Anmoderation
Anfang Oktober versandte die Physikalisch-technische Bundesanstalt PTB einen Pressetext. "Bildschöne Nano- und Mikrowelt" hieß die Überschrift und erwähnt wurden Bilder, die seit dem 11. Oktober in den Vereinigten Staaten präsentiert werden. Zur Vorgeschichte dieser Bilder gehören Instrumente der PTB. Alles weitere hat der Schöpfer der Werke Markus Hiereth bei einem Treffen im Funkhaus dargelegt.
Beitrag
Zeit, Temperatur, Ströme und Gewichte - immer wenn es hierzulande um quasi "absolut verlässliche" Messwerte geht, kommt die Physikalisch-technische Bundesanstalt ins Spiel. Beispielsweise, indem sie mit ihren Instrumenten Vergleichsgegenstände vermisst und diese dann der Industrie dazu dienen, ihre Messeinrichtungen zu kontrollieren oder zu kalibrieren. Auch bei der Längenmessung laufen die Dinge so. Der PTB-Ingenieur Hans-Ulrich Danzebrink ist mit Stücken befasst, bei welchen es auf das Tausendstel oder das Millionstel eines Millimeters ankommt.
... Wenn wir als PTB diese Art von Kugelanordnung vorher sehr präzise gemessen haben und sagen dem Anwender "Das Kugelgitter ist absolut linear und sauber. Wenn Du jetzt feststellst, dass es nicht so ist, dann liegt das an deinem Gerät." Dadurch kann der Anwender letztendlich nicht nur die Abstände bestimmen, die das Gerät gemessen hat, sondern auch flächenhaft sehen, wie verzerrt das Messgerät.
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Die PTB mag mit Messwerten operieren die fern unserer Wahrnehmung sind, ihre Verfahren mögen unerhört aufwendig sein - sinnliche Überraschungen schließt das nicht aus, wie sich an besagten Kugeln aus Polystyren erweist.
Wenn dieser Kunststoff in bestimmter Art und Weise hergestellt wird, bildet er Kügelchen. Für das Messwesen als Probe eignet sich das Polystyren, wenn diese Kugeln alle gleich winzig ausfallen. Ohne dass es ein Werkzeug gäbe, mit dem sich die Kugeln schubsen ließen, wohin der Techniker sie sich wünscht, ist es,
tatsächlich so, dass man diese Art von Kugeln, wenn man die Prozesstechnik beherrscht, quasi diese Anordnung sich selbstständig bildet, der sogenannte Selbstorganisationsprozess eintritt.
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Wie effektiv dieser Prozess vonstatten ging; beziehungsweise, ob Kugelreihen versetzt liegen oder Positionen im Gitter leer geblieben sind, erfassen Hans-Ulrich Danzebrink und Thorsten Dziomba am sogenannten Rasterkraftmikroskop. Das Herz dieses Gerätes ist eine plattenspielernadelähnliche Spitze. Sie schlingert nicht in einer Rille aus Vinyl, sondern "erspürt" die Probe Punkt für Punkt.
Was eigentlich passiert, ist, dass die Spitze über diese Oberfläche fährt. Diese Bewegung der Spitze wird präzise durch einen Laserstrahl ausgemessen und so wird aus dieser Bewegung ein analoges Signal und dieses Signal im Rechner in Zahlen umgesetzt. Die Zahlenmatrix repräsentiert die Höhenwerte und diese können am Computer dargestellt werden.
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Eigentlich sollte sich der PTB-Mitarbeiter nur dafür interessieren, wie unerhört öde diese Zahlenwüste gerät, also, ob ähnliche Zahlen regelmäßig wiederkehren. Tatsächlich erfasst die Spitze auch anderes: Die realen Daten weisen auf kleinere und größere Buckel hin und besagte Leerstellen machen sich als grobe Ausreißer nach unten bemerkbar. Doch statt solche Proben als Metrologe mit einem "Pfui" zu ächten, verschiebt Danzebrink die entsprechenden Messwertedateien in den Ordner "Privat" und fängt an, den Zahlen Farben zuzuordnen.
In der Farbgebung ist man frei. Wir sind natürlich gewohnt, dass etwas, was oben ist, hell ist und etwas was unten und weit drin ist, dunkel ist. Das heißt, in der Farbwahl ist man nachher frei und jetzt kann man natürlich mit Assoziationen und Emotionen spielen. Blau und Rot. Damit kreiert man verschiedene Stimmungen mit dem Bild.
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Die "Farbwahl nachher" fällt in den Feierabend, wenn der Computermonitor zu Hause Polystyren Kugelpackungen, eine Siliziumchip-Oberfläche oder andere Nanostrukturen zur Anzeige bringt. So entstand ein Werk, das gerade als Verkehrung des von der PTB begehrten vollkommenen Längen-Referenzobjektes weiterlebt. Im Titel "Aesthetic imperfections" wird das zum Ausdruck gebracht.
Weil natürlich für die Auswahl eines interessanten Bildes macht es wenig Sinn, sich ein vollkommen regelmäßiges Gitter anzuschauen. Für mich war es interessant zu zeigen, wo dieses Gitter Defekte hat. Weil gerade diese Bereiche den Kick ausmachen, abgesehen von den Farben.
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Dieser Kick dürfte auch am Institut für Technologie in Rochester registriert worden sein. Die genannte Arbeit ging dort als Beitrag zu einen Wettbewerb "Bilder aus der Wissenschaft" ein. Für eine Ausstellung sollte eine Jury Bilder prämieren, ...
... die einen gewissen ästhetischen Reiz haben und gleichzeitig technisch oder wissenschaftlich relevant sind und die mit einem gewissen Aufwand erzeugt werden sollten. Ich habe damals vier Bilder eingereicht: Ein tatsächlich lichtmikroskopisches Bild, ein elektronenmikroskopisches Bild und jetzt diese beiden rasterkraftmikroskopischen Bilder. In der Ausstellung selber sind sehr viele fotografische Bilder zu sehen, Bilder aus dem Kosmos. Eine große Bandbreite ist abgedeckt dort.
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Als ausgezeichnete "Bilder aus der Wissenschaft" hängen nun zwei Arbeiten mit dem Herkunftsvermerk Hans-Ulrich Danzebrink / Physikalisch-technische Bundesanstalt in Rochester im Staate New York, übrigens der Stadt, in der die Geschichte des Fotokonzerns Kodak begann.
Abmoderation
Wenn Sie die Bilder sehen möchten, ist der große Teich kein Hindernis, denn unter der Adresse http://images.rit.edu ist ein virtueller Ausstellungsrundgang möglich.