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kultur/0912bb
12.2009

BJÖRN BRAUN - Träger des blau-orange Kunstpreises 2009
am Kunstverein Braunschweig

Anmoderation

Seit 17 Jahren verleiht der Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken einen Kunstpreis, zum dritten Mal ist es der blau-orange Kunstpreis, der dieses Jahr an Björn Braun in Karlsruhe geht. Verknüpft mit der Auszeichnung ist eine Einzelausstellung, diesmal in Braunschweig unter dem Dach des Kunstvereins. So erheischt Zusammen mit anderen Objekten seit einer Woche gleich im ersten Raum des Haus Salve Hospes ein beiges Bild die Beachtung der Besucher und beinhaltet ...

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Beitrag

ein Banorama? Irgendwie falsch und richtig zugleich. In verflossenen Tagen war dieses erste Werk Björn Brauns in der Ausstellung ein Buch, worin Adalbert Stifter seinen Blick über die deutsche Landschaft streifen ließ. Was wurde aus dem Panorama einer romantischen Zeit? Buchpampe - durch die Einwirkung von Wasser, Hitze und die Geduld des Künstlers am Herd. Dieser strich sie, die Pampe, anschließend in der Tradition des Papierschöpfers stehend, auf einem Sieb aus, wo sie trocknete und spannte sie schließlich auf einem Keilrahmen auf 99 mal 123 Zentimeter auf. Dass Stifters "detaillierte Naturbeschreibungen" in dieser neuen Form noch Bestand haben, gar darin "kondensiert" seien, geht mir kein bisschen ein.

Ich beneide eher einen Künstler, der seine Tage so individuell, von eigenen Neigungen geleitet, zu gestalten weiß. Dieses Objekt an der Wand transportiert nichts mehr von Himmel, Erde, Wasser und Leben. Eher stimuliert dessen stumpfes Beige Zweifel, ob es diese schönen Dinge wirklich gibt. Eigentlich bloß ein dunkler Streifen in dem murkeligen, fasertapetenartigen Rechteck verlangt nach Aufklärung, bei genauem Hinsehen identifiziert man es mit jenem Bändchen, mit dem der Leser wiederfand, wo er in Stifters Erzählung das "Haidedorf" stehengeblieben war.

Mir hilft dieses Bändchen nun gerade noch im Glauben, dass der Schaffensprozess von kunstwissenschaftlicher Seite zutreffend geschildert worden ist. Das Traurige ist, dass der Rundgang, bei dem sich der Besucher zwischendurch durchaus luftige Gedanken einfangen kann, bald von Neuem zur Anschauung unsinnlicher, glatt sinnfrei gewordener Materie zurückführt. Man heftet den Besucher sozusagen an den Boden. Die verwitterte Parkbank, plaziert auf dem noblen Parkett im Haus widerspricht dem nicht, sondern ist mitbetroffen. In ihrer Sitzfläche und der Lehne fehlt je ein Balken Holz. Wasser, Hitze und Beharrlichkeit verhalfen auch ihnen zu einem neuen Dasein, wieder waren Brei und Pampe ein Übergang. "Nichts darf zerstört werden, ohne dass etwas Neues daraus entsteht", dies sei ein Grundsatz Björn Brauns erläutert Cornelia Schulz für den Verband deutscher Volks- und Raiffeisenbanken als dem Stifter des blau-orange Kunstpreises.

Die pulverisierte und ausgestrichenen Balken und die Bank sind also zu Kunst erhoben. Oder herrscht im Gegenteil eine andere Tendenz vor? Derzufolge Gewachsenes und Zusammengefügtes bricht, Form und Bedeutung verliert, für den ursprünglichen Zweck nicht mehr taugt und am Ende zu Staub vergeht. In der Naturwissenschaft haben die Thermodynamiker solchen Niedergang in ihren Zweiten Hauptsatz gefasst, wonach die Unordnung - sie sprechen von Entropie - zeitlich nur zunehmen kann.

Doch nachzureichen ist, dass das nur für abgeschlossene Systeme gilt, ein Kunstverein hingegen davon lebt, dass zunächst ein Künstler, und dann die Leute ein- und auswärts gehen. Und wirklich, fallweise deckt sich Björn Brauns Wirken auch nicht mit dem nach dem Zweiten Hauptsatz Absehbaren. Da werden nach Heimwerkerart Teile angeordnet und erfüllen - im Prinzip - einen Zweck. Das entsprechende Objekt gleicht einem Futterhäuschen wie man sie aus Gärten kennt. Dieses steht in einem Ausstellungsraum. Dessenungeachtet könnte es sein, dass Vögel es aufsuchen und sich an den Kernen und Körnchen darin gütlich tun. Denn das Futterhäuschen ist in nächster Nähe eines Fensters zum Garten plaziert. Dieses Fenster ist nicht bloß halb offen; den rechten Flügel vermisst man ganz - wobei der weiße und grüne Lack auf dem zur Futterstätte zusammen genagelten Holz gewisse Schlüsse nahe legen.

Ob das Objekt die Vögel des Parks tatsächlich zu einem Abstecher ins Haus Salve Hospes verleitet, wird sich zeigen. Von Björn Brauns Wissen über sie jedenfalls zeugt die letzte Station des Rundganges. Auf neun schmalen Podesten wird jeweils ein Werk präsentiert, bei dem Braun das Material und zwei Zebrafinken ihre Vorstellung von der richtigen Form einbrachten. Der Künstler sagt, mit den beiden Vögel habe er sich einen lange gehegten Wunsch erfüllt. Die ihrerseits wünschen sich für die Nacht kokosnussgroße Nester, in welche von der Seite eingeflogen wird. In ihrer Heimat Australien müssen Zebrafinken recht häufig solche Schlafnester bauen, denn sie folgen in der Steppe den Wolken und leben von den Gräsern beziehungsweise deren Samen, die sporadischer Regen sprießen lässt.

Bei heimischen Vögeln in der Umgebung seines Ateliers, das unweit eines Friedhofs liegt, hatte Björn Braun beobachtet, dass diese ohne weiteres künstliches Material in ihre Nester integrieren, besonders gerne, wenn es die Farbe grün hat. Den eigenen Zebrafinken bot er nun ebenfalls für sie Exotisches an: Gespaltenes Paketspannband in Blau, Streifen von Papier, rote Pfeifenputzer und divers gefärbte Sisalfasern. Das momentane Angebot wird am jeweiligen Nest offenbar.

Für die Welt draußen und für das Salve Hospes als kleinen Punkt in ihr kann gelten: Vielfalt ist der natürlichste Anstoß für Aufmerksamkeit und Auseinandersetzung.

Abmoderation

Für Pandoora besuchte Markus Hiereth die Ausstellung von Björn Braun, Träger des diesjährigen blau-orange Kunstpreises im Haus Salve Hospes am Lessingplatz 12. Sie läuft bis zum 31. Januar 2009 und kann dienstags bis sonntags von 11 bis 17 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr besucht werden. An einer Führung können Sie jeden Donnerstag um 18 Uhr und jeden Sonntag um 14:30 teilnehmen.