AUSBAU DER WASSERKRAFTNUTZUNG
Auch angesichts neuer Bauformen hält Kontroverse um Energie-Nutzen und Umwelt-Schaden an
Sendungseröffnung
Die Katastrophe von Fukushima hat der Forderung nach einem Ausstieg
aus der Kernenergie in Deutschland zu einer parlamentarischen
Mehrheit verholfen. Zumindest verbal beschäftigen sich viele
mit der "Energiewende" und fragen "Wie wird Strom von morgen
erzeugt?" Dass fossile Energieträger die Probleme nur
aufschieben und verlagern, weiß im Grunde jeder.
Strom aus Sonne, Wind und Wasser klingt gut, doch auch die Nutzung
regenerativer Energie stößt auf Vorbehalte:
Landschaftsverschandelung, Schwankungen der Erzeugung, Eingriffe in
Lebensräume.
Genau letzteres trifft die Wasserkraft, die unsere Stromanbieter als
"grünen Strom" eintüten. Die bayerische Staatsregierung
hält den an Flüssen und Stauseen erzeugten Strom für
umweltfreundlich und möchte seinen Anteil bis zum Jahr 2021 von
15 auf 17 Prozent erhöhen.
Pro und Contra behandelt LORA München in der kommenden Stunde,
wobei speziell von einem Kraftwerkstyp die Rede sein wird, der an
der TU München entwickelt worden ist. Von daher
verständlicherweise genießt er besondere Sympathien in
der Politik und bei staatlichen Stellen. Zugleich möchten
Naturschützer berechtigterweise wissen, inwiefern er besser
sein sollte als der Jahrzehnte alte Kraftwerks-Bestand, der
wesentlich dafür verantwortlich sein dürfte, dass 9 von 10
heimischen Fischarten auf der roten Liste stehen.
Ein weiterer Grund, sich speziell mit diesem Typ, dem so genannten
Schachtwasserkraftwerk zu befassen, ist, dass für ein solches
beim Landratsamt Garmisch-Partenkirchen eine Genehmigung beantragt
ist: Es geht um die Bau eines Pilotkraftwerkes in der Loisach, kurz
vor ihrer Einmündung in den Kochelsee [1].
Dies ist ein auch kommunal verfolgtes Vorhaben, so kommt im ersten
Teil der Sendung der Bürgermeister der entsprechenden Gemeinde
zu Wort. Die heiklen Fragen um die Wasserkraft-Nutzung tischt dann
die für den Lebensraum Wasser zuständige Sprecherin des
Bund Naturschutz auf und Gelegenheit zur Verteidigung erhält am
Ende der Vater des Schachtwasserkraftwerkes.
Als Redakteur am Mikrofon begrüßt Sie Markus Hiereth.
Paul Hardcastle - Desire
Die Loisach als Energiequelle für Großweil
Die Nutzung von Flüssen zur Stromerzeugung ist Thema dieser Stunde auf LORA München. Durch München fließt die Isar, mithin auch das Wasser der Loisach. In ihr möchte die Gemeinde Großweil ein Wasserkraftwerk neuen Typs betreiben. Dieses Vorhaben ließ ich mir von Manfred Sporer, Bürgermeister von Großweil darlegen. Meine erste Frage war, wie man auf das Schachtkraftwerks-Konzept gestoßen war.
ms0013 Zum einen muss
man sagen, das Großweil schon länger damit
liebäugelt, ein Wasserkraftwerk zu errichten, weil die Loisach
zwischen den beiden Ortsteilen Großweil und Kleinweil
durchfließt. Die ersten Versuche, ein Wasserkraftwerk zu
beantragen, fielen ins Wasser, weil hier sowas nicht möglich
war an der damals geplanten
Örtlichkeit. ms0046 Und jetzt hat
man erfahren, im Jahre 2006, dass in Großweil diese sogenannte
Raue Rampe aus Wasserbausteinen, dass die nicht so durchlässig
ist für Fische oder für Lebewesen im Wasser, wie es
eigentlich erforderlich wäre, und zudem immer noch die Sorge
mitbringt, dass Totholzanschwemmungen sich hier ansammeln und dann
zu einer schlechteren Hochwassersituation führen
könnten. ms0121 Man hat sich
Gedanken gemacht, was man machen kann. Und in dem Zuge ist mir
bekannt geworden, dass die TU München an einem Modellprojekt
arbeitet, ein sogenanntes Wasser-Schachtkraftwerk zu planen. Und
dieses Modell hatte ich Gelegenheit, das in der Versuchsanstalt zu
besichtigen. Ich war beeindruckt und habe gesagt, das wäre doch
etwas für die Loisach in
Großweil. ms0159 Und so traten wir
dann mit den maßgeblichen Herren der TU München in
Kontakt. Die Kontaktaufna hme fand mehr oder weniger über den
Herrn Sepp statt. Dazu kann ich noch hinzufügen, dass der Herr
Albert Sepp ein Großweiler Gewächs ist. Und er von daher
als Beschäftigter in der TU und als Projektant natürlich
auch die Loisach als Fluss kennt und auch die Örtlichkeit; dass
hier ein Höhenunterschied in der Loisach gegeben ist, wo so ein
Wasserkraftwerk entstehen
könnte. ms0251 Als wir da in Kontakt
getreten sind, äußerte er die Meinung, dass das eine
interessante Aufgabe wäre, das hier an der Loisach zur
Ausführung zu bringen. mh0501 Und in
der Gemeinde: Wie lief da die Diskussion? Gab es da verschiedene
Lager? ms0508 Nachdem der erste Kontakt
zwischen der TU München und der Gemeinde und zwei
Kooperationspartnern, mit denen wir uns kurzgeschlossen haben, weil
wir gesagt haben, "Alleine als Gemeinde können wir das nicht
schultern", haben wir geschaut, was ist denn da als kompetente
Firmen oder Behörden in der näheren Umgebung vorhanden,
mit denen man so ein Projekt gemeinsam anpacken könnte. Dann
haben wir zur unseren Kooperationspartnern, eben die Gemeindewerke
Garmisch und den Kraftwerksbetreiber in Farchant, gewinnen
können.
ms0610 Als dieser Kontakt dann zustande
kam, hat man das ganze im Gemeinderat bekannt gegeben und der
gesamte Gemeinderat, ohne eine Gegenstimme, hat sich sofort positiv
zu dieser Thematik geäußert: Das ist das, was wir in
Zukunft wollen. ms0638 Und als wir das
Ganze auch den Bürgern in einem Rundschreiben zur Kenntnis
gegeben haben, ist auch von Bürgerseite uns immer wieder gesagt
worden, "Bleibt an dieser Sache dran! Das ist eine Geschichte, da
stehen wir alle voll dahinter" In der Gemeinde selber haben wir
keinerlei negative Stimmungen erfahren. das ist eine Geschichte,
negativen Stimmungen erfahren.
Senderkennung: Freiheit on air
Stand des Genehmigungsverfahrens
Ich, Markus Hiereth habe an einem regnerischen Dienstag für diese Sendung gearbeitet, indem ich über Kochel nach Großweil gefahren bin, wo ich mit Manfred Sporer, dem Bürgermeister verabredet war. Seine Gemeinde hat beim Landratsamt von Garmisch-Partenkirchen um Genehmigung für ein erstes Schachtkraftwerk ersucht. Vorangegangen sind informelle Kontakte mit Fischern, der unteren Naturschutzbehörde und der Fischereifachberatung. Deren Skepsis war unverkennbar ...
ms0912 ... deshalb
haben wir uns mit auf den Weg gegeben dass wir gesagt haben: 'Wenn,
dann wollen wir das im Vorfeld durch fundierte gutachterliche
Äußerungen auch belegen, welche positiven und negativen
Auswirkungen so ein Bauvorhaben auf den Fluss oder die Lebewesen
haben könnte. Dass man eben mit Fachbeiträgen
überzeugende Arbeit leisten kann und nicht ins Blaue
irgendetwas lostritt und auf Fragen keine konkreten Antworten geben
kann. mh1005 Und die Gutachten haben Sie
jetzt? ms1007 Wir haben die
Gutachten. Wir haben ein Umweltverträglichkeits-Gutachten, eine
FFH-Verträglichkeitsstudie, einen Umweltbegleitplan sowie ein
Fischereigutachten. Also vier verschiedene Gutachten, die wir
eingeholt haben und die sind bei dem Antrag für
wasserrechtliche Erlaubnis beigelegt
worden. mh1042 Und in dem Stadium ist es
jetzt. Der Antrag liegt jetzt wo? ms1049
Der Antrag befindet sich momentan bei der Genehmigungsbehörde
im Landratsamt Garmisch-Partenkirchen, seit Ende Februar 2012. Dort
ist die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange
eingeleitet worden; sprich, alle Fachbehörden werden dazu
gehört. Zudem sind bei dieser Träger-Beteiligung alle
privaten Grundstücksbesitzer entlang der Loisach im Bereich der
Rauen Rampe informiert worden, so dass jeder, der Belange haben
könnte, sich dazu äußern kann. Ob positiv oder
negativ, das wird diese Öffentlichkeitsbeteiligung
zeigen. mh1146 Wie lang dauert das
Verfahren? ms1148 Die Auslegung
läuft insgesamt vier Wochen, einen Monat, bis 4.7.2012 und die
Anregungen können dann noch vierzehn Tage länger
schriftlich bei der Gemeinde oder beim Landratsamt in Garmisch
eingereicht werden. mh1214 Trotzdem gibt
es einmal eine Entscheidung, wo ein Stempel drauf kommt. Ist das
etwas, was im Herbst herauskommt oder im Frühjahr nächsten
Jahres? ms1231 Sobald alle Anregungen,
Einwände oder Mitteilungen beim Landratsamt vorliegen, werden
sie diese Thematik abwägen und zu einem Ergebnis kommen. Unsere
Hoffnung liegt natürlich darin. Ich selbst bin natürlich
aufgrund der innovativen Geschichte fast überzeugt, dass wir
hier eine Realisierungschance haben. Dass wir dann im Herbst ein
Genehmigungsschreiben erhalten; ich hoffe es zumindest, dass das das
Ergebnis sein wird. ms1312 Und falls das
so ausgeht, wäre unsere Planung, dass wir sobald als
möglich mit den ersten Bauarbeiten beginnen.
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Aufwand und Charakter des Vorhabens
mh1320 Sie haben von
drei Betreibern gesprochen, die sich zusammentun: Ein
Kraftwerksbetreiber in Farchant, die Gemeindewerke von
Garmisch-Partenkirchen und die Gemeinde
Großweil. ms1339 Richtig [...] in
dieser Dreierpartnerschaft sollte das Projekt angegangen werden?
mh1410 Wieviel kostet das? Wie teilt sich
das auf? ms1413 Die genauen Kosten stehen
noch nicht fest, aber grobe Schätzungen sind im Bereich von 3
bis 4 Millionen Euro [..] mh1452 Das ist
jetzt unqualifiziert: Aber es kommt mir gar nicht so teuer
vor. ms1500 Ja, man muss sich das
Schachtkraftwerk nicht in einer Dimension vorstellen, wie es
übliche Kraftwerksbauten in sich bergen; dass man da riesige
Gebäude auf den Betonfundamenten aufbaut. Das ist [eine] sehr
überschaubare Angelegenheit. Die Schachtbauwerke selbst sind im
Wasser angeordnet, und werden vom Wasser überströmt und
von außen fast nicht mehr
sichtbar. ms1539 Und auch die Technik mit
der Turbine ist im Wasser liegend angeordnet, so dass man im
Uferbereich nur so ein scheunenartiges Gebäude sich nur noch
vorstellen muss, in dem [man sich] die Elektronik für den
Stromtransport oder die Weiterleitung vorstellen
muss. ms1608 Aber das Hauptbauwerk ist im
Wasser angeordnet und verursacht nicht diese Kosten, die man bei
einem herkömmlichen Bauwerk
bräuchte. mh1759 Was wäre denn
der richtige Begriff für die Reife dieses
Vorhabens? ms1834 Wo durchaus noch
Forschungsarbeit getätigt werden muss, ist im Bereich der
Turbinentechnik, für so Kleinkraftwerke - und an der Loisach
kann man das durchaus noch als Kleinkraftwerk bezeichnen - ist die
Turbinentechnik der Hersteller noch nicht so ausgereift, dass man
sagen kann, für diese Geschichte hat man bereits die passende
Turbine. ms1902 Nachdem das
Schachtkraftwerk noch nicht auf dem Markt ist, dürfte auch die
Turbinentechnik noch nicht ausgereift sein. Deshalb ist hier noch
eine gewisse Forschungsarbeit erforderlich. Das Ganze reift im Zuge
der Maßnahme und wir hegen eben die Hoffnung, dass die Reifung
dann in einem Pilotprojekt an der Loisach in Großweil
erfolgt. mh1930 Wenn es gut geht: Haben
Sie sich Gedanken über die Amortisation der Anlage
gemacht? ms1935 Man macht sich
natürlich, wenn man Investitionskosten ansetzt, auch Gedanken
über die Amortisation. Wasserkraftwerke sind sehr langlebig, so
dass hier von mehreren Jahrzehnten ausgegangen werden kann
... ms1957 Die Amortisationszeit muss man
durchaus etwas kürzer sehen. Ich denke, dass wir im Bereich von
fünfzehn und zwanzig Jahren durchaus von einer Amortisation
ausgehen kann. Und da ist die Funktionsfähigkeit der Anlage
noch lange nicht am Ende. mh2016 Wieviel
Strom macht sie denn? Kann man das in Beziehung setzen zu dem Strom,
den die Gemeinde braucht? ms2022 Hier
sind bereits erste Überprüfungen vorgenommen
worden. Sprich, man hat die Durchflussmenge der Loisach für
Berechnungen herangezogen so dass man sagen kann: Mit einer Anlage
an dieser Rauen Rampe können ungefähr 2 bis 2,4 Millionen
Kilowattstunden Strom erzeugt werden, was in etwa gleichzusetzen ist
mit 600 Vier-Personenhaushalten. Wenn man das für
Großweil betrachtet: Wir, mit einer Einwohnerzahl von
ungefähr 1450 Personen, wir könnten komplett den
Haushaltsstrom der verbraucht wird, durch die Anlage erzeugen und
sogar noch Strom ins Netz einspeisen.
So weit Manfred Sporer, Bürgermeister der Gemeinde Großweil am Laufe der Loisach zwischen Murnauer Moos und Kochelsee.
Paul Hardcastle - Desire
Flüsse, Fische und Strom
Strom für Bayern - in vermehrtem Maße erzeugt an künstlichen Stauseen, in Pumpspeicherkraftwerken und Flusskraftwerken? Alles andere als eine Verheißung ist das für den Landesfischereiverband, den Bund Naturschutz und den Landesbund für Vogelschutz. Sie legten ein Faltblatt "Die Wahrheit über die Wasserkraft" auf, und zwar ein gewollt "fieses", mit Bildern von Funden: Ein in zwei Stücke gerissener Aal, ein trockengefallenes Flussbett, ein Fischlein mit massiven Hautläsionen. Ich fragte Renate Schwäricke, Sprecherin des Arbeitskreises Wasser beim Bund Naturschutz, was für Folgen die Nutzung der Wasserkraft für das Leben in Flüssen und Seen hat.
rs0026 Also in Bayern
müssten wir nach den Gefälleverhältnissen viele
Fische haben, die starke Strömung brauchen, die auf Kies
laichen, also die klassischen Fische dieser Quell- und
Alpenregion. Und diese Fließgewässer-Fischarten stehen zu
90 Prozent auf der roten Liste. Also das ist die Forelle, die
Äsche, [...] Am härtesten trifft die Wasserkraft durch die
Querbauwerke die Langdistanzwanderer. Das wäre [in] der Donau
der Stör. Der ist bei uns hier eigentlich ausgestorben. Der
kommt gar nicht mehr hoch, obwohl die Donau relativ wenige
Verbauungen hat. Und in Nordbayern ist das der Aal, der Lachs, der
durch den Rhein zuwandern würde und auch da gibt es
Probleme. rs0139 Was wir hier finden;
wenn man sich wundert: "Aale gibt es doch!" und Forellen. Das sind
meist eingesetzte Fische. Die Fischereiverbände setzen ja
Fische ein, die sie selber aufziehen. Aber die Fische sind nicht
mehr in der Lage, sich selbstreproduzierende Bestände zu
bilden. mh0158 Wie hoch ist denn so ein
Alpenfluß eigentlich belebt? Da gibt es Lenggries, oben der
Sylvensteinspeicher. dann kommt oben noch so kleines Bächlein,
was die Isar da ist. rs0218 Je näher
man an die Quelle kommt mit hohem Gefälle und ganz viel
Strömung, desto weniger Fische sind natürlich da. Aber es
sind natürlich andere Organismen da. [..] wir haben bestimmte
Fische, die bis in die Quellregion raufgehen. Das ist eben die
Forellenregion, nennt man das direkt, die dort auch wegen der
Kälte des Wassers, wegen des Sauerstoffreichtums, und wegen der
starken Strömung ihre Eier ablegen. Auch weil es dort so viele
Nährtiere für ihren Nachwuchs gibt, dorthin wandern
müssen. mh0318 Welche Folgen hat
denn der Verbau von Flüssen mit Wehren und
Wasserkraftwerken? rs0328 Die
unmittelbarste Folge ist, die Durchgängigkeit wird
behindert. Die Fische können nicht mehr wandern. Aber es hat
viele andere Folgen auch noch. Und zwar wird durch den Aufstau, den
jede Wasserkraftanlage, und nicht nur jede Wasserkraftanlage, wir
haben auch viele Wehre zum Hochwasserschutz, zur Entwässerung,
? Jeder Querverbau bewirkt einen Aufstau und dieser hat massive
Folgen auf die physikalischen
Eigenschaften. rs0404 Das heißt,
das Wasser erwärmt sich. Das Wasser kann dadurch weniger
Sauerstoff aufnehmen. Der Fluss verschlammt, die
Fließgeschwindigkeit wird herabgesetzt. Dadurch setzen sich
feine Bestandteile ab. Und nicht nur bayernweit, sondern in ganz
Deutschland ist diese Verschlammung der Gewässer - man nennt es
'Kolmation' - das größte Problem und dieses Problem kann
man eigentlich nicht anders als durch eine Wiederherstellung der
Durchgängigkeit beheben.
mh0435 Also könnte man das so
formulieren, dass Sie die Flüsse in dem Zustand wiederhaben
wollen, wie sie vor dem Eingreifen von Wasserbauern sich befunden
haben? rs0448 Na das wird wohl schwierig
sein, weil wir durch die Landnutzung viel zu nahe an die Flüsse
und Bäche herangegangen sind. Es wird sicher das eine oder
andere Querbauwerk aus Hochwasserschutzgründen erhalten
bleiben. Aber, es muss die Durchgängigkeit hergestellt werden,
und das herzustellen, kostet natürlich viel Geld. Und es
sollten auf keinen Fall neue Querbauwerke
hinzukommen. rs0516 Also es muss immer
erst der Rückbau geprüft werden, wenn es um ein
Querbauwerk geht, damit wir wieder mehr Durchgängigkeit
bekommen. mh0527 Was stellt das für
einen Fisch dar, so ein
Querbauwerk? rs0534 Also ein Fisch
wandert innerhalb seines Lebenszyklus in verschiedene Richtungen. Er
wird erstmal flussabwärts gedriftet; er ist irgendwo in der
Quellregion oder in einem kleinen Gewässer, schlüpft [da]
aus seinem Ei. Je größer er wird, in desto
größere Gewässer kommt er
auch. rs0655 Bei Wasserkraftanlagen ist
das Ganze lebensgefährlich. Weil er kann flußabwärts
nicht einfach darübergespült werden, sondern kommt in die
Turbine, sofern er den Rechen passieren kann. Es sind natürlich
Fischschutzanlagen vorgesehen. Allerdings haben die natürlich
einen gewissen Rechenabstand und kleinere Fische flutschen da
natürlich durch und kommen auf die Art und Weise in der Turbine
um oder werden dort verletzt. Und je öfter so ein Fisch eine
Turbine passiert, desto höher ist natürlich die
Wahrscheinlichkeit, dass er das nicht mehr
überlebt. mh0730 Gewöhnlich,
wenn man bei einem Kraftwerk vorbeikommt, sieht man ja die
Fischtreppen und denkt, "Fischtreppe ist ja wunderbar. Dann kann er
auf- und abwärts". Ist es denn
so? rs0742 Nein, das ist nicht
so. Fischtreppen sind größtenteils
Alibiveranstaltungen. Es gibt dazu auch Untersuchungen. Die
wenigsten dieser Fischtreppen funktionieren. Weil, die Fische sind
nicht alle gleich groß, gleich stark, nicht alle gleich
alt. Und solche Fischtreppen, gerade wenn man den klassischen
Betonschlitzpass vor Augen hat, die sind halt nur auf eine bestimmte
Größe von Fischen zugeschnitten. Kleinere Fische
können die nicht passieren, größere finden die
vielleicht nicht. Und ein ganz wichtiges Problem ist auch die
Wasserdotation, das heißt, wieviel Wasser gibt der
Turbinenbetreiber ab. [...] Aber die gesetzlichen Anforderungen die
hier in Bayern gelten, Die sind absolut nicht ausreichend. Dieser
Restwasserleitfaden orientiert sich eher an den ökonomischen
Interessen des Betreibers und nicht an den ökologischen, die da
notwendig wären.
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Rechtlicher Rahmen für die Wasserkraft
Doch diese Sendestunde befasst sich zumindest mit Kommerz, nicht auf Ätherwellen sondern dem unter den Wellen von Wasser, und zwar denen unserer Flüssen und Seen. In einem weiteren Teil meines Gespräches mit der Umweltpädagogin Renate Schwäricke vom Bund Naturschutz geht es um die rechtliche Situation. Im Jahr 2000 trat die Europäische Wasserrahmen-Richtlinie in Kraft, die dann für die Gesetzgebung der EU-Mitglieder maßgeblich war.
rs0943 Wir hatten große
Hoffnungen in die Wasser-Rahmenrichtlinie, die hat nämlich
ein verbindlich zu erreichendes Ziel, nämlich die
Gewässer bis 2015 in einen guten Zustand zu bringen. Es gibt
die Möglichkeit, hier zu verlängern; eigentlich wird nur
noch in dem Rahmen gedacht. Also bis 2027 maximal sollen die
Gewässer in einem guten Zustand sein. Ansonsten drohen
Strafzahlungen der EU; das heißt, dann betrifft es uns
alle. Von daher hatten wir große Hoffnungen, dass wirklich
was passiert. rs1015 Die
Wasserrahmenrichtlinie ist auch umgesetzt worden in deutsches
Recht. Das heißt, wir haben ein geändertes
Wasserhaushaltsgesetz und auch das bayerische Wassergesetz ist
angepasst worden. In Bezug auf die Wasserkraft sind es besonders
die Wasserhaushaltsgesetz-Paragrafen 33 bis 35. Danach ist die
Durchgängigkeit herzustellen; auch an bestehenden
Anlagen. Allerdings hapert es halt am Vollzug. Wir haben zwar
dieses Gesetz auf dem Papier und bei Neuanlagen muss es auch
berücksichtigt werden. Aber bei Altanlagen wird kein Druck
gemacht; wir haben eine beträchtliche Anzahl von Altanlagen,
die nicht durchgängig sind, wo wir auch nicht sehen, dass die
Betreiber was machen. Weil diese Schaffung von
Durchgängigkeit ist halt ein teurer
Spaß. mh1118 Zum anderen ist es
so, dass die Politik im letzten Jahr die Nutzung der Wasserkraft
ausweiten möchte. Das hat zur Konsequenz, dass Sie in einer
Arbeitsgruppe sind, die dieses Jahr eingerichtet wurde. An welchen
Vorschriften soll sich das
niederschlagen? rs1147 Letztendlich
geht es darum, eine Art Wasserkrafterlass zu erarbeiten. [...]
Diese Arbeitsgruppe ist gemischt zusammengesetzt. Das sind
fünf Vertreter der Naturschutzverbände.drin
[...] rs1225 Ansonsten sind alle
anderen Interessensvertreter dabei, das heißt, auch die
Vertreter der Wasserkraft, [...] mh1302
Welche Konsequenzen schätzen Sie, die solch ein Entwurf
hat? Wo greift er ein?rs1310 Ja er ist
wichtig für den Vollzug. Das heißt, wenn jemand eine
Wasserkraftanlage errichten will, dann muss er zu den
Behörden und die Behörden brauchen irgendeine Handhabe,
wie sie damit umgehen sollen. Und im Augenblick ist es so, dass
gerade auf dem Bereich der unteren Naturschutzbehörde man
wirklich auch die Biologie der Gewässer sieht und die
aktuellen Probleme, die Situation der Gewässer, wie sie jetzt
sind. Insofern wird versucht, ein bisschen restriktiv zu
sein. rs1341 Das widerspricht jetzt dem
politischen Willen und insofern ist unser Bedenken, dass mit
diesem Wasserkrafterlass die Situation weiter aufgeweicht werden
soll zugunsten einer Erzeugung regenerativer
Energie. mh1400 Jetzt könnte man
diese Anlagen aufspalten in alte-neue, kleine-große. Es gibt
vier Kombinationen. Alte große: Was fordern Sie
da? rs1411 Also die Schaffung von
Durchgängigkeit sollte wirklich an allen gemacht werden. Man
kann davon ausgehen, dass große Anlagen auch wirklich viel
Energie produzieren. Wir haben ja schon einen großen Anteil
an Wasserkraft in Bayern. Die kommt zu 92 Prozent aus den
großen Anlagen. Von 4250 Anlagen sind 250 große und
die produzieren 92 Prozent des Wasserkraftstroms. Das heißt,
hier wird tatsächlich CO2 eingespart und hier sind auch die
Gewinne entsprechend. Und die großen Anlagen sind seit der
letzten Novelle des EEG auch gefördert über das
EEG. Hier besteht tatsächlich die Möglichkeit, dass
tatsächlich eine Durchgängigkeit geschaffen wird. Weil
die großen Energieversorger über die Mittel
verfügen, da auch was zu machen; und die sind auch gewillt,
was zu machen. rs1514 Wir würden
zwar neue Anlagen auf jeden Fall ablehnen. Weil wir sagen 'Unsere
Gewässer sind zu 90 Prozent ausgebaut'. Wir können
einfach nicht mehr. Die Fischpopulationen stehen vor dem
Kollaps. Aber wir sagen, wenn die alten großen Anlagen, wenn
die durchgängig gemacht werden und wenn die vor allem im
Maschinenraum noch modernisiert werden, dann lässt sich die
Effizienz der Anlagen steigern. Also es kann mehr Energie
produziert werden aus diesen
Anlagen. rs01542 Und gleichzeitig kann
die Ökologie verbessert werden, indem man
Durchgängigkeit schafft. mh1547
Jetzt bleibt einer von den vier Fällen übrig: Das sind
die alten kleinen. rs1552 Die alten
kleinen sind so das Schlimmste für uns. An dem Zahlenspiel
hat man es ja schon gesehen: Es sind ungefähr 4000 Anlagen,
die sind klein. Was heißt 'klein'? Wir definieren klein mit
unter ein 1 Megawatt Leistung. Diese Anlagen produzieren nur etwa
8 Prozent des Wasserkraftstroms. Das ist etwas, was auch Probleme
macht. Das heißt, wir haben ganz viele Querbauwerke,
Unterbrechung der Durchgängigkeit, ganz viel Rückstau,
verschlammte Bereiche, durch diese Wasserkraftanlagen und nur eine
ganz geringe Energieproduktion und dadurch eine
vernachlässigbare CO2-Verminderung.
Bedenken gerade gegenüber Kleinwasserkraftwerken
mh1725 Ich wollte weiter zu den
Schachtkraftwerken. Wie beurteilen Sie dieses
Konzept? rs1740 Also für uns
scheint jetzt erstmal die Schachtkraftanlage von der Technologie
her eine Verbesserung zu sein. Ich sage 'scheint', weil, was
aussteht, sind Fischversuche mit der laufenden Turbine. Im
Augenblick wurden Fischversuche nur bei ausgeschalteter Turbine
gemacht, von daher sind die für uns überhaupt nicht
aussagekräftig. rs1802 Das
Schachtkraftwerk ist allerdings aus unserer Sicht gefährlich,
weil das Problem ist: Das Schachtkraftwerk ist nicht dafür
gemacht ist, an bestehenden Standorten quasi eine Verbesserung zu
schaffen, indem eine alte, fischschädliche Anlage ersetzt
wird, sondern das soll in bestehende Querverbauungen, also Wehre,
eingebaut werden, wo wir sagen, diese Wehre müssen
zurückgebaut werden. rs1832 Also
man schafft keine Durchgängigkeit, indem man irgendwo noch
eine Turbine dazu baut. Und, was noch sehr sehr gefährlich
ist: Das Schachtkraftwerk soll ja eine Art Kleinkraftwerk von der
Stange sein, billiger als die anderen, weil weniger Verbau im
Uferbereich erforderlich ist und es kann viel geringere
Gefälle nutzen. rs1858 Wir sind
davon ausgegangen, 90 Prozent unserer Gewässer sind
ausgebaut. Mit den herkömmlichen Wasserkraftanlagen kann man
nicht mehr herausholen, weil keine Strömung mehr da ist. Wir
haben so viel Staubereiche zwischendrin, dass sich der Einbau
einer herkömmlichen Anlage nicht mehr lohnt; durch dieses
Konzept können jetzt aber geringere Fallhöhen, geringere
Fließgeschwindigkeit, stark schwankende Abflüsse -
alles so Standorte die vorher nicht interessant waren für
Wasserkraft, die können jetzt auch noch genutzt
werden. mh2025 Am Forschungsinstitut
argumentiert man: Man muss die Querungsbauwerke wegen der
EU-Richtlinie beseitigen und weiß natürlich: Es kostet
was. Das Konzept ist, dass man mit dem Strom, den man kriegt, die
Baumaßnahmen bezahlen kann. Was sagen Sie
dazu? rs2113 Also Herr Rutschmann wirbt
auch damit, dass dadurch dass das fertige Betonteile sind, die in
einem Baukastensystem eingebaut werden, dass das viel billiger
ist. rs2125 Aber es muss trotzdem
Umgehungsgerinne gebaut werden, da kommt man eh nicht daran
vorbei. Und für uns ist ein gefahrloser Fischabstieg, das
heißt, ohne Turbine, einfach wichtiger, als wenn man jetzt
irgendwo eine Turbine reinbaut, dazu ein Umgehungsgerinne. Dann
kommen die zwar 'rauf, aber runter geraten sie dann doch wieder in
die Turbine. mh2147 Was würden Sie
sich vorstellen, wie es mit dem Konzept weitergeht? Soll man das
Wagnis eingehen, ein mittelgroßes oder großes Bauwerk
abzureißen und da diese Technik auszuprobieren. Weil sonst
würde das ja ein Schlussstrich sein für das Konzept.
rs2205 Nein, man könnte das an
bestehende Standorte einbauen. Das heißt, auch diese
Pilotanlagen, das fordern wir, sollten nicht an bestehenden
Querbauwerken eingebaut werden. Das ist nämlich eine ziemlich
gefährliche Forderung: Kleines Zahlenbeispiel: Wir haben in
Bayern an die 60000 Querbauwerke. Die Regierung hat
Bestandsaufnahme gemacht von den Gewässern, [...] dann
hätten wir noch ein Potential von 56000
Wasserkraftanlagen. Also das ist einfach gefährlich zu sagen,
wir bauen die an bestehende Querbauwerke. Da kann so viel Schaden
genommen werden dass auch die letzten zehn Prozent
Fließgewässer-Fischarten, die wir noch haben; denen der
Garaus gemacht wird.
Renate Schwäricke vom Bund Naturschutz erwartet in Bezug auf die Gewässer nichts Gutes vom aktuellen energiepolitischen Kurs der Staatsregierung.
Promo Förderverein: Sendeloch
Paul Hardcastle - Desire
Technische Merkmale eines Schachtkraftwerks
Im letzten Teil dieser Sendung kommt der Leiter des Forschungsbereichs Wasserkraft der TU München, Albert Sepp zu Wort. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie fundiert sind die Vorbehalte, wie berechtigt ist Kritik gegen neue kleine Wasserkraftwerke, speziell dem von ihm entwickelten Typ des Schachtkraftwerks. Wie anfangs gehört, wäre bei Großweil im Landkreis Garmisch-Partenkirchen ein geplanter Standort. Bei konventionellen Kraftwerken wird das zur Stromerzeugung gebrauchte Wasser in einen Seitenkanal abgeführt, vom Fluss bleibt Umweltschützern zufolge oft nur ein klägliches Rinnsal. Einen abgezweigten Kanal gibt es zwar beim Schachtkraftwerk nicht, denn es sitzt selbst unterirdisch vor einer Stufe im Flusslauf. Dennoch die Frage an Albert Sepp: Wieviel Loisachwasser soll die beiden Turbine passieren, was wird den Wasserlebewesen zugestanden, die seitlich des Kraftwerks nass flussaufwärts wollen?
as0449 Das Kraftwerk ist ausgelegt auf
einen bestimmten Abfluss, der sogenannte Ausbauabfluss und der
beträgt bei diesem Kraftwerk 22 Kubikmeter, der mittlere
Abfluss der Loisach liegt etwa bei 23 Kubikmeter. Zukünftig
bei einem Kraftwerksbetrieb wird es so sein, dass es einen
Sockelabfluss gibt, der grundsätzlich eingehalten werden
muss. Das heißt, der Abfluss für die
Fischaufstiegsanlage, der konstante Abfluss für die
Mühlbachableitung, der konstante Abfluss über den
Schlauch für die Bewässerung der Rampe und der Abfluss
über den linksseitigen Fischaufstieg, der wird
grundsätzlich abgegeben.
Das ist der Sockelabfluss. as0538 Erst
der weitere Abfluss darf energetisch genutzt werden und das ist
auch diese ökologische Komponente bei diesem Kraftwerkstyp,
dass die Ökologie sozusagen Vorfahrt hat vor der
Energieerzeugung. mh0554 Wieviele
Kubikmeter ist denn dieser Sockelabfluß? Pro Sekunde misst
man das ja. as0058 [...] Für den
Mühlbach haben wir konstant 300 Liter pro Sekunde. Die
Fischabstiege 0,6 bzw. 0,1 Kubikmeter pro Sekunde, das
Schlauchwehr einen Kubikmeter pro Sekunde und der Fischabstieg in
der Größenordnung von 0,5 bis 0,8 Kubikmeter pro
Sekunde. mh0627 Das Herzstück des
Kraftwerks ist eine Turbine. Dive-Turbine. Die hat einen
Umweltpreis gekriegt. Jetzt wird kritisiert, man hätte ihr
einen Umweltpreis verliehen, aber die Turbinenmechanik, wie die
Fische das vertragen, sei nicht relevant gewesen für das
ganze. as0657 Zu dem Umweltpreis kann
ich mich nicht äußern. Es kommt auch nicht diese
Dive-Turbine rein, sondern es kommt eine Tauchturbine rein, die
eine horizontale Anordnung hat. So ist es vorgesehen. Aber
letztendlich entscheidet das der Bauherr, die Gemeindewerke
Garmisch-Partenkirchen. [...] as0737
Der Fischschutz in der Abwärtsbewegung besteht ja in dem
Feinrechen. Das heißt, der Rechenabstand ist sehr klein,
kleiner gleich 2 Zentimeter, Es liegt eine sehr geringe
Fließgeschwindigkeit in der Rechenebene vor, das
heißt, die Fische werden nicht an den Rechen gedrückt
und es ist ja diese Abstiegsvorrichtung, das heißt, es gibt
einen hydraulischen Verbindungsweg zwischen Ober- und Unterwasser
und zwar direkt im
Einlaufbereich. mh0912 Also sie sagen,
beim inneren Bau so einer Turbine ist für die Fische
jetzt nichts mehr zu
berücksichtigen. as0921 Die Fische
werden nicht in die Turbine eingesogen, sondern sie können
über die Verschlussebene, da sind Abstiegsfenster eingebaut,
ins Unterwasser absteigen. mh0932 Wie
ist das mit ganz kleinen. Weiß man, dass die das
vertragen? as0939 Die kleinen Fische,
die durch den Rechen kommen, das mag eine Möglichkeit sein,
dass die Kleinstfische durch den Rechen kommen. Da gibt es noch
keine Untersuchungen, auch keine Erfahrungswerte. Aber wenn sie
diesen Weg eingehen, kann kommen sie in die Schachtkammer und
würden in dem Fall möglicherweise über den
Mühlbach absteigen können, der mit einem Rohr verbunden
ist, der auch eine kontrollierte Ablaufleitung hat. Unter
Umständen gehen sie dann auch über die Turbine ins
Unterwasser ab. as1022 Was dann
passiert in dem Fall, das kann man nicht genau sagen, da gibt es
natürlich gewisse Erfahrungswerte, wie die
Schädigungsrate bei diesen Kleinstturbinen ist, das ist
abhängig von der Drehzahl, vom Laufraddurchmesser, von der
Laufradschaufel [...]
mh1142 Was hat denn die für eine
Umdrehungszahl? as1146 Das hängt
ab vom Hersteller. Wir haben jetzt da zwei Hersteller die
ähnlich Typen entwickeln die vollständig unter Wasser
angeordnet werden können inklusive Generator, die
drehzahlgeregelt sind. Da muss man jetzt wirklich beim Hersteller
diese Eigenschaften abfragen, auf jeden Fall sind die
drehzahlgeregelt. Wenn der Abfluss größer wird, wird
auch die Drehzahl vergrößert
werden. mh1215 Ja in welchem Bereich
liegt die denn? as1225 Ja es gibt so
viele Daten, ich habe jetzt nicht alle im Kopf, tut mir
leid.
Paul Hardcastle - Desire
Audiodatei unter
http://www.hiereth.de/multimedia/1206wa/120627-22.ogg
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Untersuchungen zu den Auswirkungen auf die Fischwelt
Oberhalb des Walchensees unterhält die TU München ein Institut das sich Fragen des Wasserbaus und der Wasserkraftsnutzung widmet. Dort habe ich, Markus Hiereth, mit Albert Sepp gesprochen. Er hatte 2008 die Idee für ein kompaktes, kleines Wasserkraftwerk. Hier wurden Berechnungen durchgeführt, Modelle gebaut und erprobt. Entscheidend für das Nebeneinander von Stromerzeugung und Leben im Wasser ist die Komponente, die beides auseinanderhält, der Rechen; etwa, wie er gegenüber der Strömung ausgerichtet ist und schnell diese ist. Kraftwerksentwickler Albert Sepp dazu, welche Besonderheiten sein Schachtwasserkraftwerk hier aufweist.
as1643 Die relevanten Größen
sind die Fläche und die Überdeckung, das heißt,
das ist der Wasserkörper, der über dem Rechen
ist. as1707 Wir müssen und
können dieses Einlaufbauwerk so dimensionieren, dass wir eine
homogene Geschwindigkeitsverteilung in der Rechenebene
erzielen. Also die Fische müssen sich frei über dem
Rechen bewegen können, sie müssen von dieser
Einlauffläche wegschwimmen können, damit sie auch, wenn
sie absteigen wollen, diesen Abwanderungskorridor, die
Abstiegsfenster ins Unterwasser finden. Diese Abstiegsfenster sind
unmittelbar am Ende der Einlauffläche in der Verschlussebene
eingebracht. mh1759 Was treten da
für Wasser-Geschwindigkeiten
auf? as1801 Die
Fließgeschwindigkeiten sind maximal bei 0,4 Meter pro
Sekunde. mh1814 Das ist schneller als
der Fisch schwimmen kann. as1823 Nein,
der Fisch kann durchaus diese Geschwindigkeiten aus eigener Kraft
überwinden. Die Fließgeschwindigkeit in der Loisach ist
im Mittel deutlich höher, liegt bei einskommennochwas Meter
pro Sekunde, da gibt es größere und kleinere
Geschwindigkeitsfelder. Die Fische, die in der Loisach vorhanden
sind, sind durchaus in der Lage, deutlich größere
Fließgeschwindigkeiten zu überwinden. Wobei man
natürlich immer berücksichtigen muss, dass diese
Kräfte nur kurzzeitig eingesetzt werden können, die
Fische brauchen auch Bereiche, wo sie sich erholen
können. mh3300 Bei den Versuchen,
die Sie hier in Obernach mit Fischen angestellt haben, da ging es
darum: Werden die Fische in den Rechen reingesogen. Das hängt
natürlich von dem wirklichen Durchfluss ab. Was haben Sie
für einen Durchfluss gehabt, in dem Versuch war ja unten
keine laufende Turbine wie in dem
Betrieb. as3344 Also der Durchfluss war
naturähnlich. Wir haben also Geschwindigkeiten gehabt
zwischen 0,3 und 0,4 Meter pro Sekunde. Der Durchfluss wurde als
Grundablass gefahren. Wir haben eine Öffnung in der
Schachtwand gehabt, unten, die den Durchfluss an das Unterwasser
weitergegeben hat. Damit wir ähnliche hydraulische
Bedingungen haben im Einlaufbereich. Das ist natürlich die
Voraussetzung, wenn man einen Fischabstiegsversuch macht. Wir
haben auch die Verschlussebene mit diesen Abstiegsfenstern
ausgestattet, mit der geringfügigen Überströmung
über den Verschluss, die absolut natürlich den
hydraulischen Zustand in der Natur
darstellt. as3409 Wir haben bedauert,
dass keine Turbine eingesetzt war. Das war natürlich unser
erster Ansatz, aber diese Turbine von der Firma Feller ist ja
leider nicht geliefert worden, das war das
Problem. mh3430 Das heißt, Sie
haben in das ablaufende System eine Barriere eingebaut, die den
Durchfluss in der Größenordnung drosselt, wie man es
dann bei Turbine hätte. mh1907 Wie
weit sind die Stäbe auseinander; wie dick muss der Fisch
sein, dass er auf keinen Fall
durchkommt? as1913 Also zwei Zentimeter
ist der vorgesehene Stababstand. mh1915
Könnte man ihn kleiner machen oder hat man dann schon einen
zu großen
Fließwiderstand? as1920 Der
Fließwiderstand ist nicht allzu groß, weil wir ja
kleine Fließgeschwindigkeiten haben mit 0,4 Meter pro
Sekunde. Zum Vergleich: Konventionelle Wasserkraftanlagen haben 1
m/s und der Fließwiderstand nimmt ja im Quadrat der
Geschwindigkeit zu, deshalb sind wir hier bei sehr kleinen
Verlusten. Man könnte natürlich den Abstand noch
verkleinern, aber irgendwo ist eine Grenze erreicht. Weil man muss
auch Rechenreinigungsvorgänge durchführen und man
weiß aus anderen Techniken, beispielsweise bei der
Abwasserreinigung, dass dieser Aufwand für die
Rechenreinigung sehr stark abhängig wird, irgendwann ist
Grenze gesetzt. mh2009 Welche
Fischarten haben Sie berücksichtigt? Meinen Sie, dass das
ausreichend ist? as2014 Wir haben drei
Fischarten untersucht, das waren Aitel, Barben und Forellen in
verschiedenen Größen von 12 bis 65 Zentimeter und wir
haben das Ganze von Fachleuten überprüfen lassen und
haben das den Fischereifachleuten vorgestellt und die Aussagen zu
unseren Versuchsergebnissen waren da sehr
positiv. as2048 Die haben also
festgestellt, dass dieses Abstiegskonzept wirklich
funktionsfähig ist. Man muss natürlich
standortabhängig immer diese Dimensionierung vornehmen. Im
Flachland, wenn die Fische sich in Gewässern aufhalten, die
kleinere Fließgeschwindigkeiten haben, dann muss man unter
Umständen die Einlauffläche anders
dimensionieren. mh2112 Sie meinen, wenn
man jetzt Fische hat, die nicht auf das Tempo getrimmt sind wie
bei einem Gebirgsfluss? as2121 Genau,
dann muss man das alles von der Dimensionierung her anpassen und
es ist auch bei uns vorgesehen, dass wir andere Fischarten
untersuchen und dieses Forschungsvorhaben wird ja auch
weitergeführt und wird auch, so ist es geplant, an diesem
Standort, wenn er ausgeführt ist, da gibt es also
wissenschaftliche Begleituntersuchungen, die auch diesen
Fischschutz beinhalten. mh2143 Also in
Großweil würde man noch untersuchen, "Was macht die
Elritze, was macht die Groppe"? as2147
Was machen die Fische, die hier vorkommen? Wir werden da auch
Unterwasserkameras einsetzen im Bereich des Einlaufes; wollen das
natürlich dokumentieren. Es ist eine Erstanlage und da gehen
wir auch davon aus, dass wir entsprechende Erfahrungen sammeln
werden. Nicht nur vom Fischschutz, sondern auch von den
Betriebstechniken. Von der Rechenreinigung,
Geschiebeabführung, Hochwasserabführung, und, und,
und. Diese Dinge sind natürlich zu untersuchen und dann
letztendlich bei den anderen Anlagen die Ergebnisse zu
übernehmen oder zu optimieren.
mh2227 Die Fischspezialisten bringen
vor, dass man bei verschiedenen Wassertemperaturen Untersuchungen
bräuchte, bei verschiedenen Jahreszeiten. Meinen Sie, das
abgedeckt zu haben? as2242 Ich kann die
Frage nach der Wassertemperatur nicht ganz nachvollziehen, weil
wir ändern mit diesem Kraftwerkssystem nicht die bestehenden
Verhältnisse; wir verändern nicht die Wassertemperatur
[...] mh2315 Das mit der Temperatur
kann ich nachvollziehen, weil die wechselwarm sind. Ich weiß
nur nicht, ob die zwei, drei Grad viel bezüglich der
Vitalität ausmachen. Ob sie vielleicht nah am Gefrierpunkt
passiv sind und wirklich gedrückt werden von den
Strömungen. as2336 Das kann ich
nicht ganz nachvollziehen, weil auch bei niedrigen Temperaturen in
der Natur die Fließgeschwindigkeiten heterogen sind. Die
Fische müssen sich ja auch bei kalten Jahreszeiten da
anpassen. Da ändert auch das Kraftwerk nichts an dem
Verhalten der Fische. as2402 Es gibt
bestimmte Jahreszeiten, wo die Abwärtswanderung
verstärkt ist. Es ist ja bekannt, dass das bei Aalen im
Spätherbst beginnt, bei anderen Fischen gibt es andere
Zeiträume. as2429 Wir ändern
mit diesem System nichts, wenn wir mit einem Kraftwerkeinlauf -
gerade im Winter sind ja die Fließgeschwindigkeiten nochmal
erheblich kleiner - also wenn wir statt 22 Kubikmeter nur
fünf oder sechs Kubikmeter energetisch nutzen können,
hat man ja viel kleinere Abflüsse, dann sind die
Fließgeschwindigkeiten nur noch ein Bruchteil, sind
vielleicht bei 0,1 oder 0,2 m/s. as2455
Also hier ist ja auch eine gewisse Dynamik vorhanden. Was wir
haben, sind maximale Geschwindigkeiten beim Ausbauabfluss.
Wirtschaftlichkeit und Bezuschussung der Wasserkraft
mh2505 Jetzt zur Wirtschaftlichkeit.
Es ist zwar jetzt ein Pilotprojekt. zwar ein Pilotprojekt. Aber es
gibt durchaus schon Kritik, dass über das EEG die Wasserkraft
übergefördert wird. Welche Rolle spielt der
Kilowattstundenpreis, der jetzt bei 13 Cent pro Kilowattstunde
liegt, für die Technologie, die Sie einführen
möchten? as2535 Ja diese
Einspeisevergütung, die diktiert letztendlich die
Amortisationszeit einer Anlage. Man muss hier vielleicht
unterscheiden. Im Vergleich zu anderen regenerativen
Energietechniken hat die Wasserkraft eine sehr lange
Lebensdauer. Das Walchenseekraftwerk ist seit zirka 90 Jahren in
Betrieb und ist nach wie vor mit voller
Leistungsfähigkeit. Wenn man vergleicht: Windkraftanlagen
haben eine Lebensdauer auf Land von zirka 20 Jahren,
Offshore-Anlagen etwa zehn Jahre. Fotovoltaikanlagen 20 bis 30
Jahre, dann haben sie einen erheblichen Leistungseinbruch. Bei der
Wasserkraft ist das eine andere
Situation. as2622 Deshalb ist
Wasserkraft eine Investition für künftige Generationen,
das muss man deutlich sagen. Wasserkraftanlagen sind auch
teuer. Also die Kosten pro Leistungseinheit sind relativ
hoch. as2635 Die Förderung der
Kleinwasserkraft wird nur dann gewährleistet, wenn man
wirklich diese ökologische Einbindung erfüllen kann, das
heißt mittlerweile, was im Wasserhaushaltsgesetz auch
vorgegeben ist, das ist dieser Fischschutz, dieser
Populationsschutz, der muss gewährleistet werden und andere
Dinge mehr. Also sie müssen bei einer heutigen
Wasserkraftnutzung auch den guten ökologischen Zustand
erreichen. Sie dürfen keine ökologiche Verschlechterung
durchführen. Bei Standorten, die keinen guten Zustand haben,
einen erreichen. as2722 Das heißt
also, wenn Sie Wasserkraft nutzen, müssen sie
ökologische Verbesserungen durchführen. Im Gegensatz zu
den anderen Energietechniken, denkt man nur einmal an
nachwachsenden Rohstoffe: Monokulturen, Pestizide und sonstige
negative Umwelteinflüsse, die sind erlaubt. Bei der Windkraft
gibt es ja auch gewisse Nachteile. Die Wasserkraft hat hier
tatsächlich schwere Hürden zu
erfüllen. as2749 Und deshalb ist
es nach meiner Meinung nicht ganz nachvollziehbar, dass man die
Kritik insbesondere bei den neuen Wasserkraftanlagen ansetzt. Weil
diese neuen Anlagen müssen diese Forderungen
erfüllen. Man kann natürlich alte Wasserkraftanlagen
kritisieren, die für fünfzig oder hundert Jahren gebaut
worden sind. Damals hatte man andere Ansätze, es gab im
Prinzip überhaupt keine ökologischen Komponenten.
mh3230 Sie sind Erfinder eigentlich
dieses Konzepts. In einem Ihrer Informationsblätter steht
dann drin, dass es eine Patentallianz gibt. Wie kommt es dazu,
wenn man etwas erfunden hat? as3307 Es
ist die bayerische Patentallianz, die Sie meinen. Also wenn man
eine Erfindung hat, wird das über die Patentallianz
angemeldet. Patentinhaber ist in dem Fall die TU
München.
Sendungsabschluss
Auf Papier haben Albert Sepp, Techniker und Studierende der TU München ihr Schachtwasserkraftwerk in die Welt gesetzt. Im Maßstab 1:5 können sie auch das blaugrüngraue Obernach-Wasser durchrauschen lassen. Die Entscheidung über eine erste Errichtung außerhalb der Versuchsanstalt steht an. Wo und wie Technik und Natur zusammenkommen, ist eine offene und meines Erachtens spannende Frage. Als Redakteur am Mikrofon verabschiedet sich Markus Hiereth.
Ergänzungen zur Sendung von 2012
1
Das Kraftwerk der Gemeinde Großweil ging im Februar 2020 in Betrieb (siehe auch Presseerklärung der Technischen Universität München).
Die Aufnahme entstand im Mai 2021. Zu sehen ist rechts die Fischtreppe, anschließend der Bereich, hinter dem die beiden Turbinen arbeiten. Links schließt sich ein mehrteiliges Klappenwehr an. Im Hintergrund die aufgeständerte Autobahn München-Garmisch.