Radio Okerwelle
Markus Hiereth Radio Okerwelle, Braunschweig
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kultur/0907ab3
07.2009

Ausstellung DER BÖSE BLICK
Armin Boehm im Kunstverein Braunschweig

Anmoderation

Ohne Vorgaben hinsichtlich des Materials und dem, wie damit umgegangen wird, ist die Konzeptkunst. Im Programm des Braunschweiger Kunstvereins bildet sie einen Schwerpunkt. Doch einmal im Jahr zeigt man Bilder und so nehmen derzeit Werke des Malers Armin Boehm die Wände des Haus Salve Hospes ein. Nicht nur einen Rundgang hat sich Markus Hiereth gegeben. Doch die Werke die frappierten, waren dieselben: Beim ersten und beim dritten Mal.

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Beitrag

Gegenüber den Fenstern, die Ausblick auf die Straße vor dem Haus, den Lessingplatz und würdige Bauten gewähren, ersteht an der Wand im ersten Raum der Ausstellung des Braunschweiger Kunstvereins eine Stadt von ganz anderer Art: Ihr Grundton ist Schwarz, ihre Materialität eher der Vermutung anheim- als dargestellt. Von wattigen Flecken geht Licht aus, welches nirgendwo anzukommen scheint. Ein Schimmern entwischt dem Werk, allerdings nicht der Malerei, sondern dem Lack, der als äußerste Hülle Armin Boehms Stadt von der unsrigen trennt und ihren Sog eher verstärkt denn bremst. Lesbar ist diese Lackschicht auch als Relief, dessen Linien anstelle im Dunkel ertränkter Kanten auf einen Fluchtpunkt zulaufen und so eine Schneise zwischen Bauten offenzuhalten scheinen. Parallele Linien im Relief wiederum deuten Fensterreihen oder Balkone an, die sich straff wie Spannbänder um diese Behausungen ziehen. Auch andere Konturen im Lack erscheinen unter gewissem Winkel, es handelt sich um Kreise. Sie zeigen ein Bild, wie man es von einer angeschnittenen Zwiebel kennt. Doch umschließen die Ringe rätselhafterweise eine Stelle, an welcher im Bild nichts zu finden ist. Schließlich konserviert diese Grenzschicht, ähnlich einem Herbarium , besengleiche Strukturen. Der Betrachter interpretiert sie als Straßenbäume, deren Wurzeln zwar in die Erde dringen mögen, die aus ihr aber nichts mehr zu holen haben, denn Stamm und Äste dieser Bäume wirken wie in Pech getaucht.

Einige Räume weiter, im Roten Salon, welcher sich noch von der vorangegangenen Ausstellung als grauer Kasten vermummt, sind Bildnisse und Bilder in den Winkeln, teils in Hüfthöhe, gruppiert. In einem von ihnen fällt der Blick auf das Dach eines auf trostlosem Grund errichteten Gebäudes. Brauntöne bestimmen die Szenerie. Dem Betrachter offeriert wird ein Befund, wie ihn ein Satellitenauge liefert oder ein Flugaufklärer mitbringt. Hier umspielen das Motiv und die Perspektive Begriffe im Titel der Ausstellung: "Das Böse". "Der Blick". Denn wie sollten Menschen, die sich eine Behausung inmitten einer unfruchtbaren Gegend suchten, rechtschaffen leben? Wie sollte jemand vertrauenswürdig sein, der sich von der Gesellschaft absetzt und die Isolation vorzieht? Macht eine solche Arbeit das Böse präsent? Wohnt es im Gegenstand der Betrachtung oder hat es sich schon unbemerkt dem Betrachter selbst angeheftet?

Sich der bemalten Holztafel rechts daneben zuwendend kappt man vielleicht diesen Gedankenstrang: Sie zeigt einen Kometen - die man in vorwissenschaftlichen Zeiten allerdings auch für Vorboten von Unheil hielt. Sie zeigt aber vor allem Sterne und nächtlichen Himmel, also scheinbar endlosem Raum, ohne menschliche Wesen. In Augenhöhe, über den beiden beschriebenen Bildern zitiert Armin Boehm das Portrait eines Astronoms im Stile der Renaissance, hat aber dessen Gesicht weiß übertüncht. Der Wunsch nach vollständigem Erfassen, Überblicken und Kontrollieren der Welt, seine Nichterfüllbarkeit, welche selbst in der Physik der kleinsten Teilchen zutage trat, könnte im weitesten Sinne verbindendes Element innerhalb dieser Gruppe sein. Die zugehörigen Werke erlauben noch etwas wie Kenntnisnahme mit dem kühlen Intellekt.

Eine dagegen geradezu beunruhigende Kälte verströmt eine Dreiergruppe von Bildern an gut beleuchteten Wänden im Obergeschoss. Sie alle zeigen einen Kellerraum von verschiedenen Standorten aus. Eine herumstehende Werkbank nährt Gedanken, dass hier etwas vor sich ging, das vor dem Tageslicht zu verbergen war. Alles Inventar bleibt undeutlich, die Wände sind bleigrau. Aber die Neonröhren unter der ebenso grauen Decke strahlen: Milchig, klinisch, weiß. Im Namen dieser Serie "Phosphorum" steckt das Wort Phosphor, der in seiner elementaren, weißen Form giftig ist, der im Dunkeln durch kalte Verbrennung leuchtet, der sich an der Luft ab fünfzig Grad selbst entzündet. Das Produkt seiner Verbrennung, quasi seine Asche, bildet mit Wasser Säure, die Haut verätzt und Gewebe zerfrisst. Mithin haben sich Kampfstoff-Forscher für diese Substanz interessiert und, neben Foltern und Fälschen, könnte man sich auch ihr Laborieren in einem solchen Verließ der Neuzeit bestens vorstellen.

Nicht immer verfolgt oder erreicht Armin Boehm mittels Düsternis und im verschwommenen Ineinandergreifen von Wirklichkeit und Vorstellung beim Betrachter einen Zustand der Aufladung. Aber es kommt vor, dass ein Werk aus fast vergessenen Erinnerungen eine Blase voller Schauder aufsteigen lässt oder die finster-funkelnde Anmutung seiner von Gegenwart durchtränkten Malerei die Frage aufwirft, wo die Zukunft ist. Wer sich auf solches einlassen mag, bereut den Besuch dieser Ausstellung nicht.

Abmoderation

Markus Hiereth besuchte für Pandoora den Braunschweiger Kunstverein und beschrieb Eindrücke, die drei Stationen der derzeit dort gezeigten Ausstellung "Der böse Blick" mit Werken des Berliner Malers Armin Boehm bei ihm hinterließen. Gezeigt werden die Arbeiten im Haus Salve Hospes am Braunschweiger Lessingplatz bis zum 30. August dienstags bis sonntags von 11 bis 17 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr. Führungen werden jeden Donntagabend um 18 Uhr 30 und Sonntagnachmittag um 14 Uhr 30 angeboten.