auch, dass wir den Bund darauf hinweisen, wo aus unserer Sicht Ausbauten für den Güterverkehr notwendig sind. mh1130 In München war letztes Jahr ein Zeitungsartikel, der nach der Zukunft des Rangierbahnhofs MÜnchen-Nord fragte, da Wolken sah, dass der aufgegeben werden könnte. Sie wurden interviewt und sagten, man überlegt, Arbeit zwischen München und Nürnberg umzuverteilen. Was ist denn da passiert im letzten Dreivierteljahr? fl1201 Die Überlegung hat es gegeben, weil wir seit der Finanzkrise 2008 der Güterverkehr auch Einbrüche zu verzeichnen hatte. Der Güterverkehr ist sehr konjukturabhängig. 2009 hatten wir ja eine großen Konjuktureinbruch in Deutschland. In dem Zusammenhang haben wir überlegt, um die Auslastung zu verteilen, einen Teil der Verkehre nach Nürnberg abgeben. Diese Überlegung ist aber aufgrund des Wachstums nicht mehr aktuell.
mh1308 Wie ist denn die Aufgabenteilung? Die DB fusionierte ja mit Schenker als Straßen-Spediteur. Ich kenne eine Niederlassung von Schenker in Neufahrn. In München ist ein Umschlag wohl. Wie werden die Aufgaben geteilt? fl1352 Wir müssen den Güterverkehr natürlich im Wettbewerb mit der Straße betreiben. Derjenige, der eine Ware transportieren will, schaut auf die Kosten. Was kostet der Straßen-, was der Schienentransport. Der Schienentransport, das ist nicht nur die einhellige Meinung der DB, sondern auch der 250 anderen Schienengüterverkehrsunternehmen, die es in Deutschland gibt, ist konkurrenzfähig bei Strecken über 400 Kilometern. Weil der LKW-Fahrer dann abgelöst werden muss, er braucht seine Pausen. Der Güterzug kann auch viel mehr Waren transportieren. fl1517 Wir müssen die Wünsche des Kunden im Kurzstrecken und Langstreckenverkehr verknüpfen. Der Kunde will seine Ware von A nach B liefern. Nicht von Güterbahnhof A nach Güterbahnhof B. Wir brauchen eine Transportkette. Dafür brauchen wir den LKW, der halt verkehrspolitisch, kostenmäßig, auch seine Vorteile hat. Da müssen wir uns als Unternehmen abfinden und versuchen, das beste daraus zu machen.
Das war Franz Lindemair, Pressesprecher der Deutschen Bahn in Bayern mit Anmerkungen zur konzerninternen Verteilung der Transportleistung zwischen Schiene und Straße. Schienen und Straßen durch's Land zu legen ist Verkehrswegebau und eben auch dafür gibt es einen Lehrstuhl an der TU München. Stephan Freudenstein leitet ihn. An ihn wendete ich mich mit Fragen zu Bahn, Lärm und Landschaft. Zuvor ein paar Takte Musik.
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mh0414 Man kann ja überlegen, wie man Millionen Euros für Verkehrswege ausgibt und welche Verkehrsleistung mit einem Kilometer Strecke erbracht wird. Kann man da Verkehrsträger vergleichen? sf0449 Ja, wir machen das in den politischen Diskussionen immer wieder, dass wir Straßen- und Schienenverkehr miteinander vergleichen. Dass wir, wenn wir heute investieren, uns Gedanken über die Zukunft machen; dazu muss man wissen, wie sich der Verkehr weiterentwickelt. Man weiß, dass insbesondere der Verkehr stark zunehmen wird. Wir wissen, dass bis 2025 oder 2030 noch eine gravierende Steigerung im Güterverkehr haben werden. Diese Steigerungen lassen sich nicht allein bei einem Verkehrsträger abwickeln. sf0531 Wir sagen, naja, wir wollen ja den Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagern. Dann muss eben da, was an Steigerung auftritt, von der Schiene aufgenommen werden. Das ist völlig illusorisch. Eine Steigerung, wo wir heute einen Modalsplit haben von knapp 80 Prozent wird auf der Straße abgewickelt und etwa 15 Prozent auf der Schiene. Das heißt, wenn nur zwei Prozent im Güterverkehr steigen, dann würde das zu einer immensen Zunahme führen, die wir gar nicht abwickeln können. Wo wir gar nicht die Trassen haben und die Verfügbarkeit haben. sf0619 Insofern muss ein Zuwachsen auf allen Verkehrsträger abgewickelt werden. Anders geht es nicht.
mh0713 Im Internationalen: Wenn wir von München nach Süden denken: Brennertunnel ist schon seit zwanzig Jahren ein Thema. Er wird ja schon gebuddelt. Und wenn man die österreichische Grenze passiert hat, begegnet man einer anderen Bahnwelt. Es sind auch jüngst Zahlen veröffentlicht worden, von einer Seite natürlich, Allianz pro Schiene. Die sagt: Wir bewegen uns auf dem gleichen Level oder wir fallen noch hinten ab mit unserer Bahninfrastruktur. Woran hapert es in Deutschland? Nur am Geld? sf0807 Gut, jetzt haben sie da zwei Länder genannt, Österreich und Schweiz, die hervorragend sind. Wenn man in der Schweiz mal den Gotthard-Tunnel sieht: 57 km lang, zwei Tunnelröhren, die pünktlich 2016 in Verkehr gehen wird, um letztlich den Güterverkehr von Nord nach Süd abwickeln zu können. Österreich ist ähnlich. sf0852 Nur sind diese beiden Länder typische Transitländer. Da geht der Güterverkehr im wesentlichen durch die Länder durch. Im Gegensatz zu Deutschland. Wir generieren viel Güterverkehr. Wir haben hohe Exportleistung, beispielsweise nach Italien. Was dazu führt, dass man Österreich und Schweiz als Transitländer benutzt. Während wir kein typisches Transitland sind. Natürlich sind wir in Bayern im Zentrum Europas. Da gibt es durchaus auch Achsen, die man erkennen kann: Paris, Stuttgart, München, Prag. An solchen Achsen arbeiten wir auch.
Stephan Freudenstein, Professor für Verkehrswegebau an der Technischen Universität München sprach eben über europäische Verkehrsachsen, die in Arbeit sind. Allerdings: An fast allen Grenzen ändern sich die Technik der Stromversorgung und zur Zugsicherung. Bahnpressesprecher Franz Lindemair über dieses Problem.
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Ein europäisches Schienennetz als Ziel
fl1941 Es ist ein großer Nachteil für den Schienenverkehr, dass er heute noch sehr nach nationalen Systemen geprägt ist. Der LKW und der Privat-PKW fährt über die Grenzen. In Europa ist es leider noch so, dass wenn eine Lok in Deutschland zugelassen ist, dass sie deswegen noch lange nicht in die anderen Länder fahren darf. Da muss EU-weit die Verkehrspolitik und die Zulassungsbehörden über ihren Schatten springen und standardisierte Verfahren entwickeln. fl2024 Siemens hat uns einmal ein Beispiel gegeben. Da mussten bei einer Lok 18 verschiedene Lichtsysteme eingebaut werden. Damit die Lok in einem halben Dutzend Länder zugelassen werden konnte. Dafür braucht es viele Jahre und das ist verlorene Zeit, Zeit, die der Wettbewerb zugunsten der Straße ausnutzt. fl2054 Ähnlich ist es bei den Signalsystemen. National entstanden und die umzurüsten bedeutet eine flächendeckende Aufgabe. Es macht keinen Sinn, die umzurüsten, sondern man packt ein neues System drauf. Ein europäisches Signalsystem [1] und dieses System soll ermöglichen, dass eine Vereinheitlichung da ist.
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Nationale Behörden gefährden ein Erreichen des Ziels
Wie geht es mit diesem Zugsicherungssystem aus Sicht des grünen Europaabgeordneten Michael Cramer voran? ERTMS war ein Thema, auf das ich ihn auch als Verkehrsausschuss-Vorsitzenden ansprach.
mh0716 Zur technischen Ausstattung des Netzes. Die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten am europäischen Zugsicherungssystem laufen eigentlich schon seit 15 Jahren. Trotzdem: Wenn man jetzt fragt, was ist jetzt ausgerüstet, scheint es eine einzige Strecke zu sein zwischen Berlin und Leipzig. Das ist eigentlich eine Stagnation. Da kann man nicht zufrieden sein damit. mc0747 Nein, überhaupt nicht. Ich war ja Berichterstatter für ERTMS vor 9 Jahren. Da habe ich damals schon gewarnt. Das muss alles kontrolliert werden. Das kann nicht sein, dass wir die 20 unterschiedlichen Zugsicherungssysteme dann auf Basis von ERTMS haben. Wir haben in Europa 6000 Kilometer ERTMS, aber keine einzige Lokomotive, die auf allen 6000 Kilometern fahren kann. mh0816 Also spaltet sich die Technik auch auf? mc0818 Weil, das war immer die nationale Behörde, die da Veränderungen durchgesetzt hat. Das mußte nicht von der ERA, der Europäischen Eisenbahnagentur genehmigt werden. mc0832 Das sieht jetzt anders aus. Im 4. Eisenbahnpaket da hat die ERA das letzte Wort. Natürlich setzt die die nationalen Agenturen weiterhin ein, aber, gerade bei ERTMS muss sie das letzte Wort haben. mc0844 Es hieß damals schon, es muss kompatibel in beide Richtungen sein. Ist es aber nicht. Da hat die Industrie gut daran verdient, aber nicht die Unternehmen und die Fahrgäste. mh0923 Trotzdem. Ist es denn so, dass die Bahn diese Strecke am Rhein entlang damit ausstattet? Oder die Brenner-Zulaufstrecke? mc0950 Also einmal ist so: Für Neubaustrecken, die von der EU kofinanziert werden, muss ERTMS eingebaut sein. Das gilt für die Strecke Berlin-Rostock. Da ist es drin. Das war eine harte Auseinandersetzung mit der DB AG. Die wollte das dann nicht. Das muss durchgesetzt werden. Ist doch klar. mh1401 Es hieß, das ist eine sehr teure Technik, weil es da nur wenige Anbieter gibt. Wie sehen Sie die Problematik? mc1407 Monopolisten wollen wir nicht. Aber, das ist weltweit die beste Technik. Die wird in China verkauft, in Südamerika, in Russland, überall und wir in Europa machen das nicht. Die Technik gibt es. Natürlich gibt es nicht einen Monopolisten. Aber es gibt mehrere. Absprachen dürfen nicht sein.
Die Techniken der Zugsicherung in den Ländern Europas sind zwar verschieden, aber immerhin nicht 150 Jahre alt. Umgekehrt verhält es sich bei den Kupplungen der Europäischen Eisenbahnen. Hier nutzt man die Schraubenkupplung, ein System, das sich seit 1863 "bewährt". Um diesen Ballast und die automatische Kupplung dreht sich das Telefonat, das in dieser Sendung nach einer kurzen Musik folgt.
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Bernhard Sünderhauf hat im Jahr 2009 eine Studie [2] mit gewichtigen Gründen für eine Umstellung des von den Bahnen Europas genutzten Kupplungssystem vorgelegt. Ich fragte ihn, wie er als Volks- und Betriebswirt auf dieses Thema gekommen sei.
bs0033 Da traf ich schon auf das Thema Kupplung, weil wir damals bei der Neubestellung von Waggons den Rahmen so verstärken mussten, dass später eine automatische Kupplung eingebaut werden könne. bs0042 Das kostete so zwischen vier bis sechstausend DM damals und diese Waggons, die damals neu bestellt wurden, die sind inzwischen schon wieder ausgemustert und im Schrott gelandet. Das heißt, man hat also damals schon in automatischen Kupplungen investiert, ohne dass es jemals Früchte getragen hat.
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Bügel und Haken zum Kuppeln sind museal
mh0106 Ich habe es für selbstverständlich gehalten, dass Waggons gekoppelt werden von Rangierern, Spindel über Haken gelegt wird und alles zusammengezurrt wird. Es ist gar nicht so, wenn man global denkt. bs0128 In den USA ist es um 1900 herum umgestellt worden auf automatische Kupplung. Die Russen haben nachgezogen ab 1935, die Chinesen haben umgerüstet, die Japaner haben an einem Tag alles umgestellt. Das war 1925. Außer Europa fährt die Welt mit automatichen Kupplungen.
mh0215 Es gab eine technische Entwicklung. Was ist jetzt der technische Stand, was können die? bs0244 Die kann eben, außer, dass sie die Kräfte kuppelt, auch die Luftverbindung kuppeln, automatisch, die kann die Stromverbindung automatisch kuppeln und auch das Datenkabel, falls vorhanden. bs2304 Man muss ja sehen. An der automatischen Kupplung hängt ja vieles. Die Telematik zum Beispiel. Das ein Versender weiß, wo sein Wagen sich befindet. Nun haben ja viele Waggons keine Stromversorgung. Da weiß man nicht, wo die Waggons in Europa herumkreuchen. bs2332 Oder die autoelektrische Steuerung, die sowieso viel effizienter ist als die Druckluftbremse. Das sind Sachen, die sich dann entwickeln könnten. Wenn die dann zu einer automatisch ferngesteuerten Bahn führen, bei der also nicht der einzelne Mann noch in dem sogenannten Berner Raum schlüpfen muss und die Waggons kuppeln, und dabei sein Leben oder seine Gesundheit verliert. bs2409 Man muss wissen, dass furchtbar viele Unfälle passieren durch den Zugang in den Berner Raum, wo die Männer die Waggons verbinden. Jedes Jahr sind ein paar Todesfälle da. Man redet nicht darüber, aber es ist schlimm, was da passiert. Bei Wind und Wetter, Schnee und Eis in den noch leicht fahrenden Zug hineinzuspringen und die Kupplung über den Bügel zu legen. Das ist einfach zu riskant. Das kann man eigentlich nicht mehr verantworten.
mh0548 In Ihrer Studie nennen Sie Zahlen zum Tempo des Güterzugverkehrs. Wie hoch ist denn [das] eigentlich und woher kommt das? bs0604 Die Waggons fahren ja auf normalen Strecken 100 Kilometer in der Stunde. Wenn ich jetzt die Geschwindigkeit erhöhe auf 120 nützt mir das gar nicht viel, [denn] sie stehen wieder herum und verlieren Zeit. Die empirischen Untersuchungen haben ergeben, dass die Geschwindigkeit wie beim Fahrrad ist. 10 bis 15 Kilometer in der Stunde. Die Durchschnittgeschwindigkeit wird eben dadurch verringert, dass Stillstandszeiten in den einzelnen Rangierbereichen die Zeit auffressen. bs0522 Und man muss weiterhin sehen dass bei einer durchschnittlichen Transportleistung für einen Hintransport etwa 14 Kupplungen erforderlich sind. Denn es ist ja nicht einmalig, sondern es sind ja verschiedene Stellen wo die Waggons auseinandergenommen werden um in die einzelnen Richtungen transportieren zu können. mh0645 Das Herumstehen führte dazu, dass Marktanteile in der Konkurrenz mit der Straße verloren wurden und sozusagen die Effizienz der Rangierabläufe entscheidend sind, wenn das System Bahn konkurrenzfähig sein soll. bs0710 Die LKW-Verkehre sind fünf, sechsmal schneller. Das ist natürlich der große Nachteil des Güterverkehrs auf der Schiene. Dass eben die Beschleunigung fehlt. Die läßt sich nicht auf der Strecke, sondern nur in den Rangierbereichen erreichen.
mh0757 Es gibt noch eine technische Eigenschaft, die dazu führt, dass Strecken viel mehr Transportleistung kriegen, wenn die Fahrzeuge mit automatischer Kupplung unterwegs sind: Das ist die Länge von Zügen. bs0816 Man muss das so sehen: Die Länge der Züge ist bestimmt von der Schwergewichtigkeit der Waggons, also das Ladegut: Ob es Stahlplatten, Eisenteile, Sand oder Kies ist. Auf der normalen flachen Strecke ist das nicht so gravierend. Aber im Bergland ergeben sich Riesenprobleme. bs0856 Man muss sich das so vorstellen. Wenn man über einen Berg fährt, dann muss ich abbremsen und der Vorgang läuft über die Luftdruckbremse, nicht wie bei der automatischen Kupplung mit einer elektrischen Bremse, die sofort auf allen Teilen des Zuges bremst. Sondern der Waggon hinter der Lokomotive bremst zuerst. Bis die Druckluft bis zum letzten Waggon durchkommt, sind ein paar Sekunden vergangen. Das heißt, ich habe eienen enormen Druck, der auf den Waggon hinter der Lokomotive auffällt. Dadurch ist die Entgleisungsgefahr relativ hoch. bs0949 Wenn man eine automatische Kupplung hätte, dann bräuchte man zum Teil auch keine neuen Tunnels bauen, die erhebliche Kosten verursachen. Dann könnte man auch mit längeren Zügen über die Berge fahren. Weil eben durch die elektrische Druckbremse jeder einzelne Wagen durchgebremst wird. Wie eine Raupe. Die bleibt auf allen Beinen stehen, während bisher die Druckluftbremse vorne anfängt, weil die mit Druck entsteht bei der Lokomotive, aber eben erst verspätet ankommt beim letzten Wagen.
mh1131 Sie differenzieren zwischen verschiedenen Formen des Güterverkehrs auf der Schiene: Ganzzüge, die gar nicht rangiert werden, vom Hamburger Hafen durchfahren bis meinetwegen Burghausen in Bayern. Dann gibt es kombinierten Verkehr, also aufgeladene Container und LKWs. Dann gibt es den Einzelwagenverkehr, was man für klassisch hält und früher die größte Bedeutung hatte. mh1226 Jetzt kommen Sie zur der Aussage, dass im Einzelwagenverkehr ein großer Bedarf wäre an Transportleistung. Ich glaube, die geben in Ihrer Studie auch Zahlen, ist das auch der am wenigsten profitable. bs1301 Also die Transportkosten setzen sich zusammen aus den Wegekosten auf der Schiene und die Rangier- und Dispositionskosten. Die sind halt im Einzelwagenverkehr besonders hoch. Wenn man sieht, dass im Durchschnitt 14 mal gekuppelt werden muss, ohne Leerfahrt, dann bleibt das Geld liegen und da werden auch die Verluste gemaacht. bs1340 Nur muss man das ganze sehen nicht nur betriebswirtschaftlich, sondern auch volkswirtschaftlich. Betriebswirtschaftlich gesehen ist ein Waggon etwa so wie ein Lastwagen. Wenn ich manchmal die Autobahn über Stuttgart fahre und ich sehe dann 20, 30, 40, 50 LKW in einer Schlange fahren, dann denke ich mir, das sind 50 kräftige Männer, die da sitzen und das könnte ein Zug auf einmal transportieren.
mh1526 Kommen wir auf die wirtschaftliche Seite. Wenn man einen Güterwaggon anschaffen will. Was kostet die automatische Kupplung mehr? bs1552 Die Zahl der Waggons hat sich in Deutschland ja wesentlich reduziert. Vor 25, 30 Jahren lag die Zahl noch bei 300000, 400000 und heute liegt sie unter 200000. Also eine Halbierung. Das heißt, wenn ich umrüste, muss ich gar nicht mehr so viel umrüsten. Ich muss das sukzessive machen, dass ich im ersten Jahr einen bestimmten Prozentsatz umrüste und die sind ja immer noch kompatibel. In einer Übergangszeit behalten ja die noch ihre Puffer. So dass sie im konventionellen eingesetzt werden können als auch im Modernen. bs1638 Innerhalb von fünf Jahren kann man das umsetzen. So dass man Kosten hat von 270 Millionen Euro. Das ist pro Waggon sechs bis achttausend Euro.
mh1707 Es gab ja schon ein paar Anläufe, die automatische Kupplung einzuführen. Die sind gescheitert. Woran lag es eigentlich? bs1718 Die erste war 1956. Der Ostblock war noch der UIC verbunden. Heute ist der Ostblock ja nicht mehr da. Die UIC ist die Union International de Chemin de Fer in Paris. Da waren also auch Polen, Tschechoslowakei, Rumänien, Ungarn, Bulgarien. Waren also Teil der Internationalen Eisenbahnverwaltung. Da konnte man sich nicht einigen. Das war damals noch der kalte Krieg. Da gab es noch kein Potential für eine Einigung. bs1753 Nach der Wende 1990 ist ein weiterer Ansatz gemacht worden. Der ist gescheitert an den entsprechenden Geldmitteln. Jedes Land muss da ja seinen Teil tragen für seine Waggons und das hat sich dann auch nicht durchgesetzt. bs1812 Jetzt bleibt ein dritter Anlauf und da hoffe ich, dass irgendwann in der Europäischen Union ein Impuls gemacht wird, eine Studie, eine Feasibility-Studie zu erstellen und diese Untersuchung zu konkretisieren und ins Bewußtsein aller Mitgliedsländer zu bringen, damit man da zu einer politichen Einigung kommt. bs2220 Das Thema ist der politische Wille, das anzupacken, die Automatisierung der Bahnen. bs2231 Das fehlt jetzt. Das hat man immer versucht aber immer wieder gescheut, weil alle Länder in Europa damit einverstanden sein müssen. bs2240 Ich denke, es müsste ein Land eine Vorreiterrolle übernehmen. Das wäre Deutschland weil es eine zentrale Lage hat und den stärksten Güterverkehr.
So weit mein Telefonat mit Bernhard Sünderhauf, der die Entscheidungsträger der Europäischen Union eindringlich auffordert, mit ihren Bahnen den nächsten Schritt zur Umstellung auf automatische Kupplungen zu tun. Die Kosten für den deutschen Güterwagenbestand bezifferte er mit 270 Millionen Euro. Neunzehnmal soviel, 5 Milliarden machte die Bundesregierung 2009 als "Umweltprämie" locker. 2500 Euro staatlicher Zuschuss brachten 1,7 Millionen Autos zu Schrottplätzen und Verwertern. Die damalige Konjukturmaßnahme "Abwrackprämie" kostete also 4,25 Millarden. Wie denkt man bei der Deutschen Bahn über das Problem Kupplungen? Franz Lindemair.
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Technische Neuerungen sind eigentlich zentral
fl2348 Ja, ganz wichtig. Ein großer Kostenpunkt beim Güterverkehr ist in der Tat das Rangieren. Deswegen ist unsere Konkurrenz so selten am Rangierbahnhof zu sehen. Unsere Konkurrenz zieht es vor, sogenannte Ganzzüge zu fahren. Die in einem Werk X zusammengestellt werden und zum Ziel gefahren werden und fertig. fl2414 Wir betreiben das mühsame Geschäft des Rangierens und versuchen das so kostengünstig wie möglich hinzukriegen. Deswegen brauchen wir auch technische Neuerungen. Dafür sind solche automatischen Kupplungen natürlich ein zentraler Punkt. Deswegen möchten wir das umsetzen. Wir haben allerdings ein Problem. Das ist, [in] Deutschland verkehren 250000 Güterwagen. Nur die Hälfte davon gehört uns. Die andere gehört privaten Einstellern, Wirtschaftsunternehmen oder anderen Eisenbahnunternehmen. Von daher sind Züge häufig mit gemischten Waggons unterwegs. Es gibt selten einen reinen DB-Zug oder reinen Zug eines Kesselwagen-Einstellers. Das heißt, auch hier muss eine politisch herbeigeführte Standardisierung [3] Platz greifen.
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Lärmvermeidung an der Quelle
mh2539 Wir hatten über das Lärmproblem gesprochen. Die ungeliebten Lärmschutzwände. Gibt es elegantere Wege? fl2607 Der eleganteste Weg ist, Lärm an der Quelle zu bekämpfen. Deswegen muss man sich vor allem die Güterwagen anschauen, weil die machen den meisten Lärm. Personenzüge sind heute leise. fl2621 Bei den Güterwagen ist es so, dass die lange Zeit mit Eisenguss-Bremsen ausgerüstet waren. Diese Bremsen sorgen dafür, dass die Räder Rillen bekommen. Damit entsteht ein zusätzliches Geräusch, wenn das Rad über die Schiene rollt. fl2646 Mit neuen Verbundstoffen kann man andere Bremsen bauen. Man spricht von sogenannten leisen Sohlen. Also die Sohle der Bremse, die aus einem Verbundstoff besteht, die das Rad nicht mehr aufrauht, und deswegen läuft der Güterzug dann leiser. Diese Bremsen werden seit einigen Jahren bei unseren Fahrzeugen eingebaut. Wir sind bei der Umrüstung, mittlerweile kurz davor, 11000 Fahrzeuge mit diesen leisen Bremsen ausgerüstet zu haben. Wir wollen bie 2020 die Hälfte, also über 60000 Güterwagen umgerüstet haben. fl2730 Aber es braucht, damit die Anwohner auch was davon merken, auch die anderen. Es gibt ja über 120000 andere Güterwagen auf deutschen Gleisen, die uns nicht gehören. Auch da muss eine solche Umrüstung kommen, damit man die Auswirkungen wirklich spürt. fl2839 Ein kleiner Exkurs: Die Verkehrspolitik in der Schweiz hat es vorgeschrieben bis 2020, dass alle Wagen umgerüstet sein müssen. 2020 darf kein Güterwagen in die Schweiz fahren, der noch laute Bremsen hat. In Deutschland ist es so, dass es eine Absichtserklärung des Bundes gibt, das soll so sein. Es ist aber nicht vorgeschrieben.
Dem EU-Parlamentarier Michael Cramer zufolge fördert die Europäische Union die Lärmminderung an Güterwaggons mit 20 Prozent der Kosten und hat 260 Millionen Euro dafür bereitgestellt. Wenden wir uns wieder den Strecken, auf welchen heute hörbare und und morgen hoffentlich nur "flüsternde" Züge rollen. Mit Stephan Freudenstein von der TU München sprach ich über Schienenwege und die Anwohner.
sf1155 Es gilt generell, wenn wir Verkehrsprojekte neu bauen, ausbauen oder gravierend verändern in ihrer Lage und Trassierungs-Elementen. Dann muss bei uns in Deutschland ein Planfeststellungsverfahren durchlaufen werden. sf1231 Und im Rahmen so eines Planfeststellungsverfahrens werden ständig die umweltbegleitenden Konflikte, Einwirkungen, Veränderungen mituntersucht, wo ein Schwerpunkt natürlich das Thema Lärm ist. sf1254 Da sind wir jetzt bei dem Thema, wo Träger öffentlicher Belange im Rahmen der Planfeststellung eingeschlossen werden. Das heißt, da kann sich jede Kommune, jeder Naturschutzverband kann sich hier melden. Und eine Kommune wird natürlich den Finger heben und sagen, wenn eine Bahnstrecke vor meiner Haustüre gebaut wird, dann hat das sicherlich eine Lärmentwicklung zur Folge als ohne. sf1319 Im Straßenverkehr wollen wir alle mobil sein, da wollen wir die Straße bis in unsere Garage hinein haben. Bei der Bahnstrecke nützt uns das nichts, da wollen wir es möglichst weit weg haben. sf1335 Das ist natürlich ein Konfliktpunkt, den wir hier haben. sf1354 Im Schienenbereich gibt es aber Möglichkeiten. Man kann bei der Schiene leichter agieren als bei der Straße. Obwohl es bei der Schiene immer schwerer wird. [...]
mh1437 Sie sagten, es sei leichter. Soll ich mir das damit erklären, dass ich bei der Autobahn als Konstrukteur nur den Parameter Fahrbahn habe und vielleicht Erdwall links und rechts? sf1504 Sie können zumindest bei der Straße als Baulastträger nicht Einfluss nehmen auf die Fahrzeuge, die darauf fahren. Im Schienenverkehr versuchen wir aktuell doch sehr viel. Über leisere Sohlen, leisere Bremsmechanismen, gerade aus dem Güterbereich die Emissionen deutlich zu reduzieren. Das macht es uns bei der Schiene etwas leichter als im Straßenverkehr, denn dort können wir auf die Fahrzeuge kaum Einfluss nehmen. mh1540 Wo kommt denn der Lärm der Bahn eigentlich her? sf1546 Im Bahnverkehr muss man unterscheiden, welche Fahrzeuge da fahren. Wenn man sich an eine Bahnstrecke stellt wo Güterzüge und Hochgeschwindigkeitszüge fahren, dann höre ich die Unterschiede der Lärmemissionen, die entstehen. Emission ist der Lärm, der abgestrahlt wird. sf1603 Beim hohen Geschwindigkeiten merken wir den erhöhten Lärm aus den Windgeräuschen. Beispielsweise am Stromabnehmer, was eine Emission in hoher Lage ist, weil der relativ weit oben ist. Während bei niedrigeren Geschwindigkeiten, nehmen wir mal die Güterzüge, dort haben wir mehr die Geräusche aus dem Rad-Schiene-Kontakt bis hin zu den Fahrzeugen an sich, die deutlich lauter sind in der Lärmabstrahlung.
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Lärmbekämpfung an der Strecke
mh1640 Und was gibt es an Handlungsmöglichkeiten? Lärmschutzwände kennt jetzt jeder, aber eigentlich will man sie nicht haben, weil sie optisch die Landschaften und Ortschaften kaputtmachen. sf1659 Die Lärmschutzwände sind ein probates Mittel, um den Lärm zu dämmen. Sicherlich ist das, wenn man an einer Bahnstrecke wohnt und plötzlich eine 5 Meter hohe Wand vor die Haustüre bekommt, keine schöne Alternative, den Lärm zu reduzieren. sf1734 Aktuell gibt es ja da Entwicklungen mit einer Minilärmschutzwand. Das sind Lärmschutzwände, die relativ nahe an dem Rad-Schiene-Kontakt stehen, die vielleicht nur einen halben oder einen Meter hoch sind. Aber man muss sich klar sein, welchen Lärm man reduzieren möchte. Wenn ich einen Lärm dort reduziere, wo er entsteht, reicht mir vielleicht eine kleine Lärmschutzwand. Wenn ich den Stromabnehmer der Hochgeschwindigkeitszüge eindämmen will, dann nützt so eine Wand natürlich nichts. Dann brauche ich eine hohe Lärmschutzwand.
Lora-Senderkennung - Freiheit on air
mh1928 Eine Maßnahme, die man überhaupt nicht sehen würde, ist eine Schalldämmung am Gleis. Das klingt sehr billig und schlicht. Was ist da für ein Potential? sf1946 Ja, das sind die Schienensteg-Dämpfer. Eine Schiene, die muss man sich im Querschnitt vorstellen, die hat oben einen Kopf, dann kommt ein schmaler Steg und dann bein breiter Fuß, der T-förmig ausgebildet ist. Der Schienensteg schwingt natürlich, wenn oben drüber schwere Fahrzeuge rollen, dann fängt der mit hohen Frequenzen zu schwingen an. Und diese Schwingungen kann man dämpfen, indem man diesen Steg seitlich einpackt. Beispielsweise mit Elastomeren, mit Gummielementen. Diese reduzieren das Vibrieren des Steges. sf2024 Man stelle sich vor, man nimmt eine Glocke und die dämmt man seitlich mit einem Gummielement. Wenn man die Glocke anschlägt, wird die nicht mehr schwingen. Solche Schienenstegdämpfer gibt es, kann man verwenden. Es ist natürlich ein relativ hoher Aufwand. Die muss man fixieren. sf2056 Das ist durchaus eine Reduktion von 2 bis 4 Dezibel. Das ist eine ganz interessante Möglichkeit, sicherlich aber keine ganz günstige Möglichkeit. Da muss man auch einen hohen Aufwand bezahlen, solche Schienenstegdämpfer einzubauen, instandzuhalten, zu kontrollieren, die dürfen sich nicht bewegen, müssen dauerhaft fixiert sein. Sonst könnte es sein, dass sie andere nachteilige Effekte haben.
mh2136 Wenn Sie mal Preisindizes angeben müssten. Was kommt eigentlich dazu für sowas wie eine Lärmschutzwand, ... sf2209 Da tue ich mich schwer. Ich weiß, ein Quadratmeter Lärmschutzwand kostet 200 bis 300 Euro ganz grob. Wenn man eine fünf Meter hohe Wand hat, dann hat man auf einer Seite 1500, wenn ich es auf beiden Seiten habe 3000 Euro. Das jetzt auf einen Kilometer hochgerechnet haben wir 3 Millionen nur Lärmschutzwand. Das sind schon ganz respektable Aufwendungen.
mh2306 Über eine Möglichkeit wollen wir jetzt noch sprechen, das wäre Tieferlegung. sf2348 Bahnstrecken tiefer zu legen ist natürlich eine Variante, wo man die Lärmschutzwände durch die seitlichen Wände mit inkludiert hat. Das kann man machen, indem man beispielsweise einen Trog ausbildet. Das könnte man machen, indem man entsprechend tiefe seitliche Einschnitte macht, dann hat man einen Lärmschutzwall. sf2419 Man muss auf der anderen Seite auch sehen. Wenn man das nicht als Trog, sondern als Einschnitt ausbildet, mit entsprechenden Böschungen, das hat dann deutlich mehr Verbrauch an Flächen. Das ist der eine große Nachteil. Das zweite ist, dass wir mit dem Tieferlegen diese Bereiche komplett entwässern müssen. Ein Trog, wenn er aus Beton ist, muss entwässert werden. Das Extremste ist, wenn man einen Deckel darauf macht, eine sogenannte Einhausung, dann hat man am wenigsten Lärm. Aber eine Einhausung ist in den Investitionskosten deutlich aufwendiger und ist im Betrieb aufwendiger, als das vorher der Fall war. mh2527 Kann man Unterfälle machen. Tieferlegung um eine Verkehrsetage und so ein Mittelding, um den Lärm abzudecken und es ein bisschen zu verstecken. sf2546 Definitiv entwässern muss man immer. Wenn ich einen Einschnitt herstelle, und sei er nur einen Meter tief, dann muss das Wasser abgeführt werden. Jetzt können wir Glück haben, dass wir über die Längsentwässerung das Wasser ableiten können. Wenn wir eine Wanne bauen, dann muss das Wasser aus dieser Wanne abgepumpt werden. sf2624 Das sind natürlich Aufwendungen, die man während des Betriebs nicht haben möchte. Nach Möglichkeit sollte ein Bauwerk so geschaffen sein, dass man nachher nicht erhöhte Betriebskosten hat.
So weit Stephan Freudenstein als Experte für Verkehrswegebau und sein Hinweis auf das nie reichen wollende Geld. Wollen wir einmal die Erklärung, dass es der Bund ist, der die Mittel für neue Bahnstrecken zur Verfügung stelle, beiseite lassen. Was verlangt die DB Netz von der S-Bahn München, von Oberland- oder agilis-Bahn und den privaten Güterzug-Verkehrsunternehmen für die Überlassung der Schienen?
mh3037 Wie kalkuliert sich der Ertrag aus dem Streckenbetrieb. DB Netz ist ja Vermieter der Trassen und es gibt die Frage, 'Ja was dürfen die denn eigentlich verlangen?' Wenn ich von München nach Rosenheim fahre für 10 Euro. Was gibt ein Meridian weiter von dem Preis? fl3115 Dann man im Internet nachschauen. Die Preise sind gestaffelt, je nachdem, ob es ein Personenzug ist, der langsam fährt. Der zahlt weniger Trassengebühren. ICE zahlt mehr, weil er die anspruchsvollste Strecke braucht. Ein Güterzug, der über 100 Tonnen schwer ist, zahlt auch viel, weil er durch sein Gewicht die Strecke beansprucht. fl3145 Das ist alles sehr transparent und außerdem werden wir bei der Preisgestaltung durch die Bundesnetzagentur überwacht. Die Bundesnetzagentur kann jederzeit sagen, 'Eure Preisgestaltung ist nicht marktkonform, ihr müsst sie ändern.' fl3201 Die Erlöse aus den Trassenpreisen werden in die Betriebsführung, Wartung, Ersatzinvestitionen und in Schuldentilgung gesteckt. mh3258 Wo kamen die Schulden her? Deutsche Bundesbahn anno dazumal? fl3304 Bei der Bahnreform vor 20 Jahren wurden die Altschulden nicht auf die DB AG übertragen. Aber die DB musste gleich am Anfang sehr stark investieren. Viele neue Fahrzeuge kaufen. Die Bundesbahn und die Reichsbahn hatten ja kein Geld um irgendwas zu tun. Da gab es ja 15 Jahre lang keine Investitionen. Deswegen musste sich die DB AG gleich am Anfang stark verschulden.
Sendungsabschluss
Wir sind am Ende der "Sozialen Welt" heute. Thema war die Perspektiven des Güterverkehr per Bahn. Ich hoffe, dass dieses spezielle Thema Ihnen doch nicht zu speziell war. Als Autor der Sendung und am Mikrofon verabschiedet sich Markus Hiereth.
Jazz Big Band Graz (2008) Some days ago in the future (Ausschnitt)
Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des Abgeordneten Anton Hofreiter vom 20.01.2011
http://www.toni-hofreiter.de/dateien/20110118_Antwort_KA_Mittelpufferkupplung.pdf (Link leider nicht mehr aktuell, 2021-01-30 mh)