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Markus Hiereth
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05.09.2013

Virtuelle Kraftwerke und die Vermarktung regenerativ erzeugtem Stroms
Next Kraftwerke GmbH

Anmoderation

Der meistgenannte Vorbehalt gegen regenerativ erzeugten Strom, das sind die Schwankungen beim Angebot von Sonne und Wind. Sicher: Speichertechnologien werden gebraucht. Überraschenderweise aber tummeln sich auf dem Markt bereits ein Dutzend Unternehmen, die grünen Strom nach Bedarf ins Netz bringen.

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Beitrag

Für eines dieser Unternehmen, die Next Kraftwerke GmbH, spricht Jan Aengenvoort. Was tut sie?
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Wir vernetzen Erneuerbare-Energien-Anlagen zu einem sogenannten virtuellen Kraftwerk, können dieses aus unserer Zentrale in Köln wie ein herkömmliches Kraftwerk schalten gemäß dem Bedarf an Strom, der in Deutschland gerade benötigt wird und bedienen damit zwei Märkte. Zum einen den regulären Absatzmarkt, die Spotbörse und auf der anderern Seite den Regelenergiemarkt für sehr kurzfristig vorzuhaltende Kapazitäten.
Die Münchner Umwelt-Akademie lud Aengenvoort am 18. Juli ein, um über besagtes "virtuelles Kraftwerk" zu referieren. Das steht nirgendwo in der Landschaft, sondern entspricht den Anlagen der Vertragspartner von Next Kraftwerke. Sie sind mit dem Netz verbunden wie andere Erneuerbare-Energie-Anlagen auch. Die vom Einspeisezähler erfasste Energie interessiert allerdings nicht den örtlichen Netzbetreiber, vielmehr erscheint sie in der Rechnung, die Next Kraftwerke begleicht.
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Also an der physischen Einspeisung des Stroms in die örtlichen Verteilnetze ändert sich nichts. Wir nehmen den Strom in unseren Bilanzkreis auf, was so viel bedeutet wie, dass wir diesen Strom weiterhandeln können an der Strombörse. Wir übernehmen im Grunde die Funktion der Netzbetreiber, ...
... wenn der Besitzer einer Biogas-, Wind- oder einer Photovoltaik-Anlage die Konditionen der Next Kraftwerke vorzieht. Den Strom vermarktet das Unternehmen ...
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... als klassischer Stromhändler sehr kurzfristig, was die bisherige Vermarktung nicht leisten konnte und verbessern auch Prognosen und die Kommunikation mit den Betreibern, so dass Nachfrage und Produktion besser in Einklang gebracht werden kann.
Was kann Next Kraftwerke, wozu sich große Abnehmer grünen Stroms nicht in der Lage sehen? Jan Aengenvoort schickt voraus, dass es nach dem ursprünglichen Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) dem Netzbetreiber nicht zustand, an relevanten Stellschrauben der Erzeugungsanlage zu drehen. Next Kraftwerke und ein Dutzend seiner Mitbewerber praktizieren das nun mit dem Ziel, dass sie selbst, aber auch der Betreiber davon profitiert.
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Wir analysieren Strommarktdaten, also aktuelle Preise und verbinden sie mit einer Schaltung der Kraftwerke.
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Unser Vorteil besteht darin, dass wir inzwischen ein sehr gutes Leitsystem haben, dass wir sehr kleine Anlagen, ab 100 Kilowatt in unserem Kraftwerk vernetzen können, leittechnisch. Was soviel bedeutet, dass wir sie mit einer Fernsteuereinheit ausstatten [...] und sie entsprechend den Preisen an der Spotbörse, aber auch den Preisen am Regelenergiemarkt fahren können. Das können viele herkömmliche Anbieter nicht, weil sie einfach kein Augenmerk darauf gelegt haben.
Eine externe Steuerung ist bei den einzelnen Anlagentypen verschieden attraktiv: Bei Sonne und Wind beschränken sich die Möglichkeiten darauf, den Wechselrichter abzuschalten oder die Flügelprofile aus dem Wind zu drehen. Doch auch das kann wirtschaftlich sein, denn an der Strombörse kommen mitunter auch negative Preise vor. Dann ist es besser, man hat keinen Strom erzeugt.
Ohne dass verfügbare Energie flöten geht, sind gewisse Wasserkraftwerke regelbar, indem der Durchfluss angehalten, vermindert oder erhöht wird. Ähnliches ist bei einem Biogas-Kraftwerk möglich, wenn es mit einem gewissen Gas-Vorrat betrieben wird. Die Mikroben liefern das Gas kontinuierlich, bei dessen Entnahme und Verbrennung lässt sich durchaus ein Tagesgang einstellen. Die Stromerzeugung kann flexibel abgebrochen und wiederaufgenommen werden. Zur Übermittlung des momentanen Bedarfs ...
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... haben wir ein eigenes Produkt entwickelt, die sogenannte Nextbox zur Vernetzung der Anlagen, damit wir sie eben ansprechen können aus der Ferne über ein Fernwirkprotokoll, über eine getunnelte Verbindung, um dann Zugriff zu haben auf die Leistung dieser Anlagen.
Nicht weniger grundlegend für die Existenz des Unternehmens sind Gesetze: Teils völlig unbekannte, teils heiß umstrittene wie das EEG. Seit dessen Novellierung von 2012 gilt nicht mehr, dass einem Anlagenbetreiber die komplette Erzeugung abgenommen wird: Es gibt Drosselungs-Schaltungen, es gibt Abnahme-Quoten. Und es gibt schließlich auch Anreize, die Kilowattstunden nicht zu dem auf zwanzig Jahre festen EEG-Preis einzuspeisen, sondern sich nach einem Stromhändler, wie eben Next Kraftwerke, umzusehen. Die Anreize sind finanzieller Art und tauchen im Gesetz mit der Begrifflichkeit "Prämie" auf.
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Es ist so, dass dieses Vermarktungsmodell, was wir präferieren, "Direktvermarktung", das ist ein Terminus der aus dem Jahr 2012 kommt, der auch festschreibt, dass die Vergütung bei einer Direktvermarktung bei einem Stromhändler wie Next Kraftwerke identisch ist, beziehungsweise höher ist inklusive der Management-Prämie, als die herkömmliche Vermarktung in der fixen EEG-Einspeisevergütung.
Durch diesen EEG-Passus kommen Next Kraftwerke an ihr Handelsgut, den grünen Strom. Wesentlich für den Gewinn beim Weiterverkauf ist, dass Stromhandel nicht gleich Stromhandel ist. Hier gibt es einmal die Börse in Leipzig, die Erzeuger und Abnehmer zusammenführt. Das Handelsgut dort ist die elektrische Energie an sich. Eine weitere Strombörse existiert in Paris. An ihr laufen ständig Daten zum Zustand des europäischen Verbundnetzes ein. Auf eine technische Notwendigkeit geht zurück, was dort gehandelt wird, es ist die schon erwähnte "Regelenergie". Jan Aengenvoort beschreibt sie so ...
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Wenn man kurz darüber nachdenkt, dass Nachfrage und Produktion möglichst in Gleichklang sein müssen, damit die Stromnetze stabil sind. Dafür braucht man sehr sehr kurzfristige Produkte, nennen wir es mal. Dass jemand sehr schnell Strom einspeisen oder nicht mehr einspeisen kann, um das Stromnetz zu stützen. Das nennt sich einfach Regelenergie. Das ist im Endeffekt nichts anderes als ein kurzes Hoch- und Herunterfahren von Kraftwerken, um das Netz zu stabilisieren.
Tatsächlich agieren an dieser Börse die Netzbetreiber als Käufer, denn sie müssten dafür geradestehen, wenn aufgrund eines Ungleichgewichts im Netz die Versorgung zusammenbricht.
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Das ist eine andere Dienstleistung als die normale Stromproduktion, weil sie sehr kurzfristig und auf Geheiß der Übertragungsnetzbetreiber stattfindet, und nicht aufgrund der eigenen Planung des Kraftwerksbetriebs. Deswegen wird sie auch höher vergütet als der normale Strompreis.
Der Handel mit Regelenergie ist nicht neu, er ist eigentlich logische Folge der Privatisierung der Stromversorgung. Gesetze bestimmen allerdings, wer an der Pariser Börse als Anbieter zugelassen wird. Next Kraftwerke besteht seit 2009. Den Gründern des Unternehmens war präsent, dass der als Regelenergie verkaufte Strom wesentlich besser bezahlt wird. Also wurden sie bei der Regulierungsbehörde vorstellig.
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Die Teilnahme von erneuerbaren Energie am Regelenergiemarkt, eben diesem Markt für sehr kurzfristigen Schwankungsausgleich, war bis zum Jahresbeginn 2012 nicht erlaubt.
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Dort haben wir in einem Verfahren bei der Bundesnetzagentur auch angestrebt, dass sich dies ändert. Dass erneuerbare Energien am Regelenergiemarkt, wie herkömmliche Erzeuger auch, zugelassen werden.