Radio Lora, München
Markus Hiereth
© Markus Hiereth
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1201en21
30.01.2012

KOHLEFASERN-VERBUNDWERKSTOFFE
Eigenschaften und Einsatzgebiete

Anmoderation

Einen Knacks hat es getan und noch in 200 Metern Entfernung lagen die Trümmer eines Rotorblattes um ein Windrad im Landkreis Haßberge [1]. Zwei Dinge waren zusammengekommen: Heftiger Sturm und wahrscheinlich auch ermüdetes Material. Die Anlage war gut zehn Jahre alt. Nun ist derlei kein Drama, aber robust und haltbar sollten Windräder schon sein; gerade die auf See, deren Windschaufeln sechzig Meter und mehr messen sollen. Ein Team der Technischen Universität München will dazu beitragen und spinnt. Nicht im Oberstübchen, sondern in einer mit Maschinerie vollgepropften Halle auf dem Garchinger Forschungsgelände. Einer Einladung dorthin folgte Markus Hiereth.


Audiodatei unter
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9 MByte / 5 min 30 s

Beitrag

Auffälligstes Teil in der Halle ist ein Ring mit mehreren Metern Durchmesser. Über hundert Spindeln belegen seine Innenseite, von ihnen rollen schwarze und weiße Fasern ab. In der Mitte laufen sie zusammen und umhüllen ein Teil, das ein Roboterarm hin- und herbewegt.

kd

Dieser Roboter hat ein Kernwerkzeug in der Hand. Der Schaumkörper wird im Flechtpunkt bewegt. Das ist der Punkt, wo alle Fasern zusammenkommen, die auf der Flechtmaschine auf den Klöppeln angeordnet sind. So entsteht dieses textile Halbzeug.

Das Bauteil, von dem Lehrstuhlinhaber Klaus Drechsler spricht, erinnert an einen Knüppel. Würde der Kern herausgezogen, bliebe nur einer labberiger Strumpf. Also tränkt man es nach Flechten in Epoxidharz. Nach dessen Aushärten hat man "Halbzeug" für die industrielle Weiterverarbeitung, welches zumindest mechanisch schon die gewünschten Eigenschaften aufweist. Zu ihnen gehört Steifigkeit: Eben deswegen interessiert sich General Electric für die TU-Carbonfaser-Forschung und finanziert sie mit, denn der Konzern möchte bei den Rotorblättern von Windkraftanlagen auf dieses Material zurückgreifen. Da diese Anlagen größer und größer werden, bekommen die Konstrukteure mit den bisher verwendeten Glasfasern ein Problem.

kd

Das geht nur bis zu einer Grenze, weil diese Glasfasern nicht steif genug sind. Mit den Carbon-Fasern die sie hier sehen, werden die Blätter wesentlich steifer. Damit hat man die Möglichkeit Blätter bis in die Region zu sechzig, siebzig Metern überhaupt zu realisieren.

Man kalkuliert, dass sich der höhere Preis von Carbonfasern kompensieren lässt. Carlos Härtel von General Electric führt an, dass der neue Werkstoff die Konstruktion der Anlagen vereinfachen wird.

ch

Natürlich haben Sie beim Material zunächst einmal Mehrkosten. Und die müssen sich rechnen durch Ersparnisse, die sie im Rest des Systems haben. Wenn sie das Getriebe, dem Generator, die Lager, die Turmstruktur bis ins Fundament kleiner und leichter bauen können, haben sie Ersparnisse, die ihnen die Folgekosten beim Übergang auf eine teureres Material kompensieren helfen.

Zudem setzt General Electric auf automatisierte Fertigung. Der Roboter, der eine Windschaufel in die Flechtmaschine hält, wird auf einem Schlitten über 40 Meter hin- und herbewegt.

ch

Wenn sie sich heute anschauen, wie heute überhaupt bei großen Windturbinensystemen Faserverbundteile zusammengesetzt werden, dann werden sie dort sehr viel Handarbeit finden. Bei Handarbeit haben sie immer das Problem, erstens brauchen sie qualifizierte Mitarbeiter. Wenn sie deutlich mehr brauchen, weil der Bedarf steigt, sind die nicht notwendigerweise verfügbar. Wenn sie es automatisiert machen, können sie eine weitere Produktionslinie aufbauen. Der zweite Punkt ist die höhere Qualität. Nichts gegen Menschen in der Fabrik. Aber wenn sie sehr sensible Werkstoffe haben wie CFK, dann sind unter Umständen kleine Fehler für das Bauteil sehr sehr nachteilig.

Entsprechend erklärt auch Felix Michel die Eigenwilligkeit einer kleineren Anlage, die er als "Fiber Patch Preforming Maschine" bezeichnet. Sie rollt ein ein paar Zentimeter breites, schwarzes Carbonband von einer Spule ab und schneidet daumenlange Schnippel ab. Doch, weil der Roboter sie nicht aufnimmt, häufen sie sich am Ende unter dem Förderband auf. Wir Zuschauer erfahren, diese Schnippel erfüllten eine Vorgabe nicht. Die Anlage fertigt also und kontrolliert zugleich die Qualität des Materials.

Einwandfreie Schnippel hingegen nimmt der Greifarm und legt sie auf einer Fläche an gewissen Positionen und in bestimmten Richtungen ab. Langsam entsteht ein Lappen, an einer Seite schmal, an der anderen breit; mit der Kontur eines großen Feigenblatts. "Preforms" nennt Felix Michel diese Dinger und verrät, was demjenigen vorschwebte, der das Programm schrieb, welchem der Roboter folgt.

fm

Das ist das Muster für einen Fahrradsattel. Das wird in eine Form eingelegt mit Vakuum angepresst an die Kontur und dann wird das Harz durchgezogen.

Beim Pressen werden die Außenkanten nach unten gestülpt; wo der Lappen breit ist formt die Presse zwei Kuppen, auf die der Radler später sein Sitzfleisch drückt. Der fertige Sattel, den Felix Michel seinen Besucher reicht, schimmert edel und ist mit rund hundert Gramm verblüffend leicht. Er ist wohl als Studienobjekt anzusehen. Denn viel Geld zur Weiterentwicklung der Carbonfaser-Technologie spendiert mittlerweile eine Sparte, bei der Millionenzahlen vom Band gehen. Um Gewicht, und beim Fahren entsprechend Energie zu sparen, schwenken die Autohersteller auf das Material ein. Angefangen wird bei den sogenannten "Crash-Elementen", dies sind Karosseriepartien, die bei Unfällen den Aufprall schlucken sollen. Klaus Drechsler führt entsprechende Daten an.

kd

Also gerade für sicherheitsrelevante Bauteile interessant, weil wir mit diesen Faserverbundwerkstoffe Energieabsorptionsvermögen von über 100 kJ pro kg erreichen. Zum Vergleich Aluminium und Stahl 20 bis 25 kJ pro kg. man kennt es ja von der Formel 1, die ja auch durch die Verbundwerkstoffe viel sicherer geworden ist.

Abmoderation

Carbonfaser-Verbundwerkstoffe - leicht auf der Waage doch hart im Nehmen und deswegen wohl in der Medizintechnik, bei Sportgeräten, für Windkraftanlagen und Autos künftig mehr und mehr gefragt. So jedenfalls die Überzeugung am Lehrstuhl für Carbonfaser-Verbundwerkstoffe der TU München in Garching. Zu schön wäre es, hätte man dort schon neue Flügel für das lädierte Windrad parat.

Anmerkungen und Verweise

1
Meldung des Bayerischen Rundfunks auf http://www.br.de/franken/inhalt/aktuelles-aus-franken/windrad-beschaedigt100.html (nicht mehr online verfügbar).