Radio Lora, München
Markus Hiereth
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29.11.2012

Spektrum 29.11.2012, 17-18 Uhr
WÄRME - FINDEN, HOLEN, VERTEILEN, SPEICHERN

Sendungseröffnung

Der Winter kommt über uns. So selbstverständlich wie die Kälte draußen ist die Wärme in den vier Wänden. Schätzungsweise zwei Drittel der von deutschen Haushalten nachgefragten Energie geht durch die Heizung. Ein Klimaschutz, der seinen Namen verdient, muss den Verbrauch dafür massiv vermindern. "Neue Wärme finden, holen, speichern und verteilen" sei als Motto über die kommende Stunde gestellt. Für diese Spektrum-Ausgabe legten mir Energieexperten der Technischen Universität München Ansätze aus Technik, Architektur und Siedlungsplanung dar. Mit allen Sinne hingegen lässt sich eine Alternative zum alten Heizkessel in Unterhaching erfassen. Seit fünf Jahren nutzt die Gemeinde die Geothermie, verwandelt Wärme aus 3000 Meter Tiefe in Strom speist sie in ihr Fernwärmenetz. Am Mikrofon begrüßt Sie Markus Hiereth.
In Gebäuden zum Leben und Arbeiten soll man es gut aushalten können. Ihr Inneres wünscht man im Winter nicht kalt und im Sommer nicht heiß. Dem Rechnung getragen wird schon lange, aber dafür Energiemengen aufgewendet, die auf lange Sicht nicht zu verantworten sind. Entsprechend verbessert man die Wärmedämmung, ersetzt alte Heizungsanlagen durch effizientere mit anderen Energieträgern - optimalerweise regenerativen. Am Lehrstuhl für Bauklimatik und Haustechnik der TU München hat Timm Rössel einen Blick in die Zukunft getan. Neue Energiequellen hat er zwar nicht entdeckt. Doch als Referent und Gesprächspartner verweist er auf die Gestaltbarkeit gewisser Bereiche des Energieverbrauchs.
tr1739 Grundsätzlich muss man sagen, betrachtet man das Energiesystem in Deutschland: Es wird sich unglaublich viel umstellen. Wind, Photovoltaik: Ich kann die Erzeugung nicht mehr steuern. Speicher installieren. Wird gebraucht. Zusätzlich mit Verbrauch der Erzeugung folgen. Das gleiche in Gebäuden. Strombezug dann, wenn er günstig und verfügbar ist. tr1820 Dann verschiedenste Dinge im Gebäude nutzen: Masse als Speicher nutzen. Jede Decke, jede Wand. Über Wärmepumpen, über Kältemaschinen. mh1910 Sie haben Bürogebäude. tr1944 Natürlich nicht Arbeitsablauf behindern. Flexibilisierungspotential nutzen. Trägheit. Das größte Potential haben Anlagen der Gebäudetechnik: Heizen, Kühlen, Lüften. mh2115 Ist das ein sich abzeichnender Trend in der Architektur, dass man massiver baut, um die Wärmekapazität im Gebäude zu haben oder ist das ein theoretischer Wunsch, wo so viel aus der Praxis dagegen spricht, dass es dann nicht gemacht wird? tr2206 Es gibt beides. Vermehrt thermisch aktivierte Decken. Generell für alle Gebäude kann man das nicht empfehlen. Auch andere Aspekte. Schallschutz, Flexibilität usw. mh2244 Begriff "thermisch aktivierte Decke"? tr2255 Eine thermisch aktivierte Decke ober Bauteilaktivierung ist eine Rohrschlange im Betonkern. Wasser. Nutzung zum Heizen und Kühlen. System ist zeitlich sehr konstant. mh2407 Also zwei Komponenten: Ein Heizkörper und ein Wärmepuffer. tr2428 Dieses System zeichnet sich dadurch aus, dass im Kühlfall schon hohe Temperatur, im Heizfall schon niedrige Temperatur geeignet ist. Heizen mit 28, 30, 32 Grad. Im Kühlfall reichen 20, 18, 16 aus. Ich könnte zum Beispiel zum Kühlen einfach Grundwasser nutzen.

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Wärmepumpen

Was solche bautechnischen Details bringen? Je näher die Temperatur eines das zum Heizen oder Kühlen benutzten Mediums an der gewünschten Raumtemperatur liegt, desto größer wird die Auswahl an Quellen. Als Beispiel sprach Timm Rössel Grundwasser als Kühlmittel an. Gleiches gilt für das Heizen mit der Sonne: Das Wärmeträgermedium in einen Kollektor auf 35 Grad zu erwärmen, das schafft auch die Januarsonne. Zu Timm Rössels Repertoire zur Raumklimatisierung gehört auch ein Gerät, welche einen "Wärmeverkehr" mit beliebigen Partnern erlaubt. Allerdings unter Einsatz der "edelsten" Form von Energie, nämlich Strom. Die Rede ist von Wärmepumpen. Deren Möglichkeiten und Grenzen sind Gegenstand des Gesprächs.
tr0034 Die Wärmepumpe ist im wesentlichen ein Heizsystem, das ich im Gebäude nutzen kann. Umgebungswärme nutzen. Temperaturniveau anheben. Erdwärmepumpe, 10 Grad Temperatur der Erde wird zum Beispiel auf 30, 40, 50 Grad angehoben. mh0108 Was braucht die Pumpe dazu? tr0110 Vier Komponenten. Verdampfer, Verflüssiger, Entspannungsventil, Kompressor. Wie Kühlschrank, nur soll höheres Temperaturniveau erreicht werden. Innen Kältemittel. Druckunterschiede werden genutzt. mh0200 Was braucht sie, um arbeiten zu können?tr0202 Wärmequelle und Strom als Antrieb. Quelle: Grundwasser, Erdreich, Luft, Abwärme. tr0238 Bei Grundwasser mit 10 Grad. Das Erdreich ist kälter. Umgebungsluft im Winter noch kälter. Mit 0 Grad sind 30 Grad erreichbar. mh0302 Wie verhält sich der Energiebedarf durch Strom zu der Energielieferung der Pumpe, die man erreichen kann. tr0316 Wir reden von der Leistungszahl der Wärmepumpe. Wieviel Strom hinein, wieviel Wärme herausziehen. Bei richtigem Anlagensystem im Haus und bei richtiger Wärmequelle aus der Umgebung relativ effizient. Zum Beispiel aus 1 kWh Strom mehr 4 kWh Wärme. tr0354 Temperaturdifferenz und Quelle dem, was zu versorgen ist, soll möglichst gering sein. Beispiel. Grundwasser Fußbodenheizung mit 35 Grad, dann effizient. Mit Umgebungsluft von 0 Grad einen Heizkörper mit 60 Grad betreiben, ist ineffizient. tr0510 Man muss das mit Primärenergie bewerten. Wirkungsgrad unserer Stromerzeugung bedingt große Verluste. Strom ist höherwertige Energie. Somit hohe Leistungszahlen notwendig. mh0627 Würden Sie Peilwert nennen, ab dem Sie sagen, das Gesamtsystem Stromproduktion plus Wärmeproduktion im Haus Sinn? tr0644 Ich muss versuchen, Unterschied zwischen Quelle und Bezugswärme möglichst gering halten. Das ist dann schon zu empfehlen.
Ob eine Wärmepumpe zur Heizung Sinn macht, ist also erst entscheidbar, wenn der verbrauchte Strom und die Art seiner Herstellung mit betrachtet wird. Wenn erst im Kraftwerk bei der Verstromung zwei Drittel der Energie des Brennstoffs verloren gehen und eine Wärmepumpe dann mit einem Teil Energie in Form von Strom zwei Teile Umgebungs-Energie verfügbar macht, ist insgesamt nichts verloren und nichts gewonnen. Eigentlich sollte nur in dem Maße auf Wärmepumpen zurückgegriffen werden als regenerativ erzeugter Strom vorhanden ist, wobei auch die jahreszeitliche Schwankung passen soll. So scheidet die im Winter knappe Sonne als Energiequelle aus, der Anfall von Windstrom und der Bedarf an Wärme hingegen gehen miteinander einher.

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Kommunaler Energienutzungsplan

Timm Rössels Ansatz zur Energiewende war, dann auf Energie zurückzugreifen, wenn sie natürlich anfällt. Am selben Lehrstuhl von Gerhard Hausladen wird parallel ein weiterer verfolgt. Hier liegt das Augenmerk auf räumlichen Beziehungen. Wo Energie umgesetzt wird, soll sie möglichst vollständig verwertet werden. Schließlich ist Wärme vielfach ein Nebenprodukt; der Stromerzeugung oder von industriellen Prozessen. Grund genug für Tobias Wagner, Städte und Gemeinden als Netz zu betrachten, in welchem ständig Energie hin- und her geschoben wird.
tw2640 Die Erkenntnis, dass es eigentlich notwendig ist, auf kommunaler Ebene an dem Thema Energie zu arbeiten. Seit 5 Jahren am Lehrstuhl. Einige Forschungsprojekte abgeschlossen. So wie es einen Flächennutzungsplan für räumliche Planung gibt, sollten Gemeinden und Städte auch Planungsinstrument gestellt bekommen, das das Thema Energie übergreifend koordiniert und für die Zukunft plant und auch beschreibt.
Die Materie wurde auf zwei Ebenen bearbeitet. Als Frucht hat der Lehrstuhl einen 100seitigen "Leitfaden Energienutzungplan" vorgelegt. Er umrisst die Einzelschritte fallunabhängig. Die konkreten Facetten des Themas beschäftigten Tobias Wagner und seine Kollegen in sechs Kommunen.
tw2818 Das war eine parallele Arbeit. Wir haben Energienutzungspläne entwickelt. Zunächst Daten aufnehmen: Vorhandene Wärmenetze. Vorhandene Energiequellen. Im Leitfaden die praxisnächste Vorgehensweise beschrieben. mh3130 Für welche Gemeinden? tw3132 Fürstenfeldbruck, Energienutzungsplan dient jetzt der Stadt als Entscheidungsgrundlage. mh2911 Kann man das in zwei, drei Sätzen formulieren. Oder exemplarisch Energielieferanten und Verbraucher aufzählen. tw2935 Es ist immer eine Mischung. Bisher immer Verbraucher. Seit einigen Jahren auch Erzeuger: Photovoltaik, kleine Blockheizkraftwerke. Biogasanlagen sind ein Beispiel.mh3330 Haben Sie Versäumnisse im Zuge der Arbeit feststellen können? tw3347 Häufig: Ungenutzte Abwärme. Es gibt viele Biogasanlagen und kein Nahwärmenetz. Dinge sind nicht im Bewusstsein. Bürgermeister und Gemeinde oft ohne den umfassenden Überblick. Analyse des Status Quo ist für die Leute sehr interessant das alles auf einem Plan zu sehen. mh3512 Was steckt in so einer Überplanung an Verbrauchsminderung? tw3515 Der Plan zeigt einfach Sanierungspotentiale auf. Hängt von Sanierungszyklen ab. Karten zeigen Gebiete auf, wo kurzfristig Einsparung möglich wären. Problem ist: Gemeinde kann nur bedingt eingreifen. Ist von Bürgern und Rahmenbedingungen abhängig. tw3707 Es ist Aufklärungs- und Motivationsarbeit.
In recht unspektakulärer Infrastruktur liegt also ein Schlüssel Minderung des Energieverbrauchs. In weiterem Sinne können auch tiefe Löcher den unspektakulären Infrastrukturen zugeschlagen werden. Nur dass sie nicht überall so viel Molligkeit versprechen wie im Voralpenland. Denn unter unseren Füßen gibt es ein Reservoir für Wärme, das bloß angezapft werden muss. Die Gemeinde Unterhaching war hier Pionierin. Für diese Spektrum-Ausgabe habe ich ihr Geothermiekraftwerk besucht und darum geht es im nächsten Sendungsblock

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Eindrücke aus dem Kraftwerk

Im südöstlichsten Zipfel ihres Gebiets plazierte die Gemeinde Unterhaching einen Bau: Vorne ein kleiner fast fensterloser Quader, dahinter versteckt weiterer mit senkrechte laufenden Metallrippen. Anders als das, was sonst in der Umgebung steht, gibt es kein riesiges Parkareal drumherum. Es fahren nicht die Massen vor, um sich mit Balkonblumen oder Christbäumen einzudecken. Die, die kommen, wollen sich einen Eindruck verschaffen vom Inneren des Baues der die Verknüpfung darstellt: Zwischen zwei Bohrungen, die über 3 Kilometer tief in den Untergrund reichen und ein 40 Kilometer langes Fernwärmenetz. Zusätzlich arbeitet darin eine Turbine. Sie erzeugt bis zu 3,5 Megawatt Strom und rechtfertigt, die Anlage als "Geothermie-Kraftwerk" zu bezeichnen. Wolfgang Geisinger, Geschäftsführer der Geothermie Unterhaching AG skizzierte bei einem Rundgang, was in welchem Bereich der Anlage geschieht
wg0139 Dieser Teil da hinten ist Fernwärme. Dazu gibt es da oben silberne Wärmetauscher. Da kommt das Fernwärmewasser aus Unterhaching rein, wird aufgewärmt und wieder raus in [den] Ort. mh0154 Das abgekühlte Fernwärmewasser kommt da rein. wg0158 Dieses schrille Geräusch sind die Umwälzpumpen, die das Wasser durch Unterhaching pumpen. mh0209 Wo gabelt sich das auf? wg0210 Oben in der Verrohrung gibt es einen Punkt. mh0212 Können Sie das dann lenken: Den Teil hier, den da? wg0216 Es wird automatisch gesteuert. Das soll heißen, wir sind ein wärmegeführtes Kraftwerk. Zuerst erzeugen wir Wärme für die Unterhachinger. Wir haben jetzt ungefähr 11000 Unterhachinger angeschlossen und da muss es zuallererst einmal heiß sein. Mit der Energie aus dem Thermalwasser, die praktisch übrig bleibt, wenn das Fernwärmenetz heiß ist, aus der machen wir Strom. wg0243 Das heißt, unsere Pumpe fördert eigentlich immer deutlich mehr als das, was wir im Moment für die Fernwärme brauchen. Es sei denn, an ganz kalten Wintertagen, da brauchen wir das ganze Thermalwasser um das Fernwärmewasser heiß zu halten.
Die satte Lärmkulisse und die spürbare Wärme in der Umgebung des horizontal und vertikal verlaufenden Röhren-Schlingwerks vermitteln glaubhaft, dass die ganze Maschinerie funktioniert. Zum Gespräch über die Anlage verlegt man sich aber besser in ein Foyer. Darin ein Tisch und ein paar Stühle - Sammlungspunkt für Besucher, aber auch für die Arbeiter, wenn es an der Anlage etwas zu erledigen gibt. Mitarbeiter
mh0419 Herr Geisinger, wir haben gerade Ihre Mitarbeiter verscheucht. Wieviele Beschäftigte haben Sie denn in dieser Anlage? wg0426 Auf der Anlage sind eigentlich permanent keine Leute. Die Anlage wurde so designt, dass sie ohne ständiges Betriebspersonal laufen kann. Wenn hier Menschen sind, dann alle drei Tage, um einen Routinecheck zu machen, ein paar Zählerstände zu notieren. Zustände von Aggregaten zu prüfen. Aber ansonsten ist niemand hier. mh0458 Also Sie haben auch kein Büro hier? wg0500 Nein. mh0506 Wenn man so von der Ferne darüber denkt, und die Anlage läuft ja jetzt seit einigen Jahren, könnte man denken, [das] ist ja eigentlich ein langweiliger Job für Sie. wg0513 Das habe ich mir vielleicht auch gedacht, als wir angefangen haben. Aber wir sind eines besseren belehrt worden. Es ist spannend, teilweise auch herausfordernd, so ein Projekt aufzusetzen. Es ist doch technisch komplexer, als man das ursprünglich dachte. mh0532 Wann sind Sie denn gerufen worden und mit welchem Hintergrund? wg0537 Ich bin jetzt seit viereinhalb Jahren in der Geothermie Unterhaching. Es war damals an der Zeit, Prozesse, die in der Projektphase über verschiedene Firmen organisiert waren, zusammenzuführen in ein Basisunternehmen, und die ganzen Fäden zurückzuholen, die quasi verteilt waren auf verschiedene Firmen. Das war eher ein betriebswirtschaftlicher, unternehmerischer Grund, weswegen wir dann gedacht haben, wir wollen jetzt die Geschäftsführung verstärken und uns ein Stück weit auf eigene Beine stellen. mh0611 Also die GmbH wickelt alles ab, gehört der Gemeinde, ... wg1104 In Unterhaching ist es so, dass alles der Gemeinde gehört. Die Gesellschaft ist in 100 Prozent Besitz der Gemeinde und die übt auch sämtliche Stufen der Wertschöpfung aus. wg1118 Das heißt, wir sind verantwortlich für die Förderung, für die Stromerzeugung, für die Wärmeerzeugung, für die Verteilung, für den Anschluss der Kunden, für die Vermarktung dieser Anschlüsse bei den Bürgern von Unterhaching und so weiter. Das heißt, wir haben die volle Wertschöpfungskette. Damit das volle Risiko und die vollen Investitionssummen.
wg0650 Aber es ist herausfordernd, das Projekt an den Punkt zu bringen, an den es geplant war. Insbesondere deswegen, weil die Technologie, die heute in Erprobung ist, zu Projektbeginn noch gar nicht existierte. mh0707 Diese Kalina-Technologie, die meinen Sie jetzt? wg0712 Unter anderem. Zum Beispiel bei der Thermalwasserförderung, weil das ist das Herzstück. Man hat hier gebohrt und hat festgestellt, dass diese Bohrung sehr ergiebig ist, man kann bis zu 150 Liter Thermalwasser pro Sekunde aus der Erde holen und auf der anderen Seite wieder zurückgeben. wg0731 Wir haben bis heute noch nicht die Komponenten richtig in Betrieb nehmen können, die uns das ermöglichen. weil die Technologie vor fünf Jahren noch gar nicht entwickelt war, um solche Mengen an heißem Thermalwasser hochzuholen und das, was wir bisher getestet haben, sieht alles gut aus, aber man entdeckt hin und wieder Kinderkrankheiten, weshalb diese Anlagen bis heute noch nicht so richtig laufen. wg0756 Das heißt, wir sind bisher bei 125 Liter pro Sekunde und wollen die letzten zwanzig Prozent im Laufe des nächsten Jahres heben. Bohrung analysieren
mh0806 Das ist ja erst einmal erstaunlich, dass Sie so viel über den Untergrund wissen, der ja drei Kilometer unter uns ist und Sie sagen können, 'Da habe ich 130 Liter zu erwarten und ich nehme ja nur 110.' wg0822 Ja, das ist sehr interdisziplinär, was hier läuft. Es werden seismische Untersuchungen gemacht, mit Schallwellen, zu Beginn, wo man schon heute in der Lage ist, sich den Untergrund im dreidimensionalen Profil sich anzuschauen, bevor man die erste Bohrung gemacht hat. wg0839 Und dann gibt es, wenn gebohrt wird, eine Menge von Techniken, die heute vor allem aus der Erdölindustrie kommen, mit denen man feststellen kann, wie ergiebig ist so eine Wasserschicht. Und wenn das weiß, dann legt man erst richtig los und baut dann sein Kraftwerk dazu. mh0854 Müssen Sie heute noch zahlen für die Fündigkeitsversicherung, die da am Anfang stand? wg0901 Nein, das war eine Einmalsache. Man hatte auch nur das erste Bohrloch versichert hier. Und nachdem man diese enorme Fündigkeit hatte, [war] das geregelt. Das ist keine dauerhafte Versicherung, sondern das ist auf ein Einmalereignis ausgerichtet. Aber natürlich haben wir Versicherungen für die normalen Betriebsdinge, die so passieren können. mh0925 Also die Versicherung ist mehr oder weniger eine Wette ... wg0942 Genau. So klein ist dieser Betrag auch nicht für die Versicherung, weil eine Bohrung immerhin 10 Millionen Euro kostet. Da sind also schon hohe sechs- oder siebenstellige Beträge allein für die Versicherung notwendig. Aber das lief hier sehr gut, über den Freistaat, über die Gemeinde, die sich das alles ein bisschen geteilt haben. Aber es wurde bei der Gelegenheit ein neues Produkt geschaffen, weil, eine Fündigkeitsversicherung gab es vorher nicht auf dem deutschen Markt.
mh2831 Wie hat man sich die Pumpe vorzustellen. Was tut die? wg2840 Wenn sie in diese Wasserregion hineinbohren und ziehen dann den Bohrer raus, dann steigt in diesem Rohr das Wasser auf. Das bleibt in unserem Fall ungefähr 100 Meter unter der Oberfläche stehen. Und dann hängen Sie in dieses Rohr ein zweites, kleineres Rohr rein. An dessen unterem Ende hängt eine Tauchkreiselpumpe mit Elektromotor. Der Elektromotor wird über ein langes Kabel versorgt, der treibt eine Welle an und auf dieser Welle sind 20 Paare von Impellern und Propellern aufgebaut. Also sogenannte Tauchkreisel. Die saugen das Thermalwasser in das Innere und fördern das wie in einem Aufzug über diese zwanzig Stufen aus der Pumpe raus und jagen es in diesem inneren Rohr, was in diese Bohrung reingehangen wird, von dem Punkt, wo die Pumpe ist bis an die Oberfläche. wg2940 Das sind in unserem Falle fast 900 Meter Tiefe, auf der die Pumpe hängt. Wenn wir unsere Pumpe starten, dann hat die so einen starken Sog, dass die Erde damit zu tun hat, das Wasser an diesen Entnahmepunkt hinzuführen. wg2959 Das heißt, die Region, in die wir hineinbohren, ist ja nun kein See, sondern das ist sowas wie ein versteinerter Badeschwamm, 70% Gestein, 30% Wasser. Wenn sie da beginnen zu pumpen, muss das Wasser zufließen, deswegen ergibt sich ein Absenktrichter. Je stärker sie fördern, desto mehr sinkt der Wasserspiegel in Ihrem Rohr runter. Deswegen muss die Pumpe so tief, denn bei unserer maximalen Förderleistung, haben wir errechnet, werden wir ein Absenkung von 500 Meter in unserem Rohr haben, wo in diesem Reservoir das Wasser etwas nach unten geht.
Es braucht schon einiges, um nachzuvollziehen, wie Geologie und Technik hier ineinandergreifen. Entscheidend für den Zugriff auf die Erdwärme ist eine zerklüftete, von Wasser durchsetzte Schicht. Warm wird es im Untergrund mit zunehmender Tiefe überall. Aber ohne Wasser als Transportmedium wäre die Energie nicht zutage zu fördern. Die angesprochene Schicht zieht sich schief liegend durch das Alpenvorland. Im Münchner Norden liegt sie höher, im Süden tiefer. Dies bestimmt auch die Temperatur: Aus Bohrungen im Norden lässt sich Wasser mit 80, 90 Grad holen, die Unterhachinger maßen 133 Grad. Ein Kraftwerksbauer alter Schule wird über diese Temperatur mit den Schultern zucken: Die Turbinen, die er kennt, werden von ein mehrere hundert Grad heißem Dampf durchströmt. Wegen seiner viel niedrigeren Temperatur muss das Thermalwasser in der Unterhachinger Anlage seine Wärme an eine Ammoniaklösung abgeben, man spricht vom Kalina-Verfahren.
mh2340 Eine wichtige Komponente ist der Kreislauf, über die Turbine und da haben Sie die Spezialität, sie brauchten etwas, was niedrig siedet, um überhaupt diesen Druckvorgang zu machen. Hier ist das Ammoniak, in Sauerlach wird es ein fluorierter Kohlenwasserstoff. Wissen Sie, warum man in Sauerlach was anderes nimmt? Wie hat sich der Ammoniak-Wasser-Mix bewährt in der Praxis. wg2442 Die Anlage ist ein bisschen komplexer geworden als wir das dachten. Weil doch das eine oder andere, insbesondere wie man mit diesem Ammoniakwasser umgehen muss, von der Belastung, von den Drücken, ein bisschen noch unbekannt war. Es ist ja auch erst die dritte Anlage auf der Welt und zudem die größte und auch die erste, dies dieses Verdampfen in Plattenwärmetauschern macht, also da ist viel Neuland beschritten worden. mh2512 Und wo mussten Sie dann Erfahrungen machen, sagen, 'Das ist die Technik, das das Bauteil, das Material, was ich brauche, um es zu beherrschen', um keine Probleme zu bekommen? wg2523 Also wir mussten arbeiten daran, um den Übergang des flüssigen Ammoniaks in den Dampf, wo wir ja mit 19 bar Druck auf die Turbine gehen, dass das in den Wärmetauschern ordentlich isoliert bleibt. wg2539 Der Ammoniakkreislauf muss ja geschlossen bleiben, wir hatten einfach Probleme, die richtigen Dichtungsmaterialien zu finden, dass das Ammoniak drin blieb, in den Behältern. wg2555 Wir hatten auch Probleme, bei dem Thermalwasser die richtigen Dichtungen zu finden und die richtigen Apparate, dass uns das Thermalwasser nicht aus den Dichtungen geflohen ist. Weil, wir haben eine Menge von gelöstem Gas, leichte Kohlenwasserstoffe, also natürliche Spuren von Erdöl, allerdings ganz gering. Aber bei der großen Menge, die wir umwälzen, kommen wir über die Tage auf Konzentrationen, die besondere Herausforderungen stellen. wg2624 Das hat gedauert, bis man die richtigen Komponenten gefunden hat. mh2630 Da hat man was gefunden, ... Was ist das denn so? Silikon, Gummi, ... wg2643 Nein, das sind keine heftigen Geschichten. Man hat zunächst mal versucht, ein Kraftwerk kostenoptimiert aufzubauen. Man hat hier Stoffe gewählt, von denen man dachte, dass die das aushalten. Man hat bei den Thermalwasserdichtungen auf einen Stoff gesetzt, der auch im Automobilbau seit 40 Jahren verwendet wird. Also sie finden fast in jedem Gehäuse von einem Auto, wo mit Ölen gearbeitet wird, die Dichtungsringe, auf die wir letztendlich gewechselt haben. Einfach weil diese Spuren von Erdöl, die wir im Thermalwaser mitführen, damit die uns die Anlage nicht zersetzen. wg2730 So, und bei dem Ammoniak hat man einige Dinge geschweißt, die man vorher mit Dichtungsgummis versehen wollte, aber die Drücke und die Bewegungen beim Übergang sind so enorm, dass man die Kammern, wo dieser Übergang vom Flüssigen ins Dampfförmige abläuft, indem man die einfach zugeschweißt und die Dichtungsgummis rausgeworfen hat. mh2755 Mussten Sie die Anlage schon entleeren und die Ammoniak-Wasser-Lösung irgendwo zwischenlagern? wg2802 Das muss man regelmäßig. Solche Anlagen unterliegen ja auch gewissen Prüfpflichten. Alle fünf Jahre gibt es die Pflicht, die Anlage zu säubern, Druckproben zu machen, die Vorratskessel zu inspizieren, das geht aber relativ einfach. Da kommt ein LKW mit einem Aufleger, das Material wird aufbewahrt und wird anschließend wieder in die Anlage reingefahren.

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Wirtschaftlichkeit

mh1138 Sie sprachen von den Kosten so einer Bohrung: Wie ist die Relation der Kosten, für ein zeitgemäßes Kraftwerk, vielleicht Kraft-Wärme-Kopplung in Relation zu dem, was hier alles unterirdisch angelegt werden musste. Und eine Turbine brauchen Sie ja auch. Ist das 1:1, 10:1? wg1203 Wenn ich mal das Thema Wärme vergleiche: Sie müssen heute für ein vergleichbares Heizwerk ich sage mal fünf bis sechs Millionen Euro in die Hand nehmen. Dann haben Sie ein Heizwerk da, was in der Lage ist, einen Anschlusswert von einem Fernwärmenetz von 50 Megawatt Heizleistung zu bringen. wg1227 Wenn sie das vergleichbar bei der Geothermie machen würden, dann sind Sie bei 20 bis 25 Millionen. Das ist das Fünffache. Allerdings erschließen Sie sich mit diesen fünffachen Kosten eine Energieressource, die sie quasi for free haben. wg1250 Sie können diese Bohrung, wenn sie gut angelegt ist und das sieht in unserem Falle günstig aus, mindestens über 50 Jahre nutzen. Bis auf den Strom, den sie brauchen, um das heiße Wasser hochzupumpen, haben Sie einen kostenlosen Energieträger. Während sie bei den fossilen Energieträgern geringere Investitionskosten haben. Aber sie sind halt abhängig von den Rohstoffimporten und damit von den Gas- oder Ölpreisen, wie sie gerade am Markt gelten. mh1324 Ich wollte auch fragen, inwieweit sie beurteilen können, was sie an Wärme abziehen von unten. Ob es über die Betriebsdauer, über mehr oder weniger hohe Förderraten Temperaturschwankungen gibt, die man auswerten kann und dann sagen: 'Jetzt haben wir das abgezogen, was über das Gestein geliefert wird.' wg1349 Also da können wir folgende Aussage treffen, was die ersten fünf Jahre anbelangt: Wir ziehen auf der einen Seite Wasser hoch mit 123 Grad und spülen auf der anderen Seite Wasser runter mit gut 60 Grad. Wir haben in diesen fünf Jahren noch nicht einmal hinter dem Komma Veränderungen in der Thermalwassertemperatur festgestellt. Das heißt, wir sind immer auf der gleichen Temperatur. Es wird eher noch ein halbes Grad wärmer, je schneller man das Wasser hochpumpt. Es hat einfach weniger Zeit um auf dem Weg von unten nach oben abzukühlen. wg1429 Die Prognosen der Geologen gehen davon aus, dass wir selbst nach 50 Jahren kaum Einflüsse sehen werden. Vielleicht, dass wir statt 123 nur noch 121 Grad haben. Weil, diese 60 Grad, die wir auf der anderen Seite in die Erde spülen - das ist in unserem Fall jetzt dreieinhalb Kilometer weg - die erhitzen sich dort, weil sie in eine heiße Umgebung hineinkommen. Nur, dieser Bereich, der um die 60 Grad hat, wird wachsen. Aber der soll nach 50 Jahren einen Durchmesser von vielleicht einem Kilometer haben. Wir werden vielleicht nach 50 Jahren den einen oder anderen Effekt sehen, dass sich das Wasser etwas abkühlt. mh1516 Welche Relevanz hat diese Frist von 50 Jahren dann? wg1519 Wie geht es im Modell weiter? Wenn so ein Kreislauf in dem Sinne bewirtschaftet wurde, dann lässt man den einfach ruhen, würde ein zweites Loch bohren, in entgegen gesetzte Richtung dreieinhalb Kilometer, als Beispiel, was geologisch angezeigt ist, und würde diesen Kreislauf bewirtschaften. Also man kann es in so einem Kleeblattmuster modelltheoretisch anlegen. Und damit, bis man zur ersten Bohrung wieder kommt, hat die sich wieder aufgeheizt, durch die normale Abstrahlung der Erde. wg1557 Da müssen wir mal sehen, was aus der Geothermie wird und wie in 50 Jahre unsere Energieversorgung ist.
mh1611 Wie ist nun die Anlage im Finanzierungsplan? wg1615 Wir haben bis jetzt ungefähr 90 Millionen Euro investiert in das Gesamtprojekt Geothermie. Davon stecken ungefähr 20 Millionen in den Bohrungen, 18 Millionen hier im Kraftwerk am Grünwalder Weg, es steckt noch, auch wir haben ein Heizwerk aufgebaut, mit zwei großen Kesseln drin, die wir wahlweise mit Öl, Gas betreiben können, falls das hier ausfällt, damit wir zuheizen können. Das sind auch noch ein paar Millionen. Aber wir haben sehr viel Geld, 45 Millionen, investiert in das Fernwärmenetz. Wir haben 40 Kilometer verlegt, über 5000 Haushalte angeschlossen, das sind 11000 Einwohner. Und wenn man dieses gesamte Paket zusammennimmt und erzeugt Fernwärme und Strom parallel, haben wir eine Amortisationszeit von ungefähr 16 Jahren vor uns. Was für ein Infrastrukturprojekt gar nicht so schlecht ist. mh1718 Was zahlen die Unterhachinger für eine Kilowattstunde Fernwärme? wg1722 Die Kilowattstunde liegt netto bei ungefähr 5,3 Cent. Das ist in etwa vergleichbar mit dem Gas. Wir sind mal leicht drunter, leicht drüber, weil wir gesagt haben: 'Wenn wir unser Netz schnell ausbauen wollen, dann müssen wir günstig sein, was die Anschlussgebühren anbelangt. Deswegen kostet so eine Anschlussstation weniger als die Hälfte oder ein Drittel von dem, was ein Gasanschluss kostet; mit Hausinstallation. wg1759 Und wir müssen auf jeden Fall wettbewerbsfähig sein, was den Arbeitspreis anbelangt. Trotz aller Euphorie für die Tiefengeothermie: Das Portemonnaie muss passen. Das können wir im Moment ganz gut abdecken.
Wolfgang Geisinger zufolge macht die Geothermie Unterhaching auch keinen Unterschied zwischen Großabhehmern und Privatkunden. Nur für Niedrigenergiehäuser gibt es einen Spezialtarif. Sie zahlen weniger Grundgebühr und mehr für die bezogene Wärme-Kilowattstunde. Und wie laufen die Geschäfte mit geothermisch erzeugten Strom? Wer nimmt ihn ab?
wg1917 Also wir arbeiten wie ein Windrad auf der Basis des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Dort gibt es auch für Tiefengeothermie einen Einspeisetarif. Das sind 23 Cent die Kilowattstunde. Sämtlicher Strom, den wir haben, geht heute ins öffentliche Netz und wird von eon vergütet. mh3426 Ein gewisser kleiner Anteil geht an die Luft raus. Wieviel ist denn das eigentlich? wg3426 Ich würde da jetzt kurz über die Wirkungsgrade der Anlage reden. Bei der Fernwärme ist es so, dass 90 Prozent beim Endkunden ankommen. Wir verlieren in den Wärmetauschern eins bis zwei Prozent, und auf dem Verteilungsnetz 7 bis 8 Prozent. wg3513 Bei der Verstromung haben wir einen relativ geringen Wirkungsgrad. Der liegt bei 10, 11 Prozent nur. Das heißt, 85 bis 90 Prozent der Energie, die wir in den Verstromungskreislauf reinstecken, geht über den Kühlturm in die Atmosphäre. Das ist aber Energie, die sowieso in die Atmosphäre geht. Die Erde gibt ein Vielfaches der Energie, die Menschen verbrauchen. Das heißt, wir kürzen diesen Prozess ein bisschen ab. Aber es ist Energie, die schon längst erzeugt wurde, die sich langsam auf den Weg vom Erdinnern nach außen macht. wg3643 Ich würde mal sagen, kombiniert über Fernwärme und Strom, wenn ich den ganzen Jahresverlauf sehe, haben wir einen Wirkungsgrad, der liegt so ungefähr bei 35 bis 40 Prozent. Je mehr sich das in Richtung Fernwärme verschiebt, desto höher wird der Wirkungsgrad. Und jetzt müssen wir schon die Diskussion zulassen, 'Wie wollen wir Strom erzeugen?'. wg3714 Wir wissen natürlich, dass jegliche Form von Energieerzeugung ihre Nebenwirkungen und Folgen hat. Sie werden Geothermie mit den heutigen Verfahren, ob das der Kalina-Prozess ist oder der Organic Rankine Cycle, alle nicht da hin bekommen, dass sie einen Wirkungsgrad von 50, 60, 70 Prozent haben. Der ist definiert von diesen Prozessen her irgendwo zwischen 20 bis 25 Prozent als absolutes Maximum. wg3746 Aber es ist eine Ressource, die uns kostenlos zur Verfügung steht, mit der wir eben grundlastfähigen Strom erzeugen können. Wir haben nicht die Auswirkungen auf die Klimaerwärmung.
mh2141 Gibt es denn jetzt Anlagen, die nach diesem Vorbild realisiert wurden? wg2149 Es gibt die. Grünwald beispielsweise hat eine Bohrung runtergebracht, die jetzt schon in Betrieb ist. Das heißt, Grünwald versorgt sich jetzt auch schon geothermal und auch die Grünwalder wollen auf ihre Bohrung ein Kraftwerk draufsetzen. wg2204 Das Projekt Sauerlach von den Stadtwerken ist im Prinzip ähnlich designt - immer Wärme und Strom. In Dürrnhaar läuft im Moment nur Strom. In Taufkirchen ist die Bohrung fertig, aber noch kein Kraftwerk errichtet. Die wollen auch Strom und Wärme machen. Das heißt, es gibt jetzt im Moment etwa acht Projekte in Oberbayern, die alle nach diesem Prinzip arbeiten wollen. wg2233 Man wird aber feststellen, je weiter man von der Stadt weggeht, desto geringer wird in der Regel der Wärmeanteil sein. Weil, um erfolgreich und wirtschaftlich Fernwärme verteilen zu können, brauchen sie eine Infrastruktur von Einwohnern, Abnehmern hinten dran. Und die werden geringer, wenn man sich von der Stadt entfernt. wg2251 Wir haben hier noch urbane Verhältnisse in Unterhaching, und deswegen ist es für uns abbildbar, wie auch für Unterschleißheim, Feldkirchen, Aschheim, wie alle diese Projekte heißen. Aber wenn sie weiter rausgehen oder in Regionen um den Chiemsee, wo jetzt auch die ersten Projekte entstehen, dann werden sie sehr stark auf Strom setzen. Aber beides ist mit der Geothermie möglich. Also Sie können Heizwerke machen, die nur Wärme machen, sie können Kombimodelle machen wie in Unterhaching. Oder sie können vollständig Strom machen. Dann läuft dieses Kraftwerk tagein tagaus immer mit der gleichen Leistung, also absolut kompatibel zu allen anderen Formen zu Grundlastenergien, mit denen wir heute unser deutsches Stromnetz unterstützen.
mh3121 Sie haben Taufkirchen auch erwähnt als Standort. Die Gemeindegrenze ist ja keine 200 Meter weg. Könnten die Taufkirchener sagen 'Ihr nehmt uns die Wärme weg'? wg3141 Bei der Geothermie läuft das so - ich sage immer lustig - wie beim Gold schürfen, jeder bekommt seinen Claim. Das heißt, das Bergamt, oder im Wirtschaftsministerium die entsprechende Abteilung, ist zuständig und weist den Antragstellern einen gewissen Claim zu. Das ist ein Areal, das nicht unbedingt an die politischen Grenzen der Gemeinde geknüpft ist. Also unser Claim hier ist etwas größer als das Gemeindegebiet, aber dennoch: Die Bohrung von Taufkirchen ist ungefähr so 5 Kilometer weg und es besteht schon die Vermutung, dass man sich gegenseitig das Wasser abgraben könnte. wg3242 Wie ich vorhin sagte, das Thema der gegenseitigen Temperaturbeeinflussung, das ist weniger der Fall. Selbst in unserem großen Umwälzvolumen sehen wir, dass es zig Jahre dauern wird, bis sich so ein Kältebereich ein Stück weit ausgedehnt [hat]. Es könnte eher der Fall sein, dass wenn ein Nachbar die Pumpe anwirft, dass bei uns der Wasserspiegel noch weiter sinkt. Das ist ein Thema, da laufen seit zwei, drei Jahren begleitende wissenschaftliche Untersuchungen, wo alle Betreiber ihre Daten zur Verfügung stellen. Die ersten Ergebnisse stimmen sehr positiv, dass es nur geringe Beeinflussungen geben wird. Sollte es zwischen zwei Bohrungen Probleme geben, dass einer der beiden zusätzliche technische Maßnahmen aufwenden muss, zum Beispiel mehr Strom auf die Pumpe geben, um nach wie vor soviel Wasser rauszuholen. Oder größere Pumpen anschaffen müssen, oder er kriegt das Wasser auf der Gegenseite nicht mehr in den Untergrund weg, dann ist das Bergrecht relativ robust und spricht dem, der zuerst da war die größeren Rechte zu. Also im Zweifelsfall müssen die Betreiber miteinander reden. [...] Allerdings gehen wir heute, nachdem, was wir sehen, davon aus, dass es nicht zu diesen Effekten kommen wird.
mh4032 Wie sind die Pläne, wie soll es weiter gehen. Soll das Netz noch weiter wachsen? wg4052 Also die weiteren Pläne sind wie folgt: Wir werden durch die Energieeffizienzmaßnahmen sehen, dass trotz zunehmender Einwohnerzahlen in Unterhaching die Energiemenge, die benötigt wird, relativ verharren wird. Und wir glauben, dass wir auch eine Vollversorgung von Unterhaching hinbekommen werden über die nächsten zehn, fünfzehn Jahre. Ich sage mal, von den heutigen 50 Megawatt Anschlussleistung zu 90 zu gehen. Dann wird es im Winter wahrscheinlich dazu kommen, dass wir aus der Bohrung nicht genug Energie herausbekommen um das alles zu befriedigen. Insofern bauen wir gerade eine Pipeline rüber zu unseren Nachbarn nach Grünwald. Die haben ja eine mindestens genauso ergiebige Bohrung wie wir. Wir haben schon einen Vertrag geschlossen und werden uns in den nächsten Jahren gegenseitig Wärme liefern, in dem Falle, dass bei einem die Thermalwasserpumpe mal steht, dann können wir auf teures Heizöl verzichten in der Zwischenzeit. Aber wir werden uns auch den Spitzenbedarf, den wir haben, besorgen aus Grünwald, weil die Grünwalder als Gemeinde nicht so groß sind. dass sie ein Fernwärmenetz haben werden, was unseren Dimensionen entspricht. Ich finde das eine super Lösung. Dass sich hier zwei Kommunen schon zusammenschließen.

Sendungsabschluss

So weit Wolfgang Geisinger, Geschäftsführer der Geothermie Unterhaching AG über die ins Auge gefassten nächsten Ziele dieses kommunalen Energieversorgers. "Neue Wärme finden, holen, speichern, verteilen und nutzen" war das Thema der heutigen Ausgabe von Spektrum auf Lora München. Als Redakteur am Mikrofon verabschiedet sich Markus Hiereth.