Radio Lora, München
Markus Hiereth
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27.08.2013

Claudia Kemfert, Energie-Ökonomin über
Aktuelles zur deutsche und europäische Energiepolitik

Anmoderation

Markus Zimmer gab sich zwar überzeugt, dass der Kapitalismus flexibel genug auf ökologische Herausforderungen reagiert, wobei es den Regierungen zufällt, mit marktwirtschaftlichen Mitteln nachhaltigkeits-fördernd zu intervenieren. Doch fand der IFO-Volkswirtschaftler an den hierzulande und auf europäischer Ebene ergriffenen Maßnahmen mehr zu bemängeln als zu loben. Anders die Energie-Ökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung DIW in Berlin. Sie war am 23. Juli auf Einladung der Green City Energy in München.

Beitrag

Kurz zuvor hatte es ein energiepolitisches Papier aus Brüssel in den Radionachrichten ganz nach vorne geschafft. Nach Vorstellung der Kommission sollten Atomkraftwerke künftig so subventioniert werden wie die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien. Den Schock, den diese Meldung in die Knochen von Zuhörerinnen und Zuhörern fahren ließ, hätte es Claudia Kemfert zufolge nicht gebraucht. Die Berichterstatter hätten einfach etwas missverstanden.
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Bei den Atomsubventionen geht es nicht um Subventionen aus Brüssel, sondern darum, dass man Ländern erlaubt, die neue Atomkraftwerke bauen wollen, dass sie eine Umlage einführen können wie das deutsche EEG. England ist der Aufhänger, England will neue Atomkraftwerke bauen, plant sie auch und hat immer großspurig gesagt, wir bauen sie nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten, wir brauchen keine Subventionen. Aber wie wir festgestellt haben, die Kosten steigen einfach kontinuierlich für Atomenergie. Weil die Sicherheitsanforderungen höher werden. Weil auch die Banken nach Fukushima ganz andere Auflagen erfüllt wissen wollen als sie das in der Vergangenheit gemacht haben. Insofern muss man hier deutlich sagen, marktwirtschaftlich ist es nicht mehr zu finanzieren.
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Das heißt, müssen sich einen Weg überlegen, wie sie dann diese Subventionen bezahlen und wollen eine Umlage einführen, die sogar höher ist als das deutsche EEG. Wenn die Leute das dann mitmachen, dass sollen sie das können dürfen. Darum geht es in Brüssel, das zu entscheiden. Ich war ja kürzlich bei einer Veranstaltung in England, ganz skurril, einer Podiumsdiskussion, wo dann energieintensive Unternehmen neben mir saßen und sagten, wir gehen jetzt geschlossen nach Deutschland - identische Diskussion wie hier . Ich dachte ich habe mich verhört, wie geht denn das? Er meinte die Börsenpreise und er hat recht. Er meinte, wenn sowas kommt wie Atomumlage, dann sind wir weg.
Unlängst veröffentlichte Claudia Kemferts Arbeitsgruppe eine Analyse des sogenannten "Grünbuchs" und der "Roadmap". Beide Papiere haben die Zukunft des europäischen Energiesektors nach dem Jahr 2020 als Gegenstand. Auch ihnen attestiert die Wirtschaftswissenschaftlerin Unausgewogenheit. Die Autoren hätten Entwicklungen zugunsten der erneuerbaren Energien einfach ignoriert.
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... bei Photovoltaik war es sehr deutlich: In der Studie war es so, dass die Kosten im Jahr 2050 höher waren als sie heute sind. Daran erkennt man, dass sie überhaupt nicht die letzten Jahre berücksichtigt hat. Wenn man das weiß, kann man sich aus unserer Sicht auch deutlich ambitioniertere Ziele setzen. Weil es schneller geht und wirtschaftlicher wird.
Nun fragt sich, ob die DIW-Abteiltung mit diesen Hinweise bei den EU-Planern auf offene Ohren stößt. Die Atom- und Kohlestrom-Industrie klopft aus diesem Anlaß sicherlich auch nochmal an, schließlich zieht sie "Grünbuch" und "Roadmap" in ihrer jetzigen Form vor. Für Claudia Kemfert ritt Deutschland mit seiner Energiepolitik erfolgreich voran. Sie stellt sich beispielsweise vor das Erneuerbare Energien Gesetz EEG, an welchem speziell der kleine Partner der jetzigen Regierungskoalition kein gutes Haar lässt.
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Das EEG ist ein wichtiges Instrument um eine Planungssicherheit zu geben. Es gibt Investoren eine Sicherheit, und wir haben ja zum Ziel, dass die Erneuerbaren noch wachsen auf 80 Prozent in Deutschland. Wo die Kosten nach unten gehen, können wir diese Vergütungssätze auch weiter nach unten korrigieren. Aber man ist noch nicht ganz so weit dass man sagen könnte, die erneuerbaren Energie sind so, dass sie das System allein gestalten könnten.
Was von Konservativen und Liberalen als Ersatz für das EEG vorgeschlagen wird, habe in anderen Ländern nicht funktioniert. Deswegen hält es die Expertin für hierzulande nicht durchsetzbar. Hilfe aber bietet bei der Anpassung des EEG an die Notwendigkeiten der nächsten zehn Jahre an.
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Wir brauchen schon noch eine Übergangszeit, wo die erneuerbaren Energien in den Markt begleitet werden müssen. Was muss angepasst werden? Die Kostendegression. Das Last-Management. Die Speicherlösungen, die dazu kommen müssen. Mit der Integration des herkömmlichen Kraftwerksparks, in erster Linie Gaskraftwerke.
An der Konstruktion, wonach die Stromverbraucher für die Differenz zwischen dem an der Börse erzielten Preis und der den Anlagenbetreibern gezahlten Vergütung aufkommen, würde Claudia Kemfert nichts ändern. Andere erklären das zum Geburtsfehler des EEG, da der Mechanismus die erneuerbaren Energien ihres eigenen Erfolgs wegen angreifbar macht: Der aktuell niedrige Strompreis sei auch mit üppig fließendem Wind- und Sonnenstrom zu erklären. Die Spanne zur festen Vergütung nach EEG ist entsprechend groß und auch deswegen zahlt der Verbraucher nun fünf Cent EEG-Umlage pro Kilowattstunde Strom. Doch anders als Rösler und Brüderle nimmt Claudia Kemfert deswegen nicht das Gesetz, sondern die Stromwirtschaft ins Visier. Denn sie gebe die niedrigen Einkaufspreise nicht an die Verbraucher weiter. Das Eintreten von Politikern für "bezahlbaren" Strom hält sie für dubios.
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Also ich komme aus Berlin, da gibt es Diskussionen: Der Hartz-IV-Empfänger in Berlin zahlt dem Zahnarzt in Bayern seine Solaranlage. Die Gegner der Energiewende nutzen die natürlich auch, um Ressentiments zu schüren. Ein bisschen Wahrheit ist ja dran, dass man aufpassen muss, dass man nicht einseitig nur Privathaushalte über Gebühren belastet und andere, die auch im System drin, die anders drin sich bewegen und Initiativen starten, ganz rausnimmt aus der Verpflichtung. Das muss und kann man zusammenbekommen.
Allerdings möchte sich Claudia Kemfert in einem anderen, für Treibhausgasausstoß und Lebenshaltungskosten sogar noch wichtigeren Bereich auch nicht dem anderen Lager zugesellen, welches den Mietern als einem breiten Teil der Bevölkerung gefallen will. Die gelb-schwarze Regierung hatte im Mai beschlossen, dass der Vermieter Aufwendungen für eine energetische Sanierung auf die Miete umlegen kann. Ein Elftel pro Jahr. Rechnerisch hat der Mieter die Sanierung nach elf Jahren bezahlt, doch das Recht sieht nicht vor, dass der Posten anschließend gestrichen wird. Die derzeitige Regierung, so wird es mieter-seitig interpretiert, gab Hausbesitzern damit den Schlüssel für massive Mieterhöhungen in die Hand. Den Unmut darüber versteht Claudia Kemfert und verteidigt die Regelung dennoch: Offenbar verspricht sie sich von ihr, dass mit ihr die energetische Sanierung des Wohnungsbestands kurzfristiger erfolgt. Das langfristige Niveau der Miete hingegen hänge weniger von den Berechnungs-Vorgaben im Gesetz ab, sondern sei wesentlich regional, von Angebot und Nachfrage bestimmt.
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Die Tücke liegt im Detail. In München ist es höchstwahrscheinlich etwas anderes als in der Gegend, wo ich herkomme. Auf dem Land haben Sie ganz andere Bedingungen. Das kann man nicht pauschalisieren. Es gibt Gebäude, wo energetisch saniert wird und die Miete nachher nicht steigt oder wieder zurückgeht, weil sie keine Mieter finden wenn sie astronomische Preissteigerungen haben.
Bei allem Streit um's Geld legt Claudia Kemfert Wert darauf, dass es hier gesamtwirtschaftlich nicht um Kosten, sondern um Investitionen geht. Über kurz oder lang zahlten sich die Aufwendungen durch dauerhaft niedrigere Heizkosten wieder aus. Abgesehen davon sollten Staat und Politik die Bedingungen schaffen, so dass unentrinnbare Interessensgegensätze nicht die Energiewende torpedieren.
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Wir brauchen finanziell attraktive Bedingungen, preiswertere Kredite, steuerliche Erleichterungen, das muss es auch geben. Aber in der Summe hat man immer das Mieter-Vermieter-Dilemma. Wenn der Eigentümer entscheidet energetisch zu sanieren, hat der Mieter letztendlich eine Einsparung. Wie er es schafft, diese erhöhten Kosten auf erhöhte Mieten, ist natürlich ein schwieriges Thema.
Entsprechendes Engagement beim Minister Peter Ramsauer vermisst Claudia Kemfert. Während Umweltminister und Wirtschaftminister nicht selten in verschiedene Richtungen wollen, ist ein Wollen in dessen Ministerium für Bauen und Verkehr kaum feststellbar. Dies sei erschreckend, schließlich verschlingen Fahrzeugmotoren und Gebäudeheizungen einen Großteil der Primärenergie, die Deutschland importiert und als Kohlendioxid freisetzt.