Radio Lora, München
Markus Hiereth
© Markus Hiereth
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1303eg42
16.04.2013

Trotz alledem am 16.04.2013, 17-18 Uhr
GENOSSENSCHAFTEN FÜR DIE ENERGIEWENDE

Die wenigsten stellen grundsätzlich in Frage, dass wir unseren Energiebedarf über kurz oder lang auf andere Art und Weise decken müssen. Wer kein Kraftwerk, keinen Tagebau oder kein Atommülllager in der Nähe hatte, den kümmerte die Stromerzeugung jedoch oft nur theoretisch. Neue, regenerative Erzeugungsanlagen werden hingegen in der Fläche präsent sein. Auch wollen sie erst einmal bezahlt sein. Diese Umstände genügten interessierten Kreisen, um aus der Energiewende einen Zankapfel zu machen: Solaranlagenbesitzer gegen Stromverbraucher, Windradprojektierer gegen Heimatfreunde.
Ob man selbst oder ob ein anderer handelt, bestimmt vielfach die Wahrnehmung von Veränderungen. Genossenschaften ermöglichen es, gemeinsam größere Ziele zu verwirklichen. Die Energiewende wäre ein solches. Mehr als 150 Energiegenossenschaften haben sich in Bayern diesem Ziel verschrieben, heute abend kommt eine weitere hinzu, in Moosburg wird die Bürgerenergiegenossenschaft Freisinger Land gegründet.
"Trotz alledem" wirbt heute für dieser Ansatz, zu Wort kommen neue und erfahrenere Bürgerenergiegenossenschaftler, ehrenamtlich und beruflich engagierte. Als Redakteur am Mikrofon begrüßt Sie Markus Hiereth.
Talking Heads (1992) Sax and Violins (Teil 1)

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Energie-Wendekreis fällt üppig aus - manche wollen noch geradeaus

Mit Wärmedämmung, Miniblockheizkraftwerk, Liegerädern und Elektroauto wartete im März der Würmtaler Energietag in der Grundschule Neuried auf - entweder als Vortragsthema oder als Schaustück. Die Bürgermeisterin von Krailling präsentierte die Würmtalwerke als kommunales Unternehmen, mit dem die Gemeinden Gauting, Planegg und Krailling ihre Energie-Infrastruktur wieder in Eigenregie betreiben wollen. Für den Verein "Energiewende Starnberg" berichtete Wolfgang Walter Kellner über bescheidene Fortschritte bei seinen Anstrengungen zugunsten der Energiewende. Die Probleme im Hintergrund griff ich im Gespräch mit ihm auf.
wk0203 Die Schwierigkeit ist, dass das Bewusstsein der großen Aufgabe, dass das noch nicht in allen Köpfen ist. Das wird sich langsam entwickeln, wobei das 'langsam' unserer Zielsetzung widerspricht, wir wollen bis 2035 das erledigt haben. Wir müssen da zulegen im Tempo. Aber wir tun uns schwer damit. mh0540 Windkraft ist umstritten, Geothermie auch. Wie wollen Sie weiterkommen? wk0608 Bei der Windkraft sehe ich an sich gute Chancen, weil der Plan, der entwickelt worden ist, für die Bevölkerung günstigere Randbedingungen schafft als ohne Plan. Dann könnte Investor kommen und sagen, auf dem Acker will ich Anlage errichten, man kann es ihm nicht verwehren. Für die Bevölkerung positiv ist ja, dass ein Kilometer Abstand eingehalten wird. wk0659 Unser Verein hat ein bisschen über 200 Mitglieder. Irgendeine Bürgerinitiative hat vielleicht im Nu mehr Mitglieder, die haben auch politische Wirksamkeit. Ich denke, man muss versuchen, die Diskussion auf die wirklichen Argumente zurückzuführen. wk0728 Die sind eben, wenn wir die Wende schaffen wollen, und dafür gibt es ernsthafte Gründe, ... Wenn man dieses Ziel mal akzeptiert, dann muss man sagen in Bezug auf Strom: Woher nehmen wir unseren Strom? Es wird nicht viel bleiben als Wind und Sonne. wk0800 Dann müssen wir auch bei uns Anlagen akzeptieren. Wenn nicht, haben wir in unserer Region zu wenig Strom. Dann haben wir wieder die andere Baustelle, dass man riesige Stromtrassen bauen muss, die dieselben Widerstände haben werden. Ich denke, dass man diese Widerstände mit Diskussionen und Überzeugung überwinden wird.
wk0847 Wir haben, was Wind angeht, schon recht gute Diskussionsveranstaltungen gehabt. mh0910 Wer hat den da eingeladen? wk0912 Der Energiewendeverein, zum Beispiel in Herrsching. Da waren Referenten da von GreenCity. mh0934 Haben Sie es da geschafft, Vertreter von Bürgerinitiativen gegen Windkraftanlagen einzuladen und sich dort auszutauschen? wk0943 Das war jetzt nicht auf der Veranstaltung. Wir haben vorher mal eine Veranstaltung gemacht, da haben wir diskutiert mit den Gegnern von Geothermie. In Tutzing, da waren Leute aus Bernried und Umgebung. Von unserer Seite sind Fachleute auf dem Podium gesessen. Ich muss leider sagen, es ist kein wirkliches Gespräch zustande gekommen. In der Öffentlichkeit wird es ganz schwierig, wenn jeder so seine Positionen verkündet. Das müsste man vielleicht anders aufziehen. Vielleicht in kleinerem Kreis. Von Mensch zu Mensch kann man eher kommunizieren. Sonst: Hier ein Block, dort ein Block, dann haut man sich die Argumente um die Ohren und nichts geht weiter. wk1113 Wir würden viel lieber einen Konsens haben. mh1147 Eine Gründung des Energiewendevereins scheint diese Genossenschaft zu sein. mh1412 Was hat die Genossenschaft bis jetzt verwirklichen können, was möchte sie machen? wk1415 Es sind einige Projekte auf dem Gebiet der Photovoltaik, die bereits umgesetzt sind und die auch gut laufen. Ansonsten sind wir in der Startphase. Wir warten eigentlich darauf, dass das mit der Windenergie losgeht. Da gibt es ja in Berg schon hoffnungsvolle Entwicklungen. Die Gemeinde ist sehr dahinter und ich meine da werden wir und einbringen mit den Bürgern von Berg, dass die also bevorzugt sich beteiligen können, und wenn es in Berg nicht genug gibt, laden wir die Leute aus dem Landkreis ein, sich mit zu beteiligen und dann geht es also los. Da wird man auch mehr hören von unserer Energiegenossenschaft als jetzt. Dadurch dass die Photovoltaik jetzt etwas gebremst läuft, sind wir nicht so aktiv.
So weit der Physiker Walter Kellner, Mitglied im Vorstand des Vereins Energiewende Starnberger Land.
Promo Lora-Förderverein - Aristoteles
Mit einem "Energiegenossenschaften: Bürgernah und dezentral" überschriebenen Vortrag trug Joachim Bender zum Programm des Würmtaler Energietags am 16. März bei. Was das heißt, sollte er recht genau wissen, schließlich war er von Anfang an bei der Münchner Bürgerenergiegenossenschaft BENG dabei. Aktuell ist er ihr Vorsitzender im Aufsichtsrat und er erklärte mir unter anderem, aus welchen Erwägungen heraus die Genossenschaft gegründet wurde.
jb0021 Das war ganz einfach. Wir hatten im Würmtal hier, auch im Isartal diverse Gruppen, die ad hoc Anlagen errichten, in der Regel zusammen mit den Gemeinden. Jeweils eine eigene BGB-Gesellschaft gebildet, je Anlage, zusammen mit einem Trägerverein. Erfahrung hat Grenzen gezeigt. Bezüglich Größe und Organisationsstruktur. Wenn man jeweils Organisationsstruktur aufbaut mit Geschäftsführer und ähnlichem aufbaut, ist es arg viel, was an Kapazität gebunden wird. jb0113 Dann haben wir gesagt, dass wir mit der Genossenschaft einerseits eine einheitliche Organisationsform haben, die effektiv arbeitet, die andererseits verschiedenste und größere Projekte bearbeiten kann. mh0129 Können Sie mal Investitionssummen nennen von diesen Anlagen, die Objekte waren und Größen, die Sie anpeilen oder jetzt realisiert haben? jb0142 Gleich das erste ist eine Freiflächenanlage in Aschheim gewesen. Da ging es um 2,2 Millionen Euro. Mit der Genossenschaft hat das hervorragend funktioniert. Letztendlich waren es 660000 Euro, die über Eigenkapital eingebracht wurden, sprich über diverse Darlehen, die uns Genossenschaftmitglieder gegeben haben, insgesamt die 214 Mitglieder. Und während andererseits der große Rest auch noch über einen sehr günstigen Kredit einer lokalen Sparkasse uns gegeben werden konnte. mh0233 Wie haben Sie den Kreis zusammengebracht, die, die sich beteiligen? jb0240 Das war denkbar einfach. Ansprechpartner war ja zunächst in dem Fall die Gemeinde Aschheim. Wir haben in Zusammenarbeit mit dem dortigen Bürgermeister zwei große Informationsveranstaltungen vor Ort veranstaltet. Da kamen viele und unter diesen hat es viele gegeben, die sofort bereit waren, sich zu beteiligen. So dass wir die Problematik primär darin hatten, wer wird genommen als Mitfinanzier.

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Bürgerenergiegenossenschaft BENG von innen

mh0359 Die Struktur, mit der Sie arbeiten. Können Sie die mal skizzieren? jb0405 Es gibt eine Generalversammlung, das ist das Gegenstück zur Hauptversammlung bei einer Aktiengesellschaft. In der ist jeder Genosse unabhängig von der Höhe des Genossenschaftsanteiles mit einer Stimme berechtigt. Diese Generalversammlung wählt den Aufsichtsrat, dieser wählt dann den Vorstand. Der besteht in unserem Falle aus drei Mitgliedern während der Aufsichtsrat aus sechsen besteht. mh0439 Wie sieht die Arbeit aus; wie kriegt man als einfacher Genosse mit, was passiert und was passieren soll? jb0448 Wir informieren unsere Genossen durchaus regelmäßig. Wir haben eine Homepage, wo die Ertragsdaten von jederzeit von jeder Anlage von jedem Genossen aufrufbar sind, so dass erkennbar ist, wie die mitfinanzierte Anlage sich von der Ertragssituation sich darstellt. jb0511 Das sind die wesentlichen Elemente. Natürlich, die Generalversammlung findet in der Regel nur einmal im Jahr statt, kann bei Bedarf auch häufiger stattfinden. mh0519 Und die anderen Gremien, wie sieht da die kontinuierliche Arbeit aus? Was wird in diesen Gremien entschieden? jb0533 Grundsätzlich ist für die Entscheidungen, die das laufende Geschäft betreffen, der Vorstand zuständig. Tatsächlich ist es in unserem Fall so, dass wir alle anderthalb Monate uns zusammen treffen, also Vorstand und Aufsichtsrat und wir besprechen intensiver als das in vergleichbaren Organisationen der Fall ist alle anstehenden Themen. jb0600 Zunächst unabhängig von der tatsächlichen Zuständigkeit. Wir sehen uns als eine gemeinsame Gruppe. Natürlich geht das nicht so weit, dass wir die Kontrollfunktion, die wir als Aufsichtsrat haben, verkennen. mh2411 Ist das jetzt Ihre Vollzeitaufgabe?jb2418 Ich bin in dem angenehmen Status eines Rentners, wenn es auch noch nicht so lange währt. Ich bin andererseits noch kommunalpolitisch ziemlich aktiv. Es bindet schon Kapazitäten, aber die Frage ist nicht so sehr an mich als Aufsichtsratsvorsitzenden zu richten. Da gibt es größere, potentielle Probleme bei den Vorstandsmitgliedern. Weil die sind zunächst mal auch ehrenamtlich tätig und die haben sehr sehr viel Zeit nötig, um die Projekte seriös zu bearbeiten. Hier haben wir aber jetzt seit kurzem günstige Lösungen gefunden. Zwei der drei Vorstandsmitglieder haben einen Job, der sie nicht in Gänze zeitlich auslastet. Die zudem sehr nah sind an den Tätigkeiten auch in der Genossenschaft ohne jetzt Konflikte zu produzieren und die andererseits neuestens so Minijobverträge von uns bekommen. Das ist zwar ungleich weniger als sie verdienen müssten, aber es ist ein Einstieg. jb2538 Wir werden das sehr kritisch als Aufsichtsrat verfolgen, inwieweit wir eine höhere Bezahlung akzeptieren können, aber im Augenblick sind wir noch vorsichtig und fangen auf dieser Minijobebene an. mh2551 Ich komme aus dem Landkreis Freising und habe gesehen, dass für den Aufsichtsrat gleich voll ausgelastete Kommunalpolitiker vorgesehen sind. Wie beurteilen Sie diese Idee? jb2609 Auch ich bin sowas wie ein Kommunalpolitiker, auch wenn ich nicht mehr in einem Gremium sitze. Es ist schon hilfreich, wenn hier Kommunalpolitiker drin sind, weil viele dieser Projekte haben Kontakt zu kommunalen Themen. Also im Grunde, wenn es nicht dazu kommt, dass hier politische Auseinandersetzungen auch noch in so einer Genossenschaft ablaufen, Halte ich das durchaus für sinnvoll und hilfreich. mh2641 Also Sie haben die Zuversicht, dass die dann auch arbeiten? Das ist ja die Sorge nach dem Berliner Flughafen, dass man sich fragt: 'Was haben die eigentlich getan?' jb2653 Ja, nur, dieses Problem taucht nicht nur bei Politikern auf. Sie haben bewusst gefragt nach meiner eigenen Situation. Wenn ich jetzt tatsächlich noch voll im Berufsleben stehen würde, wäre es tatsächlich auch schwierig; egal, ob ich politisch aktiv bin oder in einem Beruf in der Industrie tätig bin. Die umgekehrte Thematik ist die, ob es wirklich nur Rentner machen können.
mh1208 Zurück zu Genossenschaften. Weshalb stoßen Genossenschaften auf Akzeptanz? jb1238 Die Menschen, die sich jetzt an Energiegenossenschaften beteiligen haben ein ausgesprochen gutes Gefühl. Sie sehen einerseits, dass sie in ein Projekt investieren, was sinnvoll ist, gerade im Sinne der Energiewende. Zum anderen haben sie auch noch die Situation, dass sie in einem gewissen Umfang einen finanziellen Nutzen davon haben. Wenn diese beiden Komponenten zusammenkommen, ist man sehr schnell auf der Schiene, dass die Leute hinter einem herlaufen. Wir haben eine gigantische Liste von Interessenten aus der Stadt München, die wir alle nicht bedienen können, weil wir partout in München kein Projekt haben. mh1325 Andererseits, sie setzen ja auch noch einen Hebel an. Für 900 Euro, die von diesem Genossen kommen, dann noch Geld von Kreditinstituten draufzulegen, um eine größere Anlage zu machen. Aus welcher Überlegung heraus? jb1343 Vorweg gesagt: Wir gehen da auch nicht zu jeder Art von Kreditinstitut. Sondern es ist auch in dem Fall für uns entscheidend, dass es ein lokales ist wie eine lokale Sparkasse oder eben auch eine Genossenschaftsbank. Zum zweiten, es ist schlicht und einfach so, dass gerade bei den heute fälligen Zinsen, es hochattraktiv ist, günstige Kredite, und die bekommen wir tatsächlich von den Kreditinstituten, zu nutzen, weil sie dann die Nebenfolge haben, dass die Menschen, die dann an der Anlage beteiligt sind, höhere Erträge haben können. mh1430 Das impliziert, dass die Zinssätze, zu welchen sie Geld borgen, über die zehn Jahre fest sind. jb1438 Das hängt von den konkreten Vereinbarungen ab. Bisher war uns das tatsächlich möglich, dauerhaft niedrige Zinsen festzulegen, ja. jb1451 Mag sein, dass uns das ab einen Zeitpunkt nicht mehr gelingt, aber jetzt ist es noch so. mh1551 Ich habe noch nicht so viel durchüberlegt. Derjenige, der kommt, wird Genosse, zahlt gewissen Anteil, zugleich hat er Geld gegeben für eine Anlage, die gebaut worden ist und diese Anlage wird dann getilgt, vom 11. bis ins 20. Jahr. Wem gehört die Anlage nach 20 Jahren eigentlich? jb1618 Die gehört der Genossenschaft und gehört damit auch jedem, der weiterhin Genosse ist und das werden die meisten auch bleiben, weil er mit mindestens 100 Euro auch an der Genossenschaft beteiligt ist. Und wenn es dann der Fall wäre, dass alle diese Anlagen, die wir gebaut haben, mit ihren Darlehen getilgt wären, dann wäre alles, was an Gewinn anfällt, umzulegen auf die Anteile, die man an der Genossenschaft hat. mh1659 Das war zu schön. Ich kriege etwas zurückbezahlt, ein Darlehen, aber trotzdem ist dieses Objekt trotzdem eines, an dem ich bleibend beteiligt bin und von dem ich Profit habe. jb1718 Ja, so ist es. mh1722 Wie schaut es aus mit Sicherheit? Was gibt denn den Genossen die Gewissheit, dass mit den Geldern ordentlich umgegangen wird? jb1737 Ich fange mal umgekehrt an: Es gibt eine Unsicherheit. Diese Darlehen der Genossen müssen korrekterweise Nachrangdarlegen genannt werden müssen. Und zwar deswegen, weil im Falle einer Insolvenz der Genossenschaft gäbe es die Situation, dass die Banken, die uns ja auch Kredite gegeben haben, das Erstzugriffsrecht hätten für das, was es noch zu verteilen gibt. Das ist ein zusätzliches Risiko. jb1809 Dem steht aber gegenüber, dass wir die Form einer Genossenschaft gewählt haben, und hier zeigt die Erfahrung, dass es keine Art von Gesellschaftsform gibt hier in Deutschland, die annähernd so insolvenzsicher ist wie eine Genossenschaft. Das hängt zum einen daran, dass die Menschen in einer Genossenschaft von sich aus sehr engagiert sind. Also, wenn es zu holpern beginnt, Dinge selbst in die Hand nehmen und selbst aktiv werden. Dass generell Idealismus hier eine Rolle spielt. jb1852 Hängt aber ganz entscheidend davon ab, dass es einen Genossenschaftsverband gibt, in dem Fall den Bayerischen, der ein Verband ist, der viel schärfer als jede Wirtschaftsprüfungsgesellschaft hinschaut, auf viele Dinge, an die man häufig gar nicht denkt. Wenn man erstmals eine Genossenschaft dem Verband vorführt, wir haben das jetzt zweimal gemacht. Es war schon recht eindrucksvoll aber auch sehr vertrauensgebend, wenn man sieht, wie intensiv man hier geprüft wird. Das galt sogar schon bei der Gründung. Wir mussten ein ganz präzises Konzept vorlegen, um überhaupt akzeptiert zu werden als Genossenschaft.
So weit Joachim Bender von der Münchner Bürgerenergiegenossenschaft BENG. Ihre Internetadresse lautet www.beng-eg.de
Lora-Senderkennung - Wachstum
Bei der Vorbereitung dieser Trotz alledem - Sendung über Bürgerenergiegenossenschaften erreichte mich eine Pressemitteilung mit der Überschrift "Bürgerkraftwerke vor dem Aus - Erneuerbare nur noch für die Großen?" Darin heißt es "Aus einer ganz neuen Ecke ist der Ausbau der erneuerbaren Energien aktuell bedroht. Das Bundesfinanzministerium will mit einem neuen Kapitalanlagengesetz die Finanzierung von Fonds regulieren. Von den hohen Auflagen sind letztlich aber auch Bürgerbeteiligungsmodelle betroffen."
Das Ministerium verlautbart wiederum, dass die Novellierung Anlegern besseren Schutz gewähren soll. Der Entwurf umfasst einige hundert Seiten. Auch wenn Fonds hauptsächlich von Banken vertrieben werden, hat sich Thomas Berg mit ihm befasst. Er leitet im Genossenschaftsverband das Gründungszentrum. Am Telefon bat ich ihn zunächst, den Unterschied zwischen Fonds- und genossenschaftlicher Projektfinanzierung zu umreissen.
tb0247 Das ist für den Einzelbürger relativ einfach. Beim Fondsmodell investiert er und erwartet in erster Linie eine Rendite und hat kein Mitspracherecht. Hat aber trotzdem meistens das Risiko des Verlustes zu tragen, was ihm oftmals nicht so bewußt ist. Und bei Energiegenossenschaften ist er selbst Mitunternehmer. Der Förderzweck besteht darin, gemeinsam nachhaltig Energie zu produzieren, eventuell diese auch zu vertreiben und vor allen Dingen mittel- bis langfristig einen guten Preis sich zu sichern, was auch die eigenen Energiekosten angeht.
Ungeachtet des Unterschiedes stellt sich sein Verband darauf ein, dass sich das Gesetzeswerk auch auf genossenschaftliche Aktivitäten auswirken wird. Strengere Regeln werden Finanzierern ungeachtet ihrer Rechtsform auferlegt.
tb0531 Man hat 2010 aus den Erfahrungen des Immobiliengriffs versucht, einen neuen Schutz für Anleger zu schaffen, auf europäischer Ebene. Die sogenannte AIFM-Richtlinie entwickelt. Das Kapitalanlagegesetzbuch wäre die nationale Umsetzung. Dort soll Anlegerschutz ergriffen werden, das heißt Regelungen, Schutzvorrichtungen, denen Verwaltungsgesellschaften von Fonds unterworfen sind. In dem Zusammenhang hat man nicht mehr bestimmte Unternehmensformen ins Blickfeld gezogen, sondern sämtliche Organisationen, egal welcher Rechtsform. tb0628 Das heißt also auch die Genossenschaften. Das heißt, wir haben den paradoxen Fall, je nachdem, wie die Genossenschaft sich entwickelt, kann sie einmal unter das KAGB fallen und einmal nicht. Das dreht sich darum: Betreibt sie selbst Anlagen, fällt sie nicht unter das KAGB. Beginnt sie zunächst mit einer Beteiligung, würde sie zunächst mal darunter fallen.

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Gezielte und/oder breite Entgiftung im Portfolio

Insofern als Windkraft- und Fotovoltaik-Anlagen zur Schonung der Ressourcen und zum Schutz des Klimas beitragen, stehen die sie finanzierenden Fondsgesellschaften zunächst in einem günstigeren Licht. Keineswegs abwegig also zu fragen, ob es in diesem Sektor nicht gerade deswegen auch dubiose Angebote gab.
tb1258 Jetzt muss man in die Historie zurückgehen, auch auf Erfahrungen bei meinen vorherigen Arbeitgeber. Was Energiegenossenschaften angeht, ist im Grunde keine aufgrund eines schlechten Projektes in die Insolvenz gegangen. Darüber hinaus gab es natürlich Dinge im Energiebereich, die nicht so sauber gelaufen sind. Wo einzelne Windparks defizitär waren. Das hängt damit zusammen, dass in den Jahren 2000 bis 2012 Anfang die Windgutachten tendenziell besser als die Wirklichkeit waren. Das hat man korrigiert über den langjährigen Windindex, den hat man nach unten korrigiert. tb1411 Wo es durchaus kritischer war, war bei Biogasfonds. Da hat man oftmals das blaue vom Himmel versprochen, hat gegenüber Wind- und Solaranlagen ganz vergessen, dass Substratpreise anfallen. Die können unterschiedlich sein, sprich, sie haben keine Bindung auf 20 Jahre. Dadurch ist das einzelne Biogasprojekt an die Wand gefahren. Oder man hat, als ganz prominentes Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern, Penkun. Man hat mehrere kleine Anlagen installiert, die Gesetzeslage damals war nicht ganz eindeutig. Man hat die später als eine große Anlage zusammengefasst und damit ist die Einspeisevergütung abgesenkt worden. Damit war das ganze nicht mehr wirtschaftlich. Rechtsverfahren. Sonderlösung. Das gab es bei großen Fonds. tb1543 Bei Energiegenossenschaften sind mir solche Projekte nicht bekannt. Das hat auch einen einfachen Grund. Genossenschaften sind eher konservativ und bauen auf viel mehr Sicherheit. Das ist bei Fonds nicht immer der Fall gewesen. Da ging es um reine Rendite, das ist mit allen Mitteln und Methoden versucht worden. Je höher die Rendite, desto höher ist auch das Risiko. Das ist oftmals unter den Tisch gefallen.
Thomas Berg vom Genossenschaftsverband ist von dem jetzigen Entwurf zum Kapitalanlagegesetzbuch KAGB wenig angetan. Trotz, oder gerade seines Umfangs fragt er, wie dieses Werk angewendet werden soll. Ein Katalog von Prüfungen wird das Auflegen von Fonds deutlich aufwendiger machen. Wenn eine neu gegründete Bürgerenergie-Genossenschaft Gelder sammelt, um sie in Projekte anderer einzubringen, gälte besagter Prüfkatalog auch für sie.
tb0731 In der Praxis würde sie aus Sicht des KAGB als Fondsgesellschaft tätig werden. Es müssten Sicherheitsvorkehrungen überprüft werden: Wie sie Anteile herausgibt, die Geldanlageformen, wie die stattfinden, ... Das kann im Einzelfall einen fünf- bis sechsstelligen Betrag verursachen. Das wäre für einen Großteil der Energiegenossenschaften schon ein Todesurteil.
Oder, konstruktiv gewendet, für Genossenschaftsverbände ein Anlass, Energiegenossenschaften in Gründung noch eingehender zu beraten. Der Akzent muss auf dem Betreiben eigener Anlagen liegen. Auch ein Stück Transparenz im Hinblick auf den Zweck eines Fonds könnte durch die Änderungen im Kapitalanlagegesetzbuch verloren gehen. Denn im Energiesektor wurden häufig projektgebundene Fonds aufgelegt. Die Kapitalgeber wussten, welche Anlage mit dem Geld realisiert wird. Gerade aber Ein-Projekt-Fonds könnten verschwinden, weil das Ministerium sie per se als risikoträchtig klassifiziert und einer Auflage unterwirft: Die Mindestbeteiligung an einem solchen Ein-Projekt-Fonds muss 20000 Euro und mehr betragen. Ganz, als hafteten kleineren Projekten höhere Risiken an als großen.
tb1719 Man weiß nicht, was durch manche Köpfe gegangen ist, die solche Ideen entwickeln. Aber man ist an der Stelle wohl davon ausgegangen, je höher die Einzelanlage ist, desto mehr schaut man wohl auf die Sicherheit. Allerdings muss man sagen, im energiegenossenschaftlichen Bereich, sind die Beteiligungen, wenn man pro Person die Genossenschaftsanteile addiert, liegen sie zwischen 3000 und 5000 Euro. Das heißt, man würde weit darunter liegen. th1805 Was diese Einzelfälle mit 20000 angeht, ist auch aus Sicht der Energiewende völlig abstrus, weil eine breite Basis erreicht man nicht mit möglichst hohen Beiträgen.
Aus Thomas Bergs Sicht zählt, dass viele kleine Geldgeber für kleine Projekte in der Summe für die Energiewende sehr wohl von Bedeutung sind. Er legt dar, wie es mit dem Entwurf nun weiter geht.
tb2536 Wir hatten am 13. März eine Verbändeanhörung, am 20. März hat der Bundesfinanzausschuss getagt, der Bundesrat, der deutsche Kreditausschuss hat eine Stellungnahme abgegeben, vor allem, was die Präzisierung dieses Gesetzesentwurfes angeht. Wir haben momentan die zweite Version im Übergang zur dritten. Es kommt jetzt die zweite Lesung. Insgesamt soll das Gesetz bis zum 22. Juli in Kraft treten, ansonsten würde erst einmal die europäische Richtlinie in Kraft treten. tb2621 Man hat hier im Prozess die eine oder andere Erkenntnis gewonnen. Aber um das Werk zu loben ist es noch wesentlich zu früh.
Man kann sich schon wundern, dass nun Fonds im eher robusten Sektor Energie der feinmaschigen Kontrolle unterworfen werden, die es vor fünf Jahren gebraucht hätte, um die Blasenbildung mit Immobilien- und Staatsschuld-Titeln zu verhindern. Thomas Berg überzeugt der Umgang mit "Alternativen Investment Fonds" nicht, in Hinblick auf die Energiewende hält er den Gesetzesentwurf für potentiell störend.
tb2900 Man hat im Grunde die Energiewende als großes Ziel oben angesetzt, wenn man jedoch die operativen Bereiche darunter ansieht, gerade was die Gesetzgebung angeht, [...] Dann fragt man sich schon, ob man sich zusammensetzt und sagt: Wie machen wir es denn? tb2936 Es ist schon kritisch zu sehen beim KAGB, ob [...] Durch den erhöhten Schutz, wo man nicht den Kern wirklich trifft, nämlich, ob die jeweilige Energiegewinnungsanlage wirklich ein Risiko hat oder kaum ein Risiko, sondern man setzt eigentlich bei der Anlage des Geldes an. Würde ich mir schon die Frage stellen, ob man das berücksichtigt hat. tb3034 Auch vor dem Hintergrund der immensen Bürgerbeteiligung. [...] Sie müssen ja überlegen, es gab zwar unterschiedliche Aussagen, die Schätzungen gehen bis zu 100 Milliarden Gesamtkosten. [...] Wenn sie dann sehen, was im Grunde die Bürger im Verhältnis leisten, ... Man schätzt, was das Geldvermögen angeht, das sind Fonds, Sparbriefe, Sparbücher, Barvermögen, alles dazu, das sind 4,8 Billionen Euro. [...]Dann sollte man berücksichtigen, dass die Bürger das A und O sind, dass man die auch einbindet. Sie sind auch die Multiplikatoren in positiver wie negativer Meinung zur Energiewende. tb3155 Wenn man sich dann unterwegs verhebt, ob das nun rechtlich ist oder ob das in einer unsäglichen Diskussion zwischen herkömmlicher und erneuerbare Energie ist, wo man nicht weiß: Wem hängt man jetzt politisch hinterher? Ist es die Richtung der großen Energieversorger? Allein was den Planungszeitraum von Übertragungsnetzen angeht. Auch deren Finanzierung, wo sich der eine oder andere Netzbetreiber fast verhoben hat, weil er kein Eigenkapital ausreichend zur Verfügung hatte. Da muss man schon überlegen, ob da ein Gesamtkonzept erkennbar ist oder zumindest angestrebt wird.
So weit Thomas Berg, Leiter des Gründungszentrums beim Genossenschaftsverband über mögliche Änderungen am Kapitalanlagegesetzbuch. Eine Unterschriftenaktion, mit der Nachteile für Energieprojekte durch dieses Gesetzeswerk abgewendet werden sollen, hat der Verein "Energie neu denken" initiiert. Informationen dazu finden Sie auf der Internetseite www.energie-neu-denken.de unter Mitmachen / Bürgerkraft retten.
Talking Heads (1992) Sax and Violins (Teil 2)
Bürger nehmen die Energiewende selbst in die Hand, könnte die heutige Ausgabe von Trotz alledem überschrieben sein. Bayernweit gibt es bereits 150 Energiegenossenschaften. Vertreter der in den Landkreisen Starnberg und München tätigen kamen hier schon zu Wort. Heute abend wird eine weitere Bürgerenergiegenossenschaft gegründet, und zwar in Moosburg an der Isar. Sie möchte Energieprojekte im Landkreis Freising realisieren. Martin Hillebrand gehört zum Kreis derer, die die Gründung vorbereitet haben. Zu seiner Motivation erklärte er im Gespräch mit mir:
hi0017 Uns geht es darum, die Energiewende vom Kopf auf die Beine zu stellen. Damit meine ich konkret, dass man die Bürger vor Ort mitbeteiligt, die Energiewende jetzt zu realisieren. mh0038 Wie sind Sie darauf gekommen? hi0055 Ich selber beschäftige mich schon seit 1989 mit Solarenergie. Bin Gründungsvorsitzender von Sonnenkraft Freising. Von daher ist das Thema Energiewende eines, das mir sehr wichtig ist. mit dem ich lebe und für das ich mich einsetze. Wir haben jetzt nochmal für die Vorhaben, die Bürger miteinzubeziehen, die richtige Rechtsform dazu gesucht. Da stößt einem die Form der Genossenschaft eigentlich ins Auge, weil man dort merkt, dort kann man die Bürger am besten mit integrieren, dass das ihre Aktivitäten und ihre Anlagen sind.
mh0249 Wo stehen Sie denn jetzt mit der Genossenschaft? hi0253 Wir haben die letzten Monate einiges vorbereitet. Am 16. April wollen wir in Moosburg die Genossenschaft definitiv gründen. mh0305 Was musste erledigt sein, dass sie die Gründungsversammlung durchführen können. Weil da gibt es ja schon gewisse Erwartungshaltungen. Da kommt man nicht zweimal hin. hi0321 Es waren zunächst einmal die ganzen Akteure, [die] hat man alle an einen Tisch eingeladen, da Ideen gesammelt und das entwickelt. Und da auch gemerkt, dass man auf eine sehr positive Resonanz gestoßen hat. Die Türen sind dort schnell aufgegangen. Die Akteure haben gesagt, ja, da sind wir dabei, das ist der nächste logische Schritt, um da voranzukommen. hi0354 Dann natürlich gehört zu der Genossenschaft, braucht es einen Aufsichtsrat und einen Vorstand. Im Aufsichtsrat ist es uns gelungen, den Landrat und die Vizelandrätin dafür auch zu begeistern, als Aufsichtsräte. Nebenbei dann noch wichtige Leute aus Gemeinderäten, Umweltreferenten und von den Solarinitiativen Leute. Dass man jetzt eine ganz abgerundete Gruppe von Leuten gefunden hat. mh0550 Sie und zwei Mitstreiter aus der Solarszene würden für den Vorstand zur Verfügung stehen. Auf welche Arbeit lassen Sie sich ein? hi0608 Im Moment ist es sehr viel Arbeit. Wieviel das konkret wird, muss sich in den nächsten Monaten oder Jahren einspielen. Momentan hat sich herausgestellt, dass wir in der Dreierkonstellation sehr gut fahren. Wir können uns unterstützen. Aber auch mal kritisch das eine oder andere anmerken. Ich empfinde das Dreiergremium als bereichernd und befruchtend.

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Die Kräfte bündeln

mh0643 Zur Basis; die Leute, die Genossen oder Mitglieder werden. Was ist deren Beitrag? hi0659 Es geht um ein Verständnis: Wenn wir uns zusammenschließen, dann haben wir mehr Kraft, diese Energiewende auch realisieren zu können. Das heißt, von den Ideen die wir entwickeln, von der Identifikation mit der Sache, auf der einen Seite, aber genauso auch die finanziellen Möglichkeiten, wenn 200, 300, 400 Bürger sich finanziell zusammenlegen, kann man natürlich größere Projekte stemmen als das ein einzelner kann. mh0735 In welcher Größenordnung sind denn die Beträge? hi0741 Um einen Genossenschaftsanteil zu erwerben: Der liegt bei 250 Euro, das ist quasi der Eintritt, um da dabei zu sein. mh0756 Wenn Sie Projekte realisieren, ist natürlich mehr Geld notwendig. Wie wird das dann zusammengetragen? hi0808 Das geht dann über nachrangige Darlehen. Da wird zum Beispiel ein konkretes Projekt aufgelegt. Und ich denke, man darf das jetzt auch schon sagen. Wir sind mit der Gemeinde Eching in einem sehr regen Kontakt und es gibt da auch einen Gemeinderatsbeschluss. Dass wir auf Gebäuden der Gemeinde Eching die ersten PV-Projekte realisieren werden. Genossen können dann freiwillig für sich entscheiden, ob und wie hoch sie sich an so einer konkreten Anlage beteiligen möchten. hi0840 Im späteren Verlauf werden dann weitere Projekte aufgelegt; das kann ein Windkraftprojekt sein, das kann Biomasse sein, eine Nahwärmeversorgung. Später auch ein dezentraler Energiespeicher und man kann sich immer wieder entscheiden, ob man sagt: Dort möchte ich mit einem Betrag x dabeisein.
Martin Hillebrand wies eben auf Eching hin. Diese Gemeinde fasste als erste im Landkreis Freising einen Beschluss, der neuen Bürgerenergiegenossenschaft beizutreten. Im Neufahrner Gemeinderat brachte Florian Pflügler einen entsprechenden Antrag an. Er ist dort Umweltreferent. Ich verabredete mich mit ihm am Sport- und Schulzentrum, wo auf großen Dachflächen Sonnenstrom gewonnen werden könnte und Leitungen im Erdreich bereits Wärme aus Kraft-Wärme-Anlagen verteilen. Ich fragte Florian Pflügler, was er sich vom Beitritt seiner Gemeinde zur Bürgerenergiegenossenschaft verspricht.
fp0024 Für eine Gemeinde alleine ist es oft sehr schwierig ... weil da braucht man sehr viel technisches Know-How und braucht auch einen unternehmerischen Hintergrund. Das ist etwas, was eine Gemeinde eigentlich nicht hat. fp0137 ... deswegen sind Gemeinden sehr dankbar, dass es diese Energiegenossenschaft gibt. Gemeinde Eching hat ja schon im Februar einen Beschluss gefasst, Mitglied zu werden mit vier Anteilen, 1000 Euro. Eben diesen Beschluss haben wir, Neufahrn, im März gefasst und jetzt, Anfang April hat ja auch die Stadt Freising diesen Beschluss gefasst, dort Mitglied zu werden. Das finde ich ganz wichtig, dass man da eine enge Zusammenarbeit hat: Gemeinde als Planungsträger, um die Energiewende im Sinne der Bürger voranzutreiben. mh0221 Sie sind Gemeinderat der ödp in Neufahrn. Auf Kreistagsebene gab es auch Vorstöße, dass der Landkreis sich darum kümmern könnte, dass Energieprojekte realisiert werden. Da gab es auch einen Strukturvorschlag, der aber nicht aufgegriffen wurde. fp0247 Es hat ja, es ist schon ein, zwei Jahre her, von der ödp-Fraktion im Kreistag diesen Antrag gegeben, dass Landkreiswerke für die Energiewerke gegründet werden. Das hat leider keine Mehrheit gefunden. Da waren Vorbehalte aus anderen Parteien da. Das war ein ähnlicher Gedanke. Dass man lokal die Energiewende gestaltet, dass die der Landkreis in die Hand nimmt. Für die Energiegenossenschaft, wie sie jetzt aus dem Verein Sonnenkraft Freising, Solarfreunde Moosburg und auch von den lokalen Agenden 21 unterstützt wird, denke ich, gehen wir einen ähnlichen, vielleicht sogar einen besseren Weg, weil die Bürger mit ihren eigenen, auch finanziellen Beteiligungsmöglichkeiten noch wesentlich schöner integriert sind als es bei diesen Landkreiswerken gelungen wäre.

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Was bald und was langfristig möglich wäre

mh0631 Wo könnte die Energiegenossenschaft und die Kommune oder diese Zweckgemeinschaft da ineinandergreifen? fp0643 Was recht kurzfristig machbar ist, wären Fotovoltaikprojekte. Wir haben ja die Situation, dass der Strom aus Solarstromanlagen schon so günstig ist, dass gar nicht mehr die Vergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz wesentlich ist. Sondern dass man eher schauen muss, wie man ihn gut verkaufen kann. Und da hätten wir in Neufahrn mit unserem Schwimmbad neufun einen Abnehmer, der wirklich an jedem Tag im Jahr relativ viel Strom braucht. Da könnte man zum Beispiel Strom direkt aus der Fotovoltaikanlage verwenden. mh0720 Die lokale Agenda 21 hat Vorarbeit geleistet, hat sich umgeschaut, was an Flächen da ist. fp0732 Das sind zahlreiche Gebäude, die dafür geeignet sind. Das sind knapp 20 Gebäude. Das sind eine Reihe von Schulen, Sporthallen, dann auf den Kindergärtendächern. Also da ist sehr viel geeignet. fp0752 Wobei die Bürgerenergiegenossenschaft schon darauf abzielt auf eine Energiewende im großen Maßstab. Also ich stelle mir vor, dass man in einigen Jahren den elektrischen Bedarf für den Landkreis zu 100 Prozent decken können und vielleicht in einem Jahrzehnt auch deutlich über-decken. So dass wir die Nachbarkommune München auch mitversorgen kann. fp0813 Von dem her denke ich eher an größere Anlagen. Wie zum Beispiel auch Windkraftanlagen, Wasserkraft. Da wird man sich in den Gemeinden im südlichen Landkreis, aber auch im gesamten Landkreis umschauen, um wirklich große Erzeugungskapazitäten zu erschließen.
mh0849 Worin liegt denn der Vorteil, wenn man so ein Schuldach nutzt? fp0902 Die Fotovoltaik auf kleinen Dächern, dafür braucht man die Energiegenossenschaft nicht. Interessant sind wirklich die großen Kraftwerksanlagen; die relativ großen, für die Großkonzerne sind sind sie ja auch wieder nicht interessant. Darum ist ja diese Lücke, die von einer Energiegenossenschaft gedeckt werden sollte. fp0928 Was gemeindespeziell interessant sein könnte, das sind Gebäude die tagsüber viel genutzt werden ... Wenn Erzeuger und Verbraucher so nah beisammen sind, spart man sich eben auch ein bisschen was an Kosten und ist damit mit der Wirtschaftlichkeit von der Fotovoltaik schon viel früher dran als auf dem Markt über das Stromnetz hinweg. Da wird man. Da wird man die Wettbewerbsfähigkeit der Fotovoltaik erst in einigen Jahren erreichen.
Der Gemeinderat und Umweltreferent Florian Pflügler über Energieprojekte auf dem Boden und den Dächern Neufahrns. Er ist auch vorgeschlagen für den Aufsichtrat der Bürgerenergiegenossenschaft Freisinger Land.
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Damit zurück zum Gespräch mit Martin Hillebrand, der für ein Vorstandamt in der Genossenschaft kandidiert.
mh1057 Wenn man auf der sicheren Seite sein will, würde man sagen: Schaffen wir noch Speicherkapazitäten zu den Anlagen. Dann sinkt natürlich die Rentabilität. Für was würden Sie Geld ausgeben: Anlage, Speicher, beides? hi1127 Dezentrale Energiespeicher im Landkreis machen auf jeden Fall technisch Sinn. Wenn wir die anbieten, dann als Projekt separat. Das wäre ein eigenes Projekt, für das eine eigene Finanzierung aufgelegt wird. Dezentrale Energiespeicher im Landkreis machen technisch auf jeden Fall Sinn. ... konkret dort tun. mh1222 Wie schaut es aus mit der Möglichkeit der Zusammenarbeit mit Landwirten die Biogasanlagen machen, die heute vom stromtechnischen her relativ primitiv sind. Zum einen werden sie nicht geregelt, zum anderen ist die Abwärme verloren. Was können Sie sich da als Zusammenarbeitspunkt vorstellen? hi1248 Sie haben den Punkt mit der Abwärme, mit dem Nahwärmenetz angesprochen. Das wäre genau ein Punkt, den ein einzelner Landwirt gerade nicht stemmen kann. Sowohl von der Finanzierung her als auch von der politischen Seite, von den Genehmigungen her. Da brauche ich die Politiker als auch die Bürger, die diese Wärme abnehmen. Ich brauche dann ja auch Bürger, die sagen, ich bin bereit, mich da anschließen zu lassen an das Nahwärmenetz und beziehe dann die Energie davon. Da braucht es Bürger, Politiker und jemanden, der investiert und alle drei wäre in der Bürgerenergiegenossenschaft vorhanden. mh1334 Haben Sie da schon mit Landwirten gesprochen? hi1345 Dort sind schon Projekte an uns herangetragen worden. Wir haben ja übrigens auch einen Landwirt im Aufsichtsrat, der selber eine Biogasanlage betreibt und auch eine Nahwärmeversorgung hat und von daher auch geballtes Know-How einfließen kann. mh1554 Mit was rechnen sie im ersten Jahr an Mitgliedern, an Möglichkeiten, dass es sich auch rentiert, sich zu engagieren. hi1604 Das Maß, dass wir es machen, das haben wir jetzt schon erreicht. In unserer Liste sind zum jetzigen Zeitpunkt 50 Personen, die die Absichtserklärung abgegeben haben, Mitglied zu werden. Das Interesse ist momentan riesig, kann man sagen. Ich kann jetzt schlecht sagen, wieviel das im April oder Mai sein werden. Auch die Erfahrungen der Landkreise um uns herum: Landshut, Pfaffenhofen, und so weiter, zeigen, dass das Interesse riesig ist und diese Bürgerenergie-Genossenschaften sehr schnell wachsen.

Sendungsabschluss

Ihre Gründungsmitglieder kann die Bürgerenergiegenossenschaft Freisinger Land jedenfalls am Ende des heutigen Abends zählen, die Gründungsversammlung beginnt um 20 Uhr in der Moosburger Schäfflerhalle. Nachrichten über die Genossenschaft und Kontaktdaten gibt es auf ihren Internetseiten unter der Adresse www.beg-fs.de Wir sind damit am Ende von Trotz alledem heute. Als Redakteur am Mikrofon verabschiedet sich Markus Hiereth.
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