WASSERKRAFT
Dachauer Würmmühle soll mehr Strom liefern
Anmoderation
Die Nordspitze des Starnberger Sees prägen Röhricht und Sumpf. Hier versteckt beginnt die Würm, ein Gewässer, das man am ehesten in Gauting und in Pasing kennt, einfach, weil es vorbeifließt. Bei Dachau trifft sie auf die Amper und damit endet ihr Weg. Anders als Isar oder Inn bringt sie zur Schneeschmelze nicht Massen von Wasser daher. Dass an ihrem Ufer eine Mühle ihren Platz behält, war an der Würm ungleich wahrscheinlicher. So musste das Flüsschen von alters her arbeiten, die erste Mühle wartete in Gauting auf sie. Im Dachauer Norden wird sie ein letztes Mal gestaut, so dass das Wasser vor dem Fundament eines hohen Mühlen-Gebäudes in den Untergrund geht, wo es eine Turbine auf Touren bringt. Um diese Mühle, die Würmmühle, geht es im Beitrag jetzt.
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Beitrag
Sie gehört Ludwig Kraus, er ist Müller, bei ihm kippen Laster vor allem Getreide ab. Gefördert von Schnecken und Gebläsen, schlägt es Wege über Walzen und Siebe ein. Am Ende füllen Mehle, Kleie und Schrot Tüten, Säcke und Lagerbehälter. Es ist der an Ort und Stelle von der Würm erzeugte Strom, der die Maschinerie der Mühle in Bewegung versetzt.
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Aufgrund der kontinuierlichen Wasserabgabe produzieren wir zirka 800000 kW im Jahr. Und kaufen nochmal dieselbe Menge dazu, um die Mühle betreiben zu können.
So läge die mittlere Leistung des Wasserkraftwerks bei etwa 900 kW. Wenn es die Hälfte der von der Mühle gebrauchten Energie erbringt, dann zahlt Ludwig Kraus im Jahr um die 160000 Euro für eingekauften Strom. Nochmal soviel spart ihm der kleine Fluss. Dem großen Wort "Energiewende" entspricht nicht unbedingt, was hier nach Vorstellungen des Müllers geschehen soll. Allerdings, wenn es tatsächlich nichts zu mahlen gibt, kommt der Strom ins Netz.
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Wenn die Mühle steht, verkaufe ich. So wie die jetzige Auslastung der Mühle ist, verkaufe ich kein kW. Und Überschuss werden wir die nächste Zeit nicht kriegen, weil es die Mühle braucht.
Als Grund dafür führt er die heute geltenden Vorschriften für seine Branche an: Das herkömmliche Reinhalten der Anlagen, das Schädlingen die Nahrungs-Basis entzieht, reicht nicht mehr. Von Müllern fordere man inzwischen ...
... Reinigungen, die man sensorisch nicht mehr fassen kann. Wir reden über Mikrogramm pro Kilogramm: Alkaloide, Mykotoxine. Der Mehraufwand, den wir da betreiben müssen, auch in Zukunft. Auch gegen die Käfereier. Wir bauen in den nächsten Wochen einen Sterilisator ein. Dass alle Mehle, die ausgeliefert werden, vorher die Käfereier mechanisch zerstört werden. Nicht chemisch. Damit sich im Mehl nichts entwickeln kann, wenn es länger liegt.
Beispielsweise wird einmal im Monat die ganze Mühle auf 60 Grad geheizt, womit Getier, das in irgendwelchen Ritzen schlummern mag, der Garaus gemacht wird. Ludwig Kraus zufolge erfordert dieser rechtlich und hygienisch gebotene Mühlenbetrieb ...
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... kW-mäßig wesentlich mehr als das, was ich mir durch den Ausbau der Wasserkraft holen kann.
Ein Ausbau, eine höhere Stromerzeugung am gleichen Ort, ist Ludwig Kraus aktuelles Ziel. Der Laie fragt, wie da überhaupt anzusetzen wäre. Das physikalische Prinzip hat der Müller selbstverständlich parat und es ging in Pläne ein, die er zur Genehmigung beim Landratsamt vorgelegt hat.
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Liter mal Höhe ist die einfache Formel für die kW. Die Liter können wir nicht beeinflussen. Aber die Fallhöhe. Wenn wir die Fallhöhe optimieren, dann können wir vielleicht um die 15% mehr Energie kriegen.
Also möchte er die Würm oberhalb der Mühle um vierzig Zentimeter stärker stauen, die seitlichen Dämme wären auf einigen hundert Metern zu erhöhen. Hinter der Turbine dagegen soll der Wasserstand tiefer ausfallen. Die aktuelle Situation beschreibt der Müller ganz technisch, indem er betrachtet, wie die Sohle des Gewässers hinter dem Kraftwerk verläuft.
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Im Hinterwasser ist es leider so, dass der Bach hinter der Turbine aufwärts fließen muss. Es ist unlogisch, dass durch Kieseinschwemmungen, ein Bach nicht ein Gefälle, sondern eine Steigung nach oben hat.
Ludwig Kraus zufolge geht dieser Buckel auf Hochwasser-Ereignisse zurück, und zwar solche der Amper, die der Würm hier, ein paar hundert Meter vor dem Zusammenfluss, schon nahe ist.
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Weil die Äcker eingeschwemmt wurden bei den letzten großen Hochwassern 1999 und 2005. Zum Schluss in die Amper hinaus, hat er dann auf einmal zwei Meter Gefälle auf 200 Meter. Die anderen 700 Meter staut er an.
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Und dieses Gefälle versuchen, wir mit unserem Bauantrag den wir 14-fach im Landratsamt eingereicht haben - für den Beamten - und gegen alle, die Einwände haben.
Diese bringen etwa die Fischer vor. Ludwig Kraus räumt ein, dass das Baggern im Gewässer die Lebewesen im Wasser akut stören wird. Aber er wirbt dafür, dies in Kauf zu nehmen.
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Nach meiner Planung wird das ganze Biotop Würm zwischen der Mühle und der Amper wesentlich besser. Wir haben keine offenen Kiesflächen in der Umgebung. Wenn wir die Ufer abflachen, haben wir offene Kiesflächen. Da wäre auch der BUND dafür./div>
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Wir philosophieren auch darüber, ob man nicht in Kauf nehmen kann, dass dieses Biotop ein oder zwei Jahre Renaturierungszeit braucht um sich wieder neu aufzubauen. Ob man nicht dem Bach die Chance gibt. Nach jedem Hochwasser in anderen Gewässern entstehen neue Kiesbänke, neue Tiefen, neue Untiefen, und in diesem Bereich siedeln sich auch wieder Organismen an. Genau so sehe ich das hier auch. Ich zerstöre zwar jetzt mit dem Bagger das bestehende Biotop, schaffe aber gleichzeitig für die nächsten Jahre ein wesentlich besseres.
Wobei Maßnahmen zu Gunsten von Tieren und Pflanzen durch die europäische Wasserrahmenrichtlinie über kurz oder lang allen auferlegt sind, denen an einem Gewässer Rechte und Pflichten zugeordnet sind. Im jetztigen Zustand trennt die Mühle die Würm komplett. Was nichts besonderes ist: Kraftwerke, Wehre und Rampen zerlegen die Flüsse überall. Damit es in den Teil-Gewässern überhaupt etwas zu angeln gibt, setzen die Fischer Jungfische ein. Betreibern von Kraftwerken fällt aufgrund besagter Richtlinie nun zu, an ihren Anlagen die Durchgängigkeit für Fische wiederherzustellen. Auf die Frage nach dem Platz, der in seinen Plänen für den Fischaufstieg vorgesehen ist, antwortet Ludwig Kraus.
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Wir gehen davon aus, dass wir allein für die Aufstiegshilfe zweieinhalbtausend Quadratmeter brauchen, um so viele kleine Teichbecken zu setzen, dass der langsamste Schwimmer auch nach oben kommt. Das wird auch natürlich angelegt. Das ist kein betoniertes Becken. Das sind naturnahe Seen, in denen man von einem See in den nächsten wandern kann. Was gleichzeitig auch ein Riesenbiotop für alle anderen wasserliebenden Insekten, Frösche, Amphibien und sonstiges ist.
Auch wenn ihr Besitzer betont, die Würmmühle produziere Strom für den Eigenbedarf und somit der auf zwanzig Jahre garantierte Einspeisetarif nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz nur auf dem Papier stünde: Allgemein spiegelt die Behandlung der Wasserkraft im EEG die Absicht, dass wegen der attraktiveren Vergütung im EEG Betreiber ökologische Maßnahmen unverzüglich angehen, an welchen sie aufgrund des Wasserrechtes langfristig nicht vorbeigekommen wären. Dessen ungeachtet bleiben Brachse und Barbe auf die Frage, ob ihnen die Umlage auf deutschen Stromrechnungen gefalle, mit Sicherheit stumm. Zur naturverträglichen Wasserkraftnutzung bleibt noch etwas zu tun, obschon sie in einer langen Tradition steht. Der Müller darüber, wie weit sie im Norden Dachaus zurück reicht:
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Vor 1916 waren hier Wasserräder, gemahlen wird seit den Römern in der Villa Würma. Also "Station an der Würm" um die Legionen zu versorgen. Die Grafen [aribo] haben um 800 hier eine Wassermühle betrieben. Bis 1916 waren hier Wasserräder. Dann wurde eine Francis-Turbine eingebaut. Heute haben wir eine doppelt regulierte Kaplanturbine ...
... die, zusammen mit dem Generator das langlebige Herzstück des Kraftwerks darstellt. Ihre Effektivität bestimmt die Stromausbeute mit. Wie alt sind sie und bringt womöglich Technik von heute das mehr an Leistung, das der Müller mit mehr Anstauen und dem Baggereinsatz erreichen will? Für Ludwig Kraus sind diese Punkte in Arbeit beziehungsweise abgehakt.
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Die neue Wasserturbine ist seit 15 Jahren drin. Die Steuerungstechnik hat einen Riesenschritt gemacht nach vorne. Wir werden im Januar eine neue Steuerung für die Turbine kriegen. Die Zuordnung vom Leitapparat zu Laufrad ist gleich Wirkungsgrad. Insofern. Die Mechanik bleibt die alte, der Computer wird ein neuer.