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aktuell/0907hb3
09.2009

VERKAUF DER VILLA LÖBBECKE AM INSELWALL
Braunschweiger Hochschulbund gab sein Gästehaus auf

Anmoderation

"Stadt der Wissenschaft" war Braunschweig im Jahr 2007. Ziel der damals erfolgreichen Bewerbung war die Außendarstellung Braunschweigs. Ein nachhaltig, über Landesgrenzen reichendes Mittel der Werbung ist hingegen nun Geschichte: Reizvolles Postkartenmotiv wird sie bleiben, die Villa Löbbecke, doch die Wissenschaftler aus aller Welt, die hier für die Dauer ihres Forschungsaufenthaltes an der Technischen Universität wohnten, haben die Schlüssel abgegeben. Markus Hiereth berichtet.

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Beitrag

Seit rund einem Jahr thront das repräsentative Haus ungenutzt auf seinem Hügel am Inselwall. An der Auffahrt und am Gebäude angebracht sind Hinweise, es handle sich um privates Gelände, Unbefugte hätten hier nichts zu suchen. Tatsächlich hat das Haus einen neuen Eigentümer. Informationen über seinen Zustand gewinnt man vor Ort kaum. Die Chancen stehen besser bei einem der zweitausend Mitglieder des Vereins, dem die Villa gehörte, des Braunschweiger Hochschulbundes. Harald Wagner war bis zu seiner Pensionierung Kanzler der Technischen Universität. Er schaut zurück auf die Bedeutung des Gebäudes.

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Für mich war das Gästehaus das wichtigste Förderungsobjekt überhaupt. Es war international bekannt, es war sehr gut angenommen. Die Gastwissenschaftler haben sich wohlgefühlt. Wovon die vielen Briefe, die vor allen Dingen zum Jahreswechsel kamen, zeugen. Gastwissenschaftler aus Indien und anderen Ländern sind hierhergekommen, um ihren Kindern zu zeigen, in welcher Stadt sie geboren wurden und wo sie in den ersten Jahren aufgewachsen sind.

Für Harald Wagner und seine Frau war die Villa Löbbecke über Jahre Dienstwohnung. Im Blick hat er seither nicht bloß die persönlich-menschliche Seite. Wagner war auch mit der wirtschaftlichen befasst, kannte die Einnahmen aus Vermietung und die mit Betrieb und Unterhalt des Gebäudes zusammenhängenden Aufwendungen.

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Wir haben Jahr für Jahr Überschüsse erzielt. Bis kurz vor meinem Ausscheiden war ein Guthaben von deutlich mehr als 100000 Euro vorhanden.

Pro Jahr erzielte man einen gewissen Überschuss, der tendenziell allerdings schrumpfte. Die Nebenkosten, zur Heizung etwa, stiegen, während man sich bei den Mieten an den Stipendien zu orientieren hatte, die der Akademische Auslandsdienst DAAD oder die Humboldtstiftung für Aufenthalte der Gastwissenschaftler in Deutschland gewährten.

Nach Darstellung des Hochschulbundes hat sich das Blatt zwischenzeitlich komplett gewendet: Ende 2008 hieß es, man kämpfe um den Erhalt des Gästehauses, denn eine unumgängliche Sanierung beschere Kosten, die man selbst schwer schultern können werde. Diese Kosten wurden zum zentralen Argument für einen mittlerweile vollzogenen Verkauf. Sollte es mit der Immobilie binnen weniger Jahre so steil bergab gegangen sein?

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Ich habe gewisse Zweifel, ob das wirklich so ist. Es gibt Sanierungsbedarf, das ist Wasser und Abwasser. Möglicherweise auch das Dach, obwohl das in den 90er Jahren erst erneuert worden ist. Was darüber hinaus an Kosten entsteht, scheint mir zweifelhaft zu sein.

Es kursieren Zahlen, auch eine Siebenstellige, aber ernst nimmt Wagner sie nicht. Mindestens eine der eingeholten Zahlen fand jedoch ihren Niederschlag auf einem rechtsverbindlichen Stück Papier: Ein Gutachter bezifferte den Verkehrswert der Villa auf 625000 Euro und 700000 Euro zu zahlen bereit war die Gattermann Immobilien Projekt Gesellschaft. Zweimal, zu den Jahresversammlungen gab es eine Aussprache zwischen der Spitze und den Mitgliedern des Braunschweiger Hochschulbundes. Die von 2008 prägten düstere Perspektiven, die von 2009 eine vollendete Tatsache.

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Vieles deutete darauf hin, dass das Haus verkauft wird. Im Jahr 2008 in der Mitgliederversammlung hat es Gegenstimmen gegeben. Ebenso wurde dann in 2009 kritisiert, dass das Haus kurz vor der Mitgliederversammlung verkauft worden ist. Eine echte Beteiligung der Mitglieder hat es nicht gegeben. War aber wohl satzungsgemäß auch nicht erforderlich.

Im Jahresbericht 2008 wird ein Konzept für die Villa Löbbecke gepriesen, der Verkauf bilde einen Teil davon. Als "tragfähig und zukunftsweisend" wurde es bezeichnet, Attribute, die Harald Wagner nicht zu füllen wüsste.

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Ein Konzept für das Haus ist nicht kommuniziert worden. Im wesentlichen wurde kommuniziert, dass die Hochschule Ersatzwohnungen für Gastwissenschaftler gefunden habe. Ansonsten hat der Hochschulbund mit dem Haus nichts mehr zu tun. Deswegen kann man auch nicht von einem zukunftsfähigen Nutzungskonzept, was man mit dem Haus in Verbindung bringt, sprechen.

Bei den Verhandlungen zwischen drei Seiten: Hochschulbund als altem Eigner des Gebäudes, Stadt Braunschweig als Eigentümerin des Grundes und dem "Investor" sei allseits ein hohes Maß an Übereinstimmung festzustellen gewesen, heißt es im Rechenschaftsbericht des Hochschulbund-Vorstands. Formuliert wird auch die Hoffnung, der Hochschul-Förderverein werde nach der Sanierung wieder in der Villa präsent sein. Und zwar mit seiner Geschäftsstelle, als Mieter, was natürlich die Frage nach den Konditionen aufwirft.

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Auf meine Frage in der Mitgliederversammlung hinsichtlich Mietkosten wurde mir gesagt, es würde nicht mehr werden als man für die jetzigen Geschäftsräume bezahlt. Das wird sich erweisen müssen.

Im Jahr 2004 ging es in einem Zeitungsinterview um die Herausforderungen, welchen sich die damals neu gewählte Führungsriege des Hochschulbundes zu stellen habe. Ein Mehr an bürgerschaftlichem Engagement wurde unisono gewünscht, verglichen mit England und den USA bestehe da Nachholbedarf, erklärte der neue Präsident Gunter Dunkel. Eigentlich nahe läge, dass sich die Mitglieder des Hochschulbundes spendabler gezeigt hätten, wenn es einmal nicht um Preisgelder, Forschungsförderung oder ähnliches, sondern um das Halten des Vereinseigentums ginge. 1968 hatten sie von den Baukosten in Höhe von 1,3 Millionen Mark ein Viertel selbst, "bürgerschaftlich" geschultert. Harald Wagner bedauert sehr, dass zur Sanierung des Gebäudes ein entsprechender Aufruf ausblieb. Obwohl er aus eigener Erfahrung weiß, dass solcher Vorstoß kein Zuckerschlecken gewesen wäre

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... Mir ist es in den 90er Jahren gelungen, eine Summe von etwa 125000 DM für Sanierungsmaßnahmen an der unter Denkmalschutz stehenden Südfassade zu bekommen. Das war ein mühsames Laufen von Adresse zu Adresse, bis es mit Hilfe eines Abgeordneten gelungen ist. Es ist aus diesen Mitteln auch das Dach saniert worden damals.

Abmoderation

Mitte Juli richtete Markus Hiereth, der Autor des vorangegangenen Berichtes über die Villa Löbbecke, das ehemalige Gästehaus der Technischen Universität eine erste Interviewanfrage an den Hochschulbund; im August dann auch an die Stadtverwaltung als Grundeigentümerin. Der Erbpachtvertrag mit dem Investor war zu diesem Zeitpunkt noch nicht unterschrieben. Für Ende August in Aussicht gestellt war, die durch die Transaktionen von Haus und Grund am Inselwall eröffneten Perspektiven überzeugend darzustellen. Wir sehen dem mit Interesse entgegen und werden berichten.