Radio Lora, München
Markus Hiereth
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27.09.2012

Spektrum am 27.09.2012
BIOETHANOL AUS STROH
Demonstrationsanlage läuft - Beitrag zur künftigen Energieversorgung umstritten

Sendungseröffnung

Das Thema der heutigen Ausgabe prägt mit Sicherheit das Leben von morgen. Es geht um komprimierte Energie, um Kraftstoffen, die fast überall im Spiel sind, wo Menschen und Dinge bewegt werden. Es ist klar, dass die Vorräte an Erdöl zur Neige gehen werden. Über Biokraftstoffe als Alternative wird spätestens seit dem letzten Jahr heftig gestritten. Ein Verfahren, aus Stroh Bioethanol zu gewinnen, steht an der Schwelle der technischen Umsetzung. Wie das funktionieren soll und wie die ökonomischen und ökologischen Randumstände aussehen, das möchte ich in der kommenden knappen Stunde vermitteln. Am Mikrofon begrüßt Sie Markus Hiereth.
Yeasayer (2007) Germs

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Die Demonstrationsanlage von Clariant

Die Idee, die Äcker und Wälder auch noch zur Energieversorgung zu nutzen, mutet abenteuerlich an, sobald verglichen wird, wie wenig Energie der Mensch zum Leben braucht und wie viel er "lebensstilbedingt" beansprucht: Etwa, um mobil zu sein, für das mollige Zuhause und zahllose elektrisch betriebene Dinge darin. Zum Leben braucht ein Erwachsener über den Daumen gepeilt 2000 Kilokalorien täglich. Prinzipiell könnte er sie in Form von sieben Semmeln zu sich nehmen. Wäre für ihn auch Benzin als Energielieferant bekömmlich, genehmigte er sich einmal in der Woche an der Tankstelle 1925 Milliliter, also knapp zwei Maß davon. Und er weiß, dafür wird sein Auto nur ein paar Huster tun.
Bleibt aber den Mühlen noch Getreide und der Kuh noch eine Alm, wenn Klimapolitiker und EU-Kommissare auch Porsches und Audis, Laster und Binnnenschiffe, Dieselloks und Airbusse zu Pflanzenfressern machen wollen? Seriöse Beobachter argumentieren wirtschaftlich: Die Anbauflächen und die Erträge pro Fläche sind begrenzt. Wo massiv Biomasse für den Energiesektor erzeugt wird, kann die Nahrungsproduktion zu niedrig ausfallen. Für Akteure mit Kaufkraft kein Problem, sie decken den Bedarf zu erhöhten Preisen auch anderswo. Ihr Handeln betrifft diejenigen, die sich weder Autos noch deren Energiebedarf leisten können.
Hinzu kommt, dass auch im vermeintlich "alternativen" Kraftstoff die Energieträger stecken, von denen es wegzukommen gilt: Gewöhnlicher Diesel im Tank des Traktors, der den Raps sät. Strom von Kohle, Atom und Co, ohne den die Biospritfabrik still steht. Entsprechend erklären manche, Biokraftstoffe seien nichts als Hokuspokus, der Bauern und ein paar Industriellen die Taschen füllt. Die Vision vom ökologischen Fahren mit Sonnenkraft - die Realität, und - so scheint es bisweilen - die mediale Inquisition hat sie eingeholt.
Im Juli lud der Chemieriese Clariant in den Landkreis Straubing. Dort ins Gewerbegebiet am Donauhafen setzte er eine neuartige Anlage zur Erzeugung von Ethanol. Man könnte in den Raum stellen, dass die Gebrüder Grimm die verantwortlichen Wissenschaftler und Techniker inspiriert haben. Im gleichnamigen Märchen springt der Müllerstochter das Rumpelstilzchen beiseite und über Nacht wird Stroh zu Gold gesponnen. Und eben aus Stroh soll hier Gold unserer Tage, Kraftstoff, werden. Ballenweise stapelt es sich in einem Raum, der die erste Station bei der Anlagenbesichtigung ist.
mr0000 hier trockene Rohstoffe. Ballen auflösen. Zeige Ihnen die Prozesstechnologie. So, das war die große Inbetriebnahme oben. [Anlaufendes Gebläse.]
Oben, das heißt auf einer Etage fünf Meter über den Köpfen einer Gruppe von Journalisten, die von Projektleiter Markus Rarbach durch die Anlage geführt werden. Oben, wo jemand in der ersten Besichtigungsgruppe aus Konzernvorstand, Ministern, Abgeordneten und Kommunalpolitikern eben mit einem Druck auf den Knopf die Häckselmaschine anlaufen hat lassen. Zuvor war ein Band durchschnitten worden; in festlichem Rahmen war von künftigen Herausforderungen und zu ihrer Meisterung mobilisierten Millionen die Rede gewesen. Es entstand ein mit Förderanlagen, Rohren, Ventilen, Rührern und Prozessüberwachungs-Elektronik vollgestopfter Bau. Obwohl der Blick durch Bullaugen in rotierende dunkle Flüssigkeiten Eindruck macht und am Ende der Anlage klares Ethanol vorfahrende Tanklaster füllt: Es geht Markus Rarbach und seinem Team hier weniger um das Produkt als um das Sammeln von Erfahrungen.
mr0317 Von hier aus wird die ganze Anlage gesteuert. Hier laufen alle Messwerte auf. Kollegen können den Prozess steuern und beobachten. Für verschiedene Rohstoffe Stabilität und Leistungsfähigkeit bewerten. Und nicht zuletzt zu Dokumentationszwecken. Im technischen Detail sind viele Einzelheiten zu beachten. Wichtig, um Verfahren weiterentwickeln zu können. Auf unserem Weg vom Reagenzglas über eine Pilotanlage; [...] und das ist natürlich das endgültige Ziel, natürlich auch in eine Produktionsanlage zu gehen. [mr04440] Und auch natürlich um Kunden überzeugen zu können, was wir wir glauben, was die beste Technologie ist um Lignocellulose in Zucker und in Kraftstoff umwandeln zu können.
28 Millionen Euro investierte die von der schweizer Clariant übernommene Süd-Chemie hier. Dazu kommen fünf Millionen vom bayerischen Wirtschaftsministerium und fünf Millionen aus dem Bundesforschungsministerium. Dessen Mitarbeiter Moritz Ballensiefen begründet die gewährten Mittel:
Das besondere an der Anlage sind zwei Eigenschaften, nämlich dass sie als erste Anlage dieser Art Bioethanol aus alltäglichen Reststoffen, Nebenprodukten der Lebensmittelerzeugung, produzieren und ohne externen Energieeintrag funktionieren kann. Zum einen kommt es bei der Verwendung solcher Biomasse, die nicht als Nahrung geeignet ist, nicht zu einer Konkurrenz zwischen Lebensmittelproduktion und Bioenergieherstellung. [...] Zum anderen wird die Prozessenergie in der Anlage selbst hergestellt, so dass nicht wie bei herkömmlichen Bioethanol-Anlagen mit Erdgas zugefeuert werden muss.
Dem Betreiber zufolge wird die Straubinger Anlage pro Jahr 4500 Tonnen Stroh schlucken, 1000 Tonnen Bioethanol werden daraus. Die Tonnagen entsprechen noch nicht einer industriellen Produktion, Clariant bezeichnet die Fabrik als "Demonstrationsanlage"; sie soll gegenüber Management und Investoren die Reife und die Wirtschaftlichkeit eines Verfahrens belegen.
Aus der Anlage kommt eben jenes Bioethanol, dessentwegen "gutes alte Benzin" an keiner Tankstelle mehr zu zapfen ist; das als fünfprozentige Beimengung schon jedes Benzin streckt.
Was geschieht in der Straubinger Ethanolfabrik im Einzelnen? Das Stroh wird gehäckselt und mit Wasser in eine Art Schnellkochtopf gespült. Dort quellen die Pflanzenfasern bei Hitze und Druck auf und werden chemisch angreifbar. Die Brühe wird dann abgekühlt, im Folgenden zerlegen Enzyme die Lignocellulosefasern des Strohs in Zucker. Wobei Mikroben diese Enzyme liefern. Einen Anteil des Strohs wollen sie dafür, ihre Ration ist schon auf das Prozent genau ausgehandelt.
mr1418 Wir nutzen 3% des Strohs als Kohlenstoffquelle für den Mikroorganismus und das reicht aus, um ihm genug Futter zu geben, damit er genug Enzym macht, um die restlichen 97% dann umzuwandeln. Das ist auch der Kniff in der Entwicklung: Wie bringt man einen Mikroorganismus dazu, das zu machen und entsprechend effizient das Enzym zu machen.
Wie bei etlichen anderen Details zum Verfahren hält sich Clariant bei der Frage zurück, wo und wie man einen solchen recht wertvollen Organismenstamm in die Hände bekommt.
mr1632 Sie werden grundsätzlich solche Spezies, solche Enzyme in jedem verrottendem Stück Holz finden. In jedem Komposthaufen werden sie solche Organismen finden. Der Trick ist, den richtigen zu finden und ihn so auf industrielle Anwendungen zu adaptieren, dass er in diesem doch relativ künstlichen industriellen Umfeld optimal funktioniert. mr1704 Das ist Technologie, die wir in den letzten zwei Dekaden gelernt haben zu beherrschen. Die Prinzipien der natürlichen Evolution auch zu nutzen, um Biokatalysatoren auch für technische Anwendungen zu optimieren.
In den nächsten Reaktionsbehälter fließt bräunlicher Sirup und damit haben die Techniker wieder vertrautes Terrain erreicht, denn die alkoholische Gärung - die Spaltung von Zuckern zu Alkohol und Kohlendioxid - nutzen heute alle Bioethanolproduzenten wie die traditionelle Brauerei. Der Alkohol wird abgetrennt, dabei zurück bleiben in der Anlage Mikroben-Biomasse, der Holzstoff "Lignin" und alles, was sonst dem Angriff von Wasser, Hitze und Enzymen widerstand. "Schlempe" heißt diese Brühe im Technologen-Jargon.
Ihr fällt beim zuvor erwähnten Ziel der Energie-Autarkie noch eine Rolle zu. Man presst das Wasser ab. Im Prozess ersetzt das Lignin dort den Brennstoff Gas, wo zuzufeuern wäre. So verwertet die Anlage das Stroh komplett. Den Berechnungen des Betreibers zufolge verursacht - bezogen auf seinen energetischen Wert - das in der Straubinger Anlage erzeugten "Bioethanol der zweiten Generation" 95% weniger Treibhausgas-Emission. Eine Zahl, die mit bestehenden Bioethanolanlagen vermutlich schon deshalb nicht realisierbar ist; weil sie mit Zuckerrohr, Rüben und Getreide von Biomasse ausgehen, die eigens zur Ethanolproduktion angebaut wird.
Doch eben solche Anlagen belieferten die Mineralölwirtschaft im vergangenen Jahr mit 576000 Tonnen sogenannten "Bioethanols der ersten Generation." Von den Produktionskapazitäten her wären sogar 819000 Tonnen möglich gewesen, die Auslastung lag demnach bei 70 Prozent. So wundert wenig, dass der Verband der Biokraftsstoff-Industrie die Aktivitäten rund um das "Ethanol der zweiten Generation trocken kommentiert: Eine Agrar-Reststoffe verwertende, funktionierende Ethanolproduktion habe noch keiner gesehen.
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Ein weiter Weg - der richtige?

Erfolge bei der Erprobung der Anlage wünschen den Straubingern auf dem Feld tätige Forscher und Ingenieure. Beispielsweise die Maschinenbauerin Franziska Müller-Langer. Sie leitet den Bereich Bioraffinerien am Deutschen Biomasse-Forschungszentrum in Leipzig. Sie war bereit, den Stand Entwicklung zu bewerten und hat naturgemäß auch einen Überblick über die Akteure der Branche.
fm0629 Da muss man vielleicht in die Vergangenheit zurückgehen. Wie ist der Markt gewachsen, was waren die Randbedingungen. Steuerbefreiung und für die Ansiedlung von Anlagen insbesondere in den neuen Bundesländern sehr attraktive Förderungen für Einzelstandorte. fm0646 Zum einen sind Industriebereiche tätig geworden, die sie aus der Zucker- und Stärkeindustrie kennen. Crop Energies, die in dem Bereich schon seit vielen Jahren aktiv sind. Die zusätzlich in dem Bereich Bioethanolherstellung eingestiegen sind. Es gibt aber auch Beispiele, Verbio, die in der Thematik neu gestartet sind. Sowohl mit Bioethanol als auch mit Biodiesel. Die angefangen haben als mittelständisches Unternehmen und nach und nach Anlagen aufgebaut und die technisch sehr weit vorangetrieben haben und nun mit Crop Energies die zwei wichtigsten Player sind.
Auf seiner Internetsite vermerkt Crop Energies, dass man aus Lignozellulose - so die chemische Bezeichnung für das in Stroh wie im Holz vorkommende Fasermaterial - hergestelltes Ethanol für eine Option halte. Man habe ...
... auf diesem Gebiet eigene Forschungsprojekte initiiert und wird seine Rohstoffbasis ausweiten, sobald die technologischen, logistischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen gegeben sind.
Auch ist man auf eine Änderung der EU-Richtlinien eingestellt und orientiere sich bei Investitions-Entscheidungen daran. Weitere Hintergründe legt Franziska Müller-Langer dar.
fm1054 Die Thematik Kraftsstoffe aus Lignozellulose, Holz oder Stroh, ist keine, mit der man sich erst jetzt beschäftigt. Das macht man auf europäischer Ebene als auch in Deutschland. Jetzt ist man in der Lage, so nach und nach, nehmen wir wieder das Beispiel Bioethanol aus Stroh, hier erfolgreich auch Demonstrationsanlagen zu bauen und in Betrieb zu nehmen. fm1126 Die Anlage, die Sie erwähnten, der Firma Clariant / Süd-Chemie ist ein Beispiel. Ein weiteres wäre die Anlage in Kalundborg in Dänemark, die von der Inbigon beziehungsweise von der Dong betrieben wird.
mh1146 Was ist aus den kanadischen Anlagen geworden? Schon 2004 wurden die Medien darauf aufmerksam gemacht. fm1207 Sie müssen den US-amerikanischen Markt nochmal losgelöst sehen. In den USA haben sie in der Gesetzgebung einen bestimmten Anteil Ethanol aus Lignozellulose bereitzustellen. So dass die Betreiber einen enormen Druck haben. Insgesamt ist man in den USA intensiv dran, es sind viele Unternehmen, es sind eine Reihe gestartet, die auch wieder aus dem Markt raus sind. Das Beispiel Iogen, da handelt es sich um eine Pilotanlage, die dort in Betrieb genommen wurde. Wo man in Europa auf der Suche war nach Standorten für eine nächstgrößere Anlage. fm1301 Das ist ein Beispiel dafür, dass die Umsetzung vom Pilotstadium in eine Kommerzialisierung viele viele Jahre braucht. Deswegen die Wahrnehmung: Warum kommt man da jetzt drauf? Sie haben bei neuen Technologien eine gewisse Technikabfolge, Zeiten, die man im Hinterkopf behalten muss. Pilotanlage heißt: Sie sind in der Lage, einen Prozess, den sie im Labor gut abbilden konnten, zum Beispiel die Fermentation von Zucker zu Ethanol, in die nächstgrößere Anlagentechnik zu überführen, wo sie grundlegende Untersuchungen machen und Erfahrungen sammeln für eine Demonstrationsanlage, das ist also die nächste Stufe, wo man versucht, alle Komponenten darzustellen wie bei einer großtechnischen Anlage. Erst dann, wenn man die Erfahrungen gesammelt hat, geht man in die kommerzielle Stufe. Das braucht einfach viele viele Jahre. Es ist wichtig, diese Stufen zu gehen, um Konzeption [bei] Masse- und Energieströmen, so zu gewährleisten, dass Sie eine kommerzielle Anlage auch viele Stunden im Jahr betreiben können.
Nicht nur, dass bis zu einer industriellen Nutzung noch einiges an Aufwand zu leisten ist. Kritik, Vorbehalte und Ablehnung kommen zum Ausdruck, wo es um Biokraftstoffe geht. Der Versuch einer Einführung von E10 als Standard-Superbenzin wirkt immer noch nach; er hat "Bio für den Tank" den Stand eines öffentlichen Ärgernisses verschafft. War Bioethanol der Wirkstoff in einem neuem Abwrack-Programmm, welches, anderes als die Prämie von 2009, dem Automobilisten seinen alten Wagen zwar nimmt, aber den neuen in keiner Weise erschwinglicher macht? Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel forderte im August die Abschaffung von E10 und, diese seltene Konstellation wird ihn gewundert haben, Umweltorganisationen pflichteten ihm bei. Warum, führte Martin Hofstetter, Agarexperte bei Greenpeace am Telefon aus.
ho0017 Schon seit 2007 Diskussion über die Frage, reichen die Lebensmittel aus, woher entstehen Knappheiten: Landgrabbing, Lebensmittelspekulation. Ist der Klimawandel schuld oder sind es Politikmaßnahmen, die dazu führen, dass Getreideläger mal immer wieder enger wurden und da spielen die Biokraftstoffe eine ganz erhebliche Rolle. Weil man feststellen muss, dass es gerade in den USA wie auch in Europa eine Zwangsbeimischung gibt, von Ethanol aber auch von Biodiesel gibt. ho0051 In Europa ist das halt so geregelt, dass die Konzerne eine bestimmte Menge an Biodiesel und Ethanol einsetzen müssen. Wenn sie das nicht tun, müssen sie Strafabgaben zahlen. hi0106 Wie ist die Entwicklung gewesen: 90er Jahre, wo noch VW Bullies unterwegs waren mit Aufkleber, dass da mit der Energie der Sonne gefahren wird. Wo kommen jetzt die Probleme her oder die Bedenken? ho0126 In den 90er Jahren hatten wir Flächenstilllegungen, das heißt, die Landwirte mussten 8, 10 bis zu 15 Prozent aus der Nutzung nehmen weil es ein Überangebot an Getreide gab und dieses Überangebot war teuer für die europäisch Union. Der Weltmarktpreis war deutlich niedriger als das europäische Niveau. Das kostetet richtig Geld, das dann loszuwerden. ho0200 Auf diesen Stilllegungsflächen durften die Landwirte nach und nach Raps aber auch andere nachwachsende Rohstoffe, das war dann erlaubt, das durfte nur nicht in den Lebensmittelbereich gehen. Das haben immer mehr Landwirte gemacht. Das hat man Anschub gegeben, einzusteigen in nachwachsende Rohstoffe. Speziell durchgesetzt hat sich dann der Rapsanbau in Deutschland, aber dann auch Ethanolerzeugung auf der Basis von Getreide und Zuckerrüben. ho0225 Das ist quasi gepusht und gefördert worden: Der Anbau war erlaubt, dann Steuererleichterungen, speziell auch für den Einsatz und als dritte Maßnahme haben wir jetzt dieses Quotengesetz. ho0246 Parallel hat sich die Welt aber weitergedreht. Wir müssen feststellen: Die Asiaten essen mehr Fleisch. Fleisch erzeugt man aber nur mit viel Getreidekalorien. Wir haben tatsächlich schlechte Erträge gehabt in den letzten Jahren. Durch Trockenheiten. Dieses Jahr in den USA, aber auch in den Balkanstaaten. Das schlägt voll durch. Wenn man dann noch zwangsbeimischt - die USA machen das aus geostrategischen Gründen, um unabhängiger zu werden. Die EU-Kommission hat das gemacht, um damit Klimaeffekte zu erzielen und müssen jetzt feststellen, das ist eigentlich Quatsch, Klimaziele erreicht man damit überhaupt nicht und gleichzeitig verknappen wir das Angebot. Dann muss man die Reissleine ziehen.
hi0338 Wie ist die Flächennutzung in Deutschland. Gibt es noch stillgelegte Agrarflächen? ho0348 Man hat alles in Nutzung. Im Gegenteil, die Ackerfläche wird ausgedehnt. Da, wo man darf und kann, brechen Bauern Grünland um und machen Acker daraus, aus Standorten, die über Jahrzehnte Grünland gewesen sind. Da einzige, was aufgegeben wird, sind Grünlandstandorte, die ertragsschwach sind. Aber Ackerflächen sind alle in der Nutzung, ist auch logisch, bei uns kommt das Problem mit den Biogasanlagen hinzu. Die verschärfen den Druck auf die Fläche noch. Wir haben eine Million Hektar Mais für die Biogasanlagen. eine Million Hektar für Rapsdiesel, 350000 Hektar für Ethanol, das von knapp 12 Millionen Hektar Ackerland. Wir haben jetzt schon 20% für Biomasseerzeugung. ho0451 Die Bauern verdienen richtig Geld. Der Bauer, der jetzt Flächen stilllegen würde, macht ökonomisch gesehen alles falsch. hi0621Bezüglich des Maises: Wenn der Mais ins Biogas geht, heißt das, dass die Schweine, die in den Ställen stehen, von anderem Futter ernährt werden. ho0719 Was wir sehen, ist immer mehr Silomais, weil Mais doch an vielen Standorten die höchsten Erträge liefert und in den Biogasanlagen viel Gas daraus produziert werden kann. Deswegen wird Maisanbau weiter ausgedehnt, obwohl es gleichzeitig weniger Rinder gibt. Die Schweine werden tatsächlich mehr mit anderem, importierten Futtermittel gefüttert und immer weniger mit heimischen. hi0756 Sie haben schon politische Maßnahmen angesprochen, die die EU ergriffen hat. Kritisieren Sie jetzt das Quotenwesen an sich oder die Höhe der Quoten? ho0822 Im Grunde geht die Kritik schon weiter. Nur E10 zu verbieten, wäre zu kurz gesprungen [...]. Das Grundproblem ist tatsächlich die feste Quotierung, wo bestimmte Mengen eingesetzt werden müssen. Deswegen machen die an den Tankstellen E10 billiger, damit die Leute es kaufen, weil es in der Erzeugung eigentlich teurer wäre. ho0905 Aber das Hauptproblem ist, dass dadurch ganz bestimmte Flächen nicht mehr für Lebensmittel zur Verfügung stehen. Das mehr oder weniger unabhängig davon, wie eigentlich die Agrarpreise sind. Wenn die Agrarpreise hoch sind und wir wenig noch auf Lager haben, und wir das trotzdem in die Autos reinschütten, heißt das, wir importieren immer mehr an Getreiden und Ölen und das fehlt anderen Menschen zur Ernährung. Es gibt tatsächlich diesen Zusammenhang ho0943 Wir brauchen kein E10-Verbot, sondern die gesamte Quote muss ausgesetzt werden.
In der Folge würde weder Bioethanol noch Biodiesel importiert und die Produktionsanlagen stillgelegt. Es bestünde auch kein Grund, in den Sektor zu investieren, da die in der Entwicklung befindlichen Biokraftstoffe immer teurer kommen werden als die schon eingeführten.
Konträre Wünsche richtete Hariolf Kottmann an die Politik: Er mahnte zum Schutz von Investitionen eine verlässliche Politik an. Dabei prasselt es Novellierungen im Bereich Energie geradezu. Wenn hier nichts lange so bleibt, wie es ist, darf sich die Wirtschaft durchaus an die eigene Nase fassen. So wurde bei der Einweihung der Lignozellulose-Anlage dem Finanz- und dem Umweltministerium angetragen, an ein paar Schrauben nachzujustieren. Der Clariant Vorstandsvorsitzende Hariolf Kottmann:
Es bedarf gezielter politischer Entscheidungen, wenn Bio-Ethanol der zweiten Generation Erfolg haben soll. [...] Erstens: Wir dürfen nicht nur eine Erhöhung des Ethanol-Anteils im Kraftstoff anstreben. Wir müssen uns klar zur Verwendung von Bioethanol der zweiten Generation bekennen - zum Beispiel durch eine bindende Beimischungsquote für Biokraftstoffe aus Agrarreststoffen. Zweitens: Wir müssen Investitionen in Anlagen fördern, um den Eintritt in den Markt mit den entsprechenden Produktionsmengen zu meistern. Drittens: Wir müssen die Steuerfreiheit für Biokraftstoffe der zweiten Generation über das Jahr 2015 hinaus verlängern. Viertens: Wir müssen aus dem eklatanten Fehlstart bei der Einführung des Biokraftstoffs E10 lernen. Laut ADAC hat das grüne Superbenzin derzeit gerade mal einen Anteil von 15% am Kraftstoffabsatz in Deutschland. Und es gilt als problematisch, weil die Frage nach der Motorenverträglichkeit und die Tank-oder-Teller-Diskussion die Bevölkerung verunsichert haben. Wir müssen deshalb in offener Kommunikation mit allen Interessensgruppen die Einführung der zweiten Generation von Bio-Ethanol unterstützen.
Den Wunsch zur verlängerten Steuerbefreiung reichte der Bundesrat auf Initiative Bayerns im Bundesfinanzministerium ein. Dessen Stellungnahme fällt spröde aus:
Zellulose-Ethanol wird nach geltender Rechtslage noch bis Ende 2015 vollständig von der Energiesteuer entlastet [...]Eine Diskussion über die Fortführung einer besonderen Förderung dieser Biokraftstoffart wäre deshalb zum gegenwärtigen Zeitpunkt verfrüht.
Auch die Chancen für eine separate Beimischungsquote für Biokraftstoffe der zweiten Generation sind offenbar gering. Sie erscheint dem bayerischen Wirtschaftsministerium ...
angesichts des bürokratischen Aufwands weniger geeignet.
Und Umwelt und Finanzministerium in Berlin verweisen auf folgendes
Diese Kraftstoffe können bereits jetzt auf die Biokraftstoffquote angerechnet werden, seit Anfang 2011 sogar doppelt gewichtet gegenüber anderen Biokraftstoffen.

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Grüne Nachhaltigkeit Schwarz auf Weiß?

Seine Ablehnung der pflichtweisen Ethanolbeimengung hat Martin Hofstetter von Greenpeace hier schon formuliert. Er sieht in der Quote gar kein Instrument zum Klimaschutz. Dass dieser auch durch eine "Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung" gewährleistet werden soll, weiß jedoch auch er. Die Paragraphen Überschriften lesen sich gut:
Schutz von Flächen mit hohem Naturschutzwert - Schutz von Flächen mit hohem Kohlenstoffbestand - Schutz von Torfmoor - Nachhaltige landwirtschaftliche Bewirtschaftung - Treibhausgas-Minderungspotenzial
Damit Biokraftstoffe diesen Anforderungen gerecht werden, verlangt die Verordnung Zertifikate anerkannter Prüfinstititute. Der Verband der Biokraftstoffindustrie begründet sein Vertrauen in diesen Ansatz damit, dass hier renommierte deutsche Unternehmen wie TÜV und DEKRA und deren Niederlassungen im Ausland eingebunden sein. Nicht direkt beantwortet Martin Hofstetter die Frage, ob Greenpeace schon auf käufliche Gutachter gestoßen sei, die es übersahen, dass eine Ölpalmenplantage im Jahr zuvor noch unberührte Wildnis war:
ho1616 Ja, wobei man sagen muss: Je kürzer der Weg ist, desto besser ist die Kontrolle. Wenn Biokraftstoffe halb um die Erde geschippert werden, aus Staaten stammen, die sich durch Korruption auszeichnen, dann tun wir uns schwer, denen zu glauben. Da sollte gesundes Skepsis vorherrschen. Da haben einheimische Ackerpflanzen einen Vorteil. Die Kontrollmöglichkeiten sind da ganz anders und besser.
Solche Bedenken könnten Greenpeace und die deutschen Produzenten einen. Einer ihrer Verbände, der Verband der deutschen Biokraftstoffindustrie sieht seine Mitglieder ...
... in ihrer Existenz bedroht, da staatlich begünstigter Biodiesel aus Argentinien oder Indonesien den Markt überschwemme. Die Erzeugung der deutschen Produktionsstätten [...] brach im zweiten Quartal auf rund 475000 Tonnen ein.
Was einem Absatzverlust von fast einem Drittel gegenüber 2011 bedeutet. Ein anderer Verband, der die Bioethanolhersteller vertritt, erklärte 2010, die noch bis 2014 geltenden Kohlendioxid-Einsparanforderungen seien zu lasch. Er sähe sich bei strengeren Anforderungen gegenüber der Konkurrenz gestärkt.
Die weit über die Mindestanforderung von 35 % Treibhausgasminderung in der Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung hinausgehenden Minderungspotenziale der heimischen Biokraftstoffe werden nicht genutzt. Kurzfristig sind durch Biokraftstoffe Treibhausgasminderungen von ca. 50 % und mittelfristig bis zu ca. 70 % machbar.
Greenpeace-Agrarexperte Martin Hofstetter gesteht den Biokraftstoffherstellern gewisse technische Fortschritte zu.
ho1410 Am Anfang noch mit Braunkohle Ethanol gebrannt. Das war extrem klimaschädlich. Inzwischen nehmen die umweltfreundlichere Energieträger, benutzen viel mehr die Prozesswärme und auch die Stoffe, die übrig bleiben. Man produziert Ethanol und Schlempe. Nimmt man diese Schlempe, um Biogas daraus zu machen, setzt man dieses Biogas dann wieder ein, um [das] für den Prozess zu nutzen, hat man eine relativ günstige Klimabilanz. ho1501 Aber dann haben wir immer noch das andere Problem, dass man Getreide verspritet und dass es auf der Welt zu wenig Getreide gibt. Jetzt kann man natürlich sagen, das sind nicht nur die Ethanolanlagen, das sind vor allen Dingen die Tiere, die mit Getreide gefüttert werden. Das stimmt natürlich auch, aber politisch unterstützt wird vor allen Dingen die Ethanolwirtschaft und nicht die Schweinemast.
Das wäre eine Lesart: Die Beimischungspflicht für Biodiesel und Bioethanol garantiert einer Branche den Absatz. Allerdings tickt die Uhr für die entsprechenden Paragrafen des Bundesimmissionsschutz-Gesetzes. Ab 2015 wird nicht mehr vorgeschrieben, in welchem Verhältnis pflanzenbasierte und fossile Kraftstoffe zu mischen sind. Dann soll die Treibhausgaseinsparung selbst zur Messlatte werden. Begonnen würde mit einer Quote von 3%. Das heißt, in den Raffinerien kann zusammengemischt werden was will. Es zählt allein, ob das Gemisch bezogen auf die Energie darin drei Prozent Entlastung für die Erdatmosphäre bringt oder nicht. Martin Hofstetter von Greenpeace verspricht sich von diesem anderen Rechenansatz nicht viel.
ho1142 Jetzt ist es so, dass Ethanol aus Zuckerrohr in Lateinamerika besonders klimafreundlich ist. Im Vergleich zu Roggen und Weizen hat das eine deutlich bessere Klimabilanz. Das hieße, dass deutlich mehr Zuckerrohr aus Brasilien eingesetzt würde als heimische. Oder Palmöl aus Indonesien von Nichturwaldflächen, weil das eine deutlich bessere Klimabilanz hat als Raps, weil der nur 1600 Liter bringt und eine relativ schlechte Klimabilanz hat. ho1233Da streiten sich jetzt immer noch die Fachleute: Wie berechnet man jetzt genau die Klimabilanzen. Was die EU noch nicht gemacht hatte, war die indirekte Landnutzung, die vollständige Berechnung dieser Klimabilanzen. Wenn das vollständig vonstatten ginge, wäre das von großem Vorteil, also, wenn man das richtig rechnen würde. Aber die Industrie wehrt sich da immer dagegen, weil die verdient natürlich riesig Geld mit Biodiesel und Ethanol aus der hiesigen Erzeugung aber auch aus Übersee. Ich fürchte einfach, dass das viel Schmu gemacht wird bei diesen Berechnungen, dass nicht sauber gerechnet wird, dass bestimmte Dinge nicht berücksichtigt werden. Deswegen bin ich da skeptisch. ho1313 Meine Geschichte ist vor allem: Man soll vor allem Reststoffe einsetzen, Altfette, Stoffe, die man nicht für Lebens- oder Futtermittelherstellung nutzen kann. Daraus kann man gerne Biodiesel oder Ethanol machen. Man muss natürlich gucken, wo kommt die Biomasse her. Nicht dass wir anfangen, auch noch die Wälder auszuräumen, um nicht nur Pellets herzustellen, sondern auch Kraftstoffe für Automobil oder Flugzeuge. Das wäre kontraproduktiv.
Der Anreiz zum Auf- und zum Ausräumen bestünde jedenfalls.
Lora-Fördervereins-Promo: Sendeloch

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Stroh, Humus und Bodensfruchtbarkeit

Der hohe Entwicklungsaufwand einerseits und mögliche Profite mit der Lignozellulose-Technologie andererseits gaben Grund genug zu kalkulieren, in welchen Mengen Stroh eigentlich jährlich anfällt und wieviel davon tatsächlich verfügbar ist. Hitzig debattiert wird dieser Unterschied spätestens, seit die Akademie Leopoldina ihre Studie "Bioenergie: Möglichkeiten und Grenzen" veröffentlicht hat. Der Ansatz ihrer Wissenschaftler war einfach: Auf wieviel Fläche erfolgt die pflanzliche Produktion? Wieviel Energie pro Hektar sammeln gewisse Nutzungen wie Forst- oder Grünlandwirtschaft oder Ackerbau und machen sie in Form von Biomasse verwertbar? Die Aufstellung soll die Mengen ergeben, die verwertbar sind, ohne dass der Boden die Fruchtbarkeit mit der Zeit einbüßt.
Wobei Stroh beziehungsweise der organisch gebundene Kohlenstoff darin nicht im eigentlichen Sinn von den Pflanzen gebraucht wird. Vielmehr wird im Boden aus Stroh langfristig dasselbe, was die Energiewirtschaft und der Verbraucher in kürzerer Zeit daraus machen: Es wird in Kohlendioxid und Wasser überführt und liefert dabei Energie. Allerdings schließt der langsamere Prozess im Boden eine Zwischenform ein, deren Bedeutung Ingrid Kögel-Knabner vom Institut für Bodenkunde der TU München in Weihenstephan unterstreicht:
ik0101 Es läuft nicht auf das Gleiche hinaus, ganz einfach deswegen, weil die organische Substanz, die auf den Boden gelangt, langfristig im Boden gespeichert wird. ik0128 Das bedeutet, wir haben im Boden eine Senke für atmophärisches CO2, das langfristig im Boden gespeichert wird, und zudem, wie alle Hobbygärtner auch wissen, der Humus im Boden wichtig für die Bodenfruchtbarkeit, für die Bodenstruktur. mh0203 Was passiert denn mit Boden, der in der Hinsicht ausgelaugt ist? Welche Probleme hätte man in der Nutzung, welche Probleme hätten Pflanzen mit so einem Boden? ik0212 Die Pflanze hat das Problem, dass die Wasserspeicherkapazität abnimmt. Die Pflanze kann Trockenperioden schlechter überstehen. Dass solche Perioden zunehmen werden, davon geht man ja aus, auch bei uns in Mitteleuropa. Außerdem hat das die Problematik, dass die Bodenfruchtbarkeit generell abnimmt. Die Wahrscheinlichkeit für Bodenerosion nimmt zu. Ein Beispiel dafür ist die "dust bowl" die es in den 30er Jahren in den USA gegeben hat. Wo lange Trockenjahre dazu geführt haben, dass es zu massiver Erosion kam. ik0309 Solche Dinge kann man verringern, verhindern, oder ganz vermeiden, wenn man eine langfristig nachhaltige Humuswirtschaft betreibt. ik0529 Also der Kohlenstoff ist kein Dünger, der Kohlenstoff, die Zellulose, oder Pflanzenreste die man dem Boden zuführt sind per se nicht der Dünger. Sie sind das Substrat für die Mikroorganismen, die im Boden davon leben, die im Wesentlichen daraus CO2 machen, aber daraus eben auch den Humus. Und wenn ich hohe Humusgehalte habe, dann habe ich auch einen Boden, der die Nährstoffe gut speichern kann. mh0612 Es soll angeblich schon bei dem Römern Texte gegeben haben, die auf diese Angelegenheit eingegangen sind. ik0626 Natürlich, das ist eigentlich sehr altes Wissen, das der Boden nur durch eine gute Humuswirtschaft produktiv und fruchtbar gehalten werden kann. Entweder ist das System per se im Gleichgewicht und die organische Substanz, die auf dem Boden produziert wird, wird wieder zurückgeführt, in naturnahen Ökosystemen. Und wenn sie ein Agrar-Ökosystem haben, das sie nutzen wollen, dann müssen sie eine gewisse Menge an organischer Substanz immer wieder zuführen.

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Straubinger Forscher für grüne Energie und bunte Äcker

Wie das in der landwirtschaftlichen Praxis aussieht; das möchte derzeit das Kompentenzzentrum für Nachwachsende Rohstoffe auf dem Zentrallandwirtschaftsfest vermitteln. Zum Beispiel mit einer Art Wandpuzzle. Die Stücke zeigen Fotos mancher bekannten Kulturen, darüber hinaus aber eine ganze Palette ungewöhnlicher Pflanzen. An der oberen Kante des Puzzles erkennt man die Monatsnamen, die Puzzlestücke lassen sich nur an bestimmten Stellen ansetzen. Warum manche lang und andere kurz sind, erklärt Bernhard Widmann vom Straubinger Kompetenzzentrum für nachwachsende Rohstoffe des bayrischen Landwirtschaftsministerium.
bw Hier sehen wir einen Ausschnitt eines längeren Zeitraumes und die einzelne Bausteine sind kürzer oder länger. Das sind die Vegetationsperioden der einzelnen Pflanzen. Also zum Beispiel der Buchweizen als Gründünger hat nur ein bis zwei Monate Zeit, während die Braugerste als Kornnutzung dann mehrere Monate auf dem Acker steht, das Landschaftsbild prägt aber auch den Acker benutzt. Und aus diesem Baukasten kann man die Pflanzen nach ihren Temperatur-, Boden und Niederschlagsansprüchen zusammenstellen, und es ist klar, dass eine Winterfrucht Bedingungen braucht, dass er im späten Herbst gesät wird dass er im Sommer zu ernten ist. Und dieses Zusammensetzen ist ein wichtiges Element in unserem Wissenstransfer aus der Forschung der Energiepflanzen heraus. Denn wir müssen auch weg davon, einzelne Pflanzen zu vergleichen. Sondern wir müssen das auch auf die gesamte Dauer einer Fruchtfolge hinweg, das wirtschaftlich und auch ökologisch im Gesamtsystem bewerten. mh Haben Sie dann an ihrem Zentrum praktische Versuche durchgeführt und können dem Landwirt sagen, wenn Du Senf anbaust, dann besorge dir diese Menge Saatgut, das ist der Zeitpunkt und das hast Du zu erwarten. bw Das ist genau unsere Forschungstätigkeit. Seit vielen Jahren beschäftigen wir und mit den ergänzenden, alternativen Energiepflanzen. Wir haben dann Anbausteckbriefe für gewisse Energiepflanzen, insofern sie schon so weit gelangt sind, dass wir sie dem Praktiker empfehlen können. Das geht auch nicht von heute auf morgen. Wir haben Broschüren, auch eine für die Regionen in Bayern, die jetzt gerade zum Zentrallandwirtschaftsfest neu herausgekommen ist. Gefürdert aus einem großen Verbundvorhaben, dem EFA-Projekt, wo wir an neuen Energiepflanzen und Fruchtfolgen gearbeitet haben
Eine vielfältige Nutzung des Ackerbodens grenzt zum einen das Risiko ein, das Schädlinge und Pflanzenkrankheiten mit sich bringen. Zum anderen sind Fruchtfolgen schon immer der Weg, einer Erschöpfung des Bodens zuvorzukommen. Bezüglich der grünen Biomasse sind Biogasanlage nun nicht wählerisch - günstige Umstände, für Bernhard Widmann, mit seiner Einrichtung für Multikulti auf den Äckern zu werben. Ein Multikulti, das sich für den Landwirt lohnt und seines Erachtens die Landschaft bereichern kann. Er kommentiert die Bedenken, die die Akademie Leopoldina hinsichtlich der Einbindung der Landwirtschaft in den Energiesektor anmeldete, so
bw Also erstens muss man kritisch hinterfragen, dass bei dieser Studie so gut wie keine Agrarwissenschaftler mitgewirkt haben. Zum zweiten macht die Studie deutlich, mit welchem Übermaß wir Energie verbrauchen. Da kann jetzt die Bioenergie und die Pflanze nicht dafür. Wir Menschen, und ich stelle den Begriff "Homo sapiens" im Energiezusammenhang eindeutig in Frage, leisten uns, dass wir 500000 Jahr Erdgeschichte pro Jahr verheizen in Form von Kohle, Öl und Gas. Das jetzt mit einem Schalter als Energiewende umzuknipsen und plötzlich mit einer Eigenversorgung in einem sehr energieintensiven Land wie Deutschland mit Industrie und so weiter decken zu wollen, hat niemand gefordert und das ist auch keine Zielsetzung. Wir müssen unseren Energiebedarf drastisch reduzieren, das ist der erste Schritt, wir müssen den Bedarf, der übrig bleibt decken mit den erneuerbaren Energieträgern, und zwar mit einem vernünftigen Mix aus Solarenergie, Windkraft, Gezeitenenergie und natürlich die Biomasse, die derzeit schon 70% aller erneuerbaren Energieträger abdeckt und auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielt, weil sie im Gegensatz zu allen anderen Energieträgern gespeicherte Sonnenenergie bereitstellt. Und das muss man auch ein Stück weit auch mit einem etwas schlechteren Flächenwirkungsgrad im Vergleich zu einer Solaranlage hinnehmen.
Jingle: Kein Kommerz auf Megahertz
Vom Zentrallandwirtschaftsfest, das den Energiepflanzenanbau in prächtigstem Grün inszenierte, zurück zu trockenem Stroh. Unterstellt man, dass die Wissenschaftler der Leopoldina die Menge des für die Herstellung von Bioethanol verfügbaren Strohs zu pessimistisch einschätzen und ein auf diesem Sektor forschendes Unternehmen zu optimistische Daten veröffentlicht, dann zeichnet sich dieser Ansatz mindestens als diskussionswürdig ab: Der Leopoldina-Studie zufolge stünden jährlich 7,5 Millionen Tonnen Stroh zur Verfügung. Clariant referiert dagegen 22 Millionen Tonnen. Dies ist dreimal soviel und wäre ein Drittel des beim Getreideanbau hierzulande anfallenden Strohs. Mit dem unteren Schätzwert wäre ein Zehntel, mit dem oberen ein Viertel des deutschen Benzinverbrauchs zu decken. Martin Hofstetter von Greenpeace dazu:
ho2400 Ich denke, man soll diesen Weg mal ausprobieren in einer kleineren Anlage. Man muss gleichzeitig zusammenarbeiten mit Bodenkundlern, die verfolgen: Was bedeutet das für die Böden der Landwirte, die da mitmachen. Lohnen sich die Wege, die man da in Kauf nimmt. Nichtsdestotrotz: 10 Prozent. Das wäre eine tolle Zahl, auf der anderen Seite heißt das immer noch, 90 Prozent fehlen auf der Waage. Das wird nur mehr, wenn wir über Einsparen nachdenken. hi2446 Da bleibt das alte Lied zu singen: Weniger Autofahren, mehr öffentliche Verkehrsmittel, ... ho2452 Ja, im Grunde bessere Autos. Wir haben zwar immer bessere Motoren bei gleichzeitig immer schwereren Autos - mit allem möglichen Zusatzschnickschnack. Der Golf von vor 20 Jahren hat ungefähr genausoviel verbraucht wie der Golf heutzutage. Das ist für mich... Wenn man sich den anguckt, hat es eine gigantische technologische Entwicklung gegeben. Aber dass das selbe Fabrikat dieselbe Menge Benzin oder Diesel verbraucht, ist natürlich keine Glanzleistung. ho2524 Die Autos sind schwerer geworden, hochmotorisierter, immer häufiger jenseits der 150 PS. Das fordert dann seinen Spritpreis. Wenn wir sagen, wir kommen mit Autos zurecht, die deutlich weniger motorisiert sind, dann hätten wir deutlich leichtere Autos, dann kämen wir mit Autos aus, die heute drei Liter brauchen.
Wem dies nun als Schlusswort missfällt, der richtet sich vermutlich bequemer in einem Szenario der Internationalen Energieagentur ein. Franziska Müller-Langer nennt eine Zahl daraus und erkennt darin einen Auftrag, der ihr an Einrichtungen wie dem Deutschen Biomasse Forschungszentrum bleibt.
fm4625 Denn wir werden, machen wir uns nichts vor, in einem internationalen Kontext einen enormen Anstieg des Kraftstoffbedarfs haben. Der wird noch bis 2030 noch zu einem Drittel gegenüber den heutigen Zahlen zunehmen. Wenn sie den Zahlen der Internationalen Energieagentur Glauben schenken. Wenn Sie alle Biokraftstoffziele zusammenzählen, die ambitionierten der USA, die doch recht konventionellen der EU, dann wird man weltweit nicht einmal in der Lage sein, diesen Mehrbedarf zu decken, bis zu 10 bis 5 Prozent. Dann kommt man schnell zu dem Schluss, dass es ohne Biokraftstoffe nicht gehen wird, unseren Energiehunger im Verkehr zu decken. fm4759 Dann ist es ganz wichtig, das Ganze nachhaltig zu gestalten. Da sind wir in Deutschland und Europa sehr weit. Es ist gelungen, über die Debatte Biokraftsstoffe als Sündenbock, hier erstmalig Nachhaltigkeitskriterien zu implementieren: Zu sagen, ein Energieträger muss ein gewisses Treibhausgas-Einsparpotential mitbringen, damit ich ihn anerkenne. mh4820 Also sie denken, dass die jetzige Gesetzeslage gegenüber den bestehenden Herausforderungen angemessen ist. fm4846 Sie bietet eine wichtige Grundlage. Man muss sie kontinuierlich begleiten. Weil sie mit gut gemeinten Ansätzen - Beispiel doppelte Anrechnung von Reststoffen auf die Biokraftsstoffquote - natürlich immer Marktteilnehmer haben, die sich das zunutze machen und für sich Lücken entdecken. Wir haben aktuell die Problematik, dass normale Speiseöle als Altspeiseöl umdeklariert werden. Für solche Faktoren sind Monitoringvorhaben ganz ganz wichtig: Um zu gucken: Wie entwickeln sich Technologien, der Markt unter gegebenen Randbedingungen. Nicht nur die in Deutschland, auch in Europa und international.

Sendungsabschluss

Die heutige Ausgabe von Spektrum auf LORA München reflektierte Problematik und die Möglichkeiten, Böden und Pflanzen zur Gewinnung von Kraftstoffen heranzuziehen. Ich hoffe, es gelang, einige der wichtigen wissenschaftlichen, technischen, wirtschaftlichen und umweltbezogenen Aspekte vermitteln. Als Sprecher unterstütze mich Mathias Kühn, als Redakteur am Mikrofon verabschiedet sich Markus Hiereth.
Yeasayer (2007) Worms