Der Ludwig-Maximilians-Universität gefällt es, "exzellent", zu sein. Dazu gehört außergewöhnliche Forschung, auch an Orten, die kaum einer kennt, da sie abseits liegen: Nicht in der Stadt, sondern im Dachauer Moos. Nicht an der S-Bahn Oberschleißheim, aber eingekeilt zwischen Autobahn 92 und Bundesstraße 471. Ohne es sich lohnte, diesen Ort mit seinen paar Höfen auszuschildern. Badersfeld heißt er.
Vor dreizehn Jahren, am 23. Dezember 1998, allerdings, kam genau hier Uschi, die erste deutsche Klonkuh zur Welt. Und die Zeit blieb nicht stehen: Das Klonen oder Veränderungen des Erbgutes zählen zum Standard-Repertoire auf dem Moorversuchsgut Badersfeld.
Am vergangenen Freitag organisierte der Kreisverband München-Land der Ökologisch-Demokratischen Partei ödp eine Besichtigung. Markus Hiereth war dabei.
Fast schon im Dunkeln lag der Hof um fünf Uhr abends. Aus allen Fenstern eines Bauernhauses links scheint Neonröhrenlicht, unter einem lang gezogenen Dach rechts zeichnen sich Stangen ab. Zwischen ihnen streckt ein Dutzend Kühe den Hals durch, wiegt den Kopf und muht ab und zu. Anlass für den Besuch gaben Pläne der Universität, mit welchen sich Bernd Knatz als Unterschleißheimer Ratsmitglied der ödp zu befassen hatte: Durch Abriss und Neubau soll hier Platz für tausend Schweine geschaffen werden, Schweine, die der Forschung dienen sollen. So lud Bernd Knatz den Lehrstuhlinhaber Eckhard Wolf im Mai nach Unterschleißheim ein, wo er in einem Vortrag die Ziele seiner Einrichtung vorstellte.
Der Ausgangspunkt war der Vortrag, den der Herr Professor Wolf bei uns in Unterschleißheim gehalten hat, weil wir gehört haben, dass da hier ausgebaut werden soll für Xenotransplantation und die ödp ist da durchaus skeptisch zu diesem Thema, darum wollten wir aus ersten Hand darüber Informationen haben [...] und Professor Wolf hat uns angeboten, dieses Versuchsgut vor Ort anzuschauen.
Gut dreißig Leute kamen zusammen. Was erwarteten sie sich?
Mich interessiert das Thema einfach, was da gemacht wird.
Was haben Sie für eine Vorstellung, was hier passiert.
Dass hier Tiere gezüchtet werden, speziell für die Wissenschaft.
Ist ja ein Nutzen im Hintergrund. Wie denken Sie über die Ziele?
Einerseits finde ich schon gut, wenn für medizinische Zwecke, Versuche gemacht werden, um bestimmte Krankheiten heilen zu können. Auf der anderen Seite: Wenn da gentechnische Veränderungen stattfinden, habe ich schon ein bisschen ein mulmiges Gefühl.
Ich habe kein spezielles Interesse. Aber ich denke, es ist gut, wenn man was darüber weiß.
Und der Begriff Xenotransplantation. Einpflanzen von Tierorganen in kranke Menschen.
Ja, das lehne ich schon ab. Ich habe keine feste Meinung dazu, aber mir sträubt sich alles dabei.
Mit einer sehr kritischen Haltung, weil ich es unverantwortlich finde, dass wir uns erlauben, Tiere zu verwenden um Menschenleben zu verlängern. Ich habe keine Probleme damit, dass ein Mensch Fleisch isst, wenn die Tiere ordentlich gehalten werden. Ich habe aber Probleme, wenn jetzt Tiere in der Erbsubstanz verändert werden, eventuell sogar geklont werden, um ein Menschenleben zu verlängern.
Die Reizwörter sind gefallen: Genmanipulation, Klonierung - und zwar auch, um am Ende Organe oder Gewebe von Tieren in Menschen zu verpflanzen. Immerhin empfängt Eckhard Wolf seine Besucher nicht, wie man es von einem Nachfolger Frankensteins erwarten würde. Nur "der böse Wolf" zu sein, das gibt der Tiermediziner scherzhaft zu.
Das erste: Wir machen einen Rundgang hier draußen, so lange wir noch was sehen, dann würde ich ihnen gern unsere Labors zeigen. Da würde ich Sie bitten, dass wir uns die Füße sauber machen, dass wir nicht so viel Dreck reintragen und dann gehen wir noch hoch in unseren kleinen Seminarraum und dann erzähle ich Ihnen ein bisschen 'was zum theoretischen Hintergrund.
Zuerst geht es vorbei an den Rindern. Ihr gelegentlicher Job ist die Leihmutterschaft. Sie bekommen eine in-vitro befruchtete Eizelle einer vielleicht schon geschlachteten Kuh eingesetzt. Mit Zellen wird auch hantiert, um effizient viele Exemplare fast ausgestorbener Rassen zu erzeugen, etwa dem Werdenfelser Rind. Effizient, das heißt, ohne dass sich ein Bulle an Kühen abzumühen hat. Nun diagonal über den Hof zu einem niedrigen Ziegelbau mit einer Reihe nass beschlagener Fenster.
da sind die Sauen und die kleinsten drin, dann kommt das Holzgebäude, ..
Ah, die ganz kleinen da, im Licht.
Unter einer Wärmelampe schlummern drei Ferkel, friedlich und rosa. Dabei sind sie, um eine Begrifflichkeit des Lehrstuhls für molekulare Tierzucht und Biotechnologie aufzunehmen, "lebende Modelle". Einzelne ihrer mit dem Zuckerstoffwechsel verbundenen Gene sind verändert oder entfernt. An ihnen will man die Entstehung des Diabetes nachvollziehen. Auch neue Behandlungen werden ausprobiert.
Ich glaube, das muss man einfach akzeptieren. Es gibt Leute, die behaupten, das braucht man nicht. Aber man braucht es. Ich möchte an meine Kinder nichts lassen, was vorher nicht einmal an einem Tier probiert worden ist, und an mich selber eigentlich auch nicht.
Aber wenn ich so ein Tiermodell habe, da muss ich darauf achten, dass wirklich es in den Eigenschaften, die ein Medikament beeinflusst, wirklich der Zielperson, die dieses Medikament verwenden soll, so ähnlich wie möglich ist. Und über die Techniken der genetischen Veränderungen, die wir hier in den letzten Jahren entwickelt haben, ist es eben möglich, die Ursachen von menschlichen Erkrankungen im Schwein ganz detailgetreu nachzubauen. Ich glaube, das muss für jedermann verständlich sein, dass so ein Modell ein viel besseres Modell ist als wenn ich jetzt irgendein Schwein verwende, das die Krankheit gar nicht hat.
Aber muss Zuckerkrankheit sein? Eckhard Wolf weist darauf hin, dass mit ihr gerechnet wird:
Ich habe gestern neueste Daten gesehen, dass wir bie zum Jahr 2030 weltweit mit 550 Millionen Diabetikern rechnen müssen. Das ist etwas, wo ganz enormer Forschungsbedarf ist, weil die Patienten zumindest nach einer Zeit schwer leiden an der Erkrankung und weil es kein Gesundheitssystem gibt, das diese Belastung letztlich tragen kann.
Das ist schon seltsam. Gerade hat die Weltbevölkerung sieben Milliarden überschritten; die wenigsten können sich auf die Mahlzeit von morgen verlassen, schon soll auf eines von dreizehn Kindern die Zuckerkrankheit warten? Der Anstieg werde sich vollziehen, wo der westliche Lebensstil ankommt: In China, Indien und dem Nahen Osten. Gestützt wird diese Ansicht im Tierversuch.
Wenn zum Beispiel Mäusemütter während der Schwangerschaft überernährt werden, dann treten bei den Nachkommen mit einer erhöhten Häufigkeit Herz-Kreislauferkrankungen und auch Diabetes auf.
Dann dürften wir, die in den Kriegsjahren geboren wurden, gar keine Probleme haben. In den Kriegsjahren war ja nichts da. Ja schaun's: Ich hab auch ein paar Kilo zu viel.
Ja, das ist ja das Problem, weil Sie eingestellt sind auf einen niedrigen Energiebedarf und wenn sie eigentlich normal essen, dann ist das schon viel zu viel.
Mit den schon zuckerkrank geborenen oder genetisch vorbelasteten Schweinen wird experimentiert, wobei es den Tieren Eckhard Wolf zufolge gut geht.
Bei denen wird halt regelmäßig Insulin gespritzt und Zucker gemessen, wobei das für die Tiere überhaupt keine Belastung ist. Das werden sie gleich sehen. Sondern eher ... Spaß möchte ich jetzt nicht sagen. Wir haben einen gehabt, den Barberich, der ist also wirklich mit der Doktorandin, bei Fuß gegangen über den ganzen Hof. Überall, wo die hingegangen ist, ist der dabeigewesen. Und hat geschimpft den ganzen Tag, weil er nicht genug zum Fressen gekriegt hat. Dabei haben wir ihn ein bisserl auf Diät setzen müssen, weil sonst hätte es den zerrissen.
Aber irgendwann werden die seziert.
Genau.
In welchem Alter?
Das hängt davon ab, um welches Modell es sich gerade handelt. Und es hängt davon ab ... Also bei uns leiden keine Tiere. Wenn wir sehen, ein Tier leidet unter der Veränderung, dann wird das sofort eingeschläfert nach den Regeln guter tierärztlicher Praxis und wird dann mit unseren Kollegen von der Tierpathologie genau untersucht, so dass wir aus jedem Tier so viel Information gewinnen wie möglich ist.
Nicht erwähnt hat Wolf hier jene Schweine, die Inselzellen für Transplantationen liefern sollen. Um an die Bauchspeicheldrüse zu kommen, werden sie geschlachtet. Ihr Erbgut ist insofern verändert, als ihre insulinproduzierenden Zellen vom menschlichen Immunsystem nicht angegriffen werden. Eckhard Wolf spricht davon, dass man sie mit einer "Tarnkappe" ausgestattet habe. Das erspart es dem Empfänger, dass sein Immunsystem komplett und lebenslang unterdrückt werden muss.
Mit solchen Spender-Schweinen gibt es mittlerweile keine Laborarbeit mehr. Sie können sich paaren und auch bei der nächsten Generation erweisen sich die Inselzellen als getarnt. Zugleich jedoch wirft die Bequemlichkeit Fragen in punkto Umwelt auf. Auf die Möglichkeit, dass das künstlich veränderte Erbgut verbreitet werde, wird die Tierärztin Annegret Wünsch angesprochen. Was sei mit einer Gensequenz, die sich ...
... selbstständig macht, in einem negativen Sinn. Was sie nicht vorhersehen können, was vielleicht doch mal irgendwo heraus schlüpft, sozusagen ...
So ein Molekül kann nichts machen. Ein Tier, ein Schwein, was draußen herumläuft und sich mit Wildschweinen paart ... Man muss sich auch ins Gewissen rufen, das sind ja keine Tiere, die irgendwelch Toxine produzieren.
Mit anderen Worten. Annegret Wünsch wüsste bei den Bauchspeicheldrüsen-Spenderschweine kein Merkmal, das sie gefährlich machte. Die Bedenken gegen gentechnische Eingriffe räumte sie damit wahrscheinlich nicht aus. Haben sich die zweieinhalb Stunden im Versuchstier-Gut Badersfeld dennoch gelohnt?
Es war sehr interessant, eigentlich nichts neues, weil ich weiß aus der Literatur, dass solche Sachen gemacht werden. Ich mein, was hier gemacht wird, in die Einzelheiten gehen sie dann doch nicht.
Wenn Sie sich Sorgen machen, Fragen zu stellen. Haben Sie Gelegenheit gehabt, Antworten zu kriegen?
Wir ja nicht, aber andere haben das gefragt. Und ich muss sagen: Unter Laborbedingungen ist das ja sowieso optimal. Was man viel mehr fürchten muss ist, dass Gauner an dieses Material kommen, aus pekuniären Gründen und dann damit Unsinn machen.
Wollen Sie noch was sagen zur Veranstaltung?
Na ja, ich habe einen Eindruck bekommen vom Moorversuchsgut, aber gefallen hat es mir nicht. Der Vortrag war für meinen Wissensstand halt sehr akademisch, da bin ich nicht so ganz mitgekommen. Und jetzt gerade, bei der Besichtigung von den Laboren, da war mir das zu unstrukturiert vorgetragen. Da hätte ich gerne genauer Schritt für Schritt erklärt bekommen, wie man diese Genmanipulation durchführt, um dann vielleicht auch eine Frage entwickeln zu können.
Eine letzte Chance soll der Besuch nicht gewesen sein. Eckhard Wolf heißt in Badersfeld ...
... jedermann willkommen, der mit ernsthaftem Interesse an unserer Forschung kommt. Gerade die Gruppierung, die heute bei uns war, die ich ja bereits im Mai anlässlich eines Vortrags kennenlernen durfte, hat mich in dieser Richtung sehr fasziniert, weil ich das Gefühl hatte, dass ein großes Interesse vorhanden ist und auch ein enormes Vorwissen sowohl im medizinischen Bereich als auch was beispielsweise ethische Bewertungen von Tierversuchen anbelangt.
Der Kreisverband München-Land der Ökologisch-demokratischen Partei organisierte am vergangenen Freitag einen Besuch im Versuchstier-Gut der Ludwigs-Maximilians-Universität in Badersfeld bei Oberschleißheim. Berichtet hat Markus Hiereth.