Sendungseröffnung
Am letzten Samstag endete das Festival Tanzwelten08. Für sieben Abende organisierte Eva-Maria Lerchenberg Thöny, die Leiterin der Sparte Tanz am Staatstheater Braunschweig Gastauftritte von Tanzcompagnien aus Europa, Asien und Afrika. In Pandoora spezial blicken wir heute zurück auf diese Woche, besprechen einige der Stücke und darüber hinaus kommen Publikum und die Akteure zu Wort. Am Mikrofon begrüßt Sie Markus Hiereth
Samstagabend im Foyer des Kleinen Hauses. Der Beginn der Aufführung um halb acht nahte, angeregte Gespräche in zahlreichen kleinen Gruppen bilden die Geräuschkulisse. Ich wollte von den Zuschauerinnen und Zuschauern wissen, was sie von einem Festival wie diesem erwarten und wie die bisherigen Angebote bei ihnen angekommen sind.
Sendungsausschnitt 1
Ich seh ganz gern Tanz, weil es so eine sprachlose Geschichte ist. Vermittlung von irgendwas jenseits von Worten, das finde ich immer sehr schön.
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Wir wären gerne in die gestrige Aufführung gegangen. Weil mich so gerade so das aus anderen Kulturen sehr interessiert, wie die das so in Bewegungen, die Musik, die Kostüme. Heute wird es ja etwas kopflastiger nehme ich an. Oder poetisch. Ehrlich gesagt, haben wir das dann gewählt, weil alles andere schon ausverkauft war. Wir lassen uns jetzt überraschen.
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Also wenn wir auf gestrigen Abend zurückschauen: Wir waren so voller Freude, was wir da erleben durften, dass wir das Gefühl hatten, wir würden das gerne einfach noch einmal sehen. Aber das natürlich in so einem Rahmen überhaupt nicht möglich. Auf der anderen Seite ist es so, dass man eine Vielfalt geboten bekommt, das hat durchaus so seine Qualität.
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Fünf kürzere Beiträge österreichischer Choreografen bildeten das Tanzweltenprogramm des Montags. Zunächst eine durchaus rätselhafte filmische Collage, die ihrem Titel "drowned"/"ertrunken" klar an ein Werk der österreichischen Tänzerin Hannah Berger anknüpft: "Die Unbekannte aus der Seine" Beim lichtarm inszenierten Solo "Fragile" wirkt die Beklemmung noch fort, auch der dunkel hallende Klangraum unterstützt diese Wirkung. In flüssiger Bewegungen setzt Martina Haagers Tanz einen Gegenpol zum Ort. Im Solo "Versuche aus der Enge" gewinnt Rose Breuss Raum und Licht für den Fortgang des Abends. Die Choreografin setzt dabei auf die Dynamik ihrer Tänzerin Anna Nowak und eigenwillige Improvisationen auf einem Akkordeon. Im Dreierstück "Elisa Day" fallen die klassisch-schönen und poetischen Elemente auf; korrespondierende oder spiegelbildliche Bewegungen von Tänzerin und Tänzer. Eine Frau mit rotem Haar steht lange reglos. Sie öffnet sich doch, ehe die von Wolfgang Urbans montierte Musik im regelmäßigen Knacken einer gespielten Schallplatte endet. Im letzten Teil des Abend vergegenwärtigt Ottilie Mit- terhuber den Eigensinn, der dem menschlichen Gedächtnis nicht zu nehmen ist. Die von ihm dennoch gewährten Erinnerungen setzt die Tänzerin mit dem schneeweiß gewordenen langen Haar, nach Alter nicht fragend, in Bewegung um.
Unersetzlich für die Erkundung des über ein halbes Jahrhundert zurückliegende Schaffens von Hannah Berger war ihre einstige Schülerin und spätere Assistentin Ottilie Mitterhuber. In ihren Ausführungen wird deutlich, dass für sie die Jahre gemeinsamer Arbeit immer wichtig geblieben sind.
Sendungsausschnitt 2
om0013 Also ich habe [sie] immer schon gerne gehabt. Ihren Stil, ihre Art zu unterrichten. Und einfach so, als Mensch. Und sie mich glaube ich auch. om0028 Viele Jahre hat diese Technik geschlummert, wenn man so will, und jetzt habe ich mich erinnert. Es ist eigenartig. Wenn man die Musik hört und zurückgeht und sich erinnert, dass man plötzlich so viel wieder sieht und spürt und mit jedem Tag mehr und mehr. om0055 Von Tag zu Tag ist es schöner geworden, besser geworden. Also das Langzeitgedächtnis war wunderbar. mh0208 Hat es Sie Überwindung gekostet, wieder auf die Bühne zu kommen damit? om0219 Eigentlich nicht. Ich habe anfangs nicht gewusst, dass ich auf der Bühne landen werde. Ich habe gearbeitet mit einer Tänzerin die unheimlich begabt ist für diese Technik und die hat das getanzt und ich bin im Zuschauerraum gesessen und ich habe gezittert und habe mich gefreut. Und langsam ist das Projekt gewachsen, und da kam eines Tages der Herr Willy Dorner, den habe ich damals noch nicht so gut gekannt, und sagte, er möchte gerne mit mir etwas arbeiten für diesen Abend. Da habe ich gesagt, das finde ich sehr nett. Ja. om0255 Ich dachte, der will einige Bewegungsarten und ich weiß nicht was. Ich kam ins Studio und wir haben etwas gearbeitet und etwas geprobt, ... dann "Wann kommen denn bitte die anderen" und da hat er gesagt: "Andere? Kommen keine." Da war ich ganz weg. Ich dachte, ich bin irgendwie beratend oder ich weiß nicht was. Da habe ich mich schon sehr gefreut.
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Aus Lomé, der Hauptstadt Togos reiste die Compagnie "Woenyo" an. Choreograph Kikan Ayigah ist mit dem traditionellen afrikanischen als auch mit dem zeitgenössischen Tanz des Nordens bekannt. Was ihm bei seinem Stück "La Quête Noir" am Herzen liege, sei Afrika, "das schon eine schon so lange Zeit seine Kinder sterben sehe." Diese Erläuterung aus dem Programmheft zur togolesischen Produktion des Dienstags kontrastierten stark mit der Fröhlichkeit, die die Zuschauer letztlich aus dem Theater mit nach Hause nahmen. Durchaus vermittelten die drei Tänzer und die Tänzerin die Schattenseiten des Kontinents, etwa den konfliktträchtigen Umgang zwischen Männern und Frauen. Die Eingangsszene ließ ahnen, dass Menschen, so sie dort Arbeit haben der Bibel entsprechend ihr Brot im Schweiße ihres Angesichts verdienen. Doch neben dem, was an den Verstand adressiert war, erlebte man die afrikanischen Gäste als einen Menschenschlag, für die ihm innewohnende Energie über Rhythmen, Bewegung und Gesten kanalisieren muss. Vier Bäuche tanzten im Kleinen Haus und bei uns Bäuchen in den Sitzreihen kam das unvermittelt an. Das Leben in Afrika und die Aktivitäten der Kompagnie waren Themen eines Gesprächs mit Julien Mensah, der der Organisator bei der Compagnie Woenyo ist. Ich fragte ihn nach dem zentralen Anliegen des Stücks.
Sendungsausschnitt 3
Es spricht über die Freiheit, die des Einzelnen und der Gesellschaft. Sie wissen sicher, das Afrika viele Probleme hat. Heute fragen wir uns aber nicht, woher das kommt, sondern wir bilanzieren die Lage einfach. Wo stehen wir heute und wir müssen unsere Energien bündeln. Selbst wenn jeder einzelne zu kämpfen hat, sollte er an die Gemeinschaft denken, weil bei uns ist die Gemeinschaft sehr wichtig. Also man muss sich dafür einsetzen, wenn man Freiheit erlangen will. jm0135 Die Freiheit des Wortes und der Bildung, Chancen auf Gesundheit und ein Auskommen. jm0148 Daher drücken wir in diesem Stück aus, dass wir uns abstimmen sollten und gemeinsam für diese Sache streiten, andernfalls gerät die Freiheit zur Anarchie. (deutscher Sprecher: Stefan Gelhorn)
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Die Übersetzungen zu Julien Mensah sprach Stefan Gelhorn dankenswerterweise. In Pandoora spezial, das heute auf das Festival Tanzwelten zurückschaut, stehen wir nun vor dem dem Doppelprogramm des Mittwochs, zu dem das Dansk Dansteater aus Kopenhagen eingeladen worden war. Eine Besprechung der Choreografien "Crossing silence" und "Animal Park" folgt nach der Musik
Philipp Glass – Akhnaten Track 01
Besprechung "Animal Park"/"Crossing Silence", auch veröffentlicht in www.tanznetz.de
Biospere – Kill by inches