Radio Okerwelle
Markus Hiereth Radio Okerwelle, Braunschweig
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08.08.2008

CD-Vorstellung
YEASAYER (2007) ALL HOUR CYMBALS

Sendungseröffnung

Auf dem Pappcover der CD winkt eine Hand in giftgrüner Farbe. Ein rotes Kopftuch umhüllt statt eines Gesichts etwas, was wie eine goldene Maske anmutet, sich aber beim genauen Hinsehen als Luftbild eines von Bungalows und Asphalt überzogenen Vorstadtareals erweist. Nicht von ungefähr wurden für dieses Cover Elemente von Popkultur und Antike, ein ausladender Westen und ein sich verhüllender Osten collagiert. Mit der Musik ihrer Debüt-CD nehmen die Yeasayer zwei Jahrzehnte Pop zwischen Beatles und Talking Heads als Fundament und errichten darauf mit afrikanischem Trommeln und fernöstlich schwirrenden Saiten einen neuen Turm von Babel. Die so verpackte CD nennt sich "All our cymbals". Auch dies ein Spiel, und zwar mit den gleich klingenden englischen Worten für "Symbol" und "Zimbel", für "Stunde" und das Pronomen "unser".

Wer sind die "Yeasayer"? - Unter diesem Bandnamen brachten im vergangenen Jahr Chris Keating, Anand Wilder, Ira Wolf Tuton und Luke Fasano ihre erste CD heraus. Auf ihrer Europatour gab es zwei Stationen hierzulande, Köln und Berlin. Vor dem Auftritt im Kreuzberger Lido-Club hatte ich Gelegenheit zu einem knapp halbstündigen Gespräch mit Ira Wolf Tuton.

Sich den Song "2080" von der Yeasayer-CD "All hour cymbals" jeden Tag anzuhören, gäbe es Gründe. Aufgrund lustigen Zahlengepurzels halte ich es darüber hinaus für ein Muss, "2080" in einer am 8.8.2008 in der Stunde nach Acht, also "20" Uhr ausgestrahlten Sendung zu berücksichtigen. Zu dem Titel meinte Mark Perlaki "In den afrikanischen Rhythmen von 2080 lieferten die Yeasayer eins der Glanzlichter des Musikjahrgangs 2007". Chris Keating fasst im Text Unruhe über die Gegenwart in deutliche Worte "Wenn ich mir bewusst werde, in welche Zeiten und in welche Zukunft wir geboren sind, raubt mir das den Schlaf." Doch alles andere an dem Song ignoriert diesen düsteren Ausblick: Wie Perlen verstreuen sich die Klänge der Gitarre, nah an der Exstase überspült der Chor- den Sologesang. Zwischendurch jagt ein Lauf über die Klaviatur des Pianos Schauder über den Rücken. Schon heisere Kehlen schmettern der aufziehenden Apokalypse lustvoll ein "yeah, yeah" entgegen. Auf den Punkt gebracht ist das Werk 2080 in der einen Aufforderung: "Weil wir im Jahr 2080 alle nicht mehr sein werden, lass uns jetzt Freude haben und singen."

2080 - Yeasayer

Der Chor entschwindet in die Ferne, überlässt das Feld dem Zirpen von Insekten und mit ein paar Harfenakkorden wird ein Siegel unter "2080" von der Debüt-CD der "Yeasayer" gesetzt. Anteil an der gleichermaßen rauschhaften und berauschenden Note des Werkes haben die Kinder. Ira Wolf Tuton erläuterte mir, warum sich die Yeasayer auf diese Weise verstärkten.

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Sendungsausschnitt 1

Wir dachten, dieser Teil des Songs braucht Kinder, Männer und Frauen, denn darin geht es um Gemeinschaft, im Text geht es um Familie, einen Stamm, einen Clan. Dazu gehören Kinder eben wie alle anderen.

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Du sagtest, es sei wichtig, voneinander zu lernen. Wenn man sich Leute zum Singen ins Studio holt, braucht man sie und kann vielleicht etwas von ihnen lernen. Aber das kann auch Schwierigkeiten mit sich bringen. Das muss denen auch Spaß machen.

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Ich mag, wie das jetzt klingt, und ich denke, wenn es nicht klappt, dann hört man, dass es nicht klappt. Bei der Aufnahme haben wir uns oft damit auseinander gesetzt, was geht und was nicht. Da sollte man sich nicht zwingen. Es kann sein, dass ich der vollen Überzeugung bin, dass etwas in einem Song soundso sein soll, stelle aber dann fest, dass es nicht recht gelingt, dann nehme ich es raus. Ich habe da kein Problem damit.

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Deswegen spielen wir in einer Band, weil unsere Beziehung auch so funktioniert. Das ist ein Geben und Nehmen von Ideen - einige davon lieben wir, andere werden in die Tonne getreten. Ich kümmere mich nicht darum, wie die Musik zustande kommt, wenn wir uns bezüglich des Ergebnisses einig sind es und wir eine Art Leidenschaft dafür empfinden. Das ist das wichtigste. "Das Ziel rechtfertigt die Mittel." ist eine Redensart in den USA. (deutscher Sprecher: Andreas Schattka)

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Recht gemischte Gefühle über den Zustand der Erde und der Menschheit schlagen sich einer Reihe von Stücken der CD nieder. Doch damit hat es sich Ira Wolf Tuton zufolge schon. Während die Yeasayer auf ihrer Webseite feststellen "Bis 2080 kann nur der klare Geist Terror verhindern", versteht Ira Wolf Tuton die Musik der Gruppe nicht als Verpackung von Botschaften.

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Sendungsausschnitt 2

Ich denke, es ist keine Musik die die Welt ändern will. Das traue ich Musik dann auch nicht zu. Aber es ist Musik, die die Welt spiegelt und eben die Höhen und Tiefen, die wir durchmachen. Für meinen Teil wünsche ich mir von unserer Musik vor allem, dass sie sich auf unsere Zeit bezieht, dass in ihr etwas von den Wirklichkeiten liegt, wie wir sie heute wahrnehmen und nach Möglichkeit in unserer Arbeit umsetzen.

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Die simpelste Auslegung zu den von Ira Wolf Tuton angesprochenen "Höhen und Tiefen" wären Glück und Trauer. Doch alle möglichen gegensätzliche Begriffspaare stecken in diesem Album "All hour cymbals". Etwa in den Tracks 8 und 2: "Wait for the wintertime" und "Wait for summer". Zuerst "Wait for the wintertime", das musikalisch düsterste Lied auf der CD. Überlege ich, worauf Hoch und Tief innerhalb dieses Werkes bezogen werden könnten, steht Hoch für das Siebtel des Eisberges, welcher sich auf hoher See nachts schemenhaft aus Nebeln löst und Tief für die sechs Siebtel, die unter dem Wasser warten, um ihr Schlitzwerk an Rumpf von Schiffen zu tun. Das Horn bläst trotzdem und zum fordern zum Einziehen der Landungsbrücken auf, schließlich stellen sich Grauen und Lust mitunter gern gemeinsam ein.

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Sendungsausschnitt 3

Ich habe mir am Sonntag nochmal den versteckten Track auf der CD angehört und das führt zur Frage: Sind die Yeasayer Kerle, die das Singen lieben?

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Ja, schon von Anfang an. Als wir anfingen, Musik zu machen, da war Singen nicht besonders cool. Das galt für die wichtigen Bands und in New York spürte man noch die Strokes und es war auch bei den Band so, die ihnen folgten, Interpol etwa. Über Harmoniegesang runzeln nach wie vor einige die Stirn und empfinden es als kitschig.

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Wir Bandmitglieder aber sind mit einer Musik aufgewachsen, in der Melodie und Harmonie die Grundlage darstellt und wir lieben diese Musik. Ob das nun Popmusik von hier ist oder eben Chormusik aus Deutschland, oder Gospelgesang, oder Afrikanisches oder Indisches.

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Die Leidenschaft, die man in Chorgesang findet, die spüre ich und das gilt wohl für die anderen in der Band. Das verband uns von Anfang an.

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Das reizt mich, verschiedene melodische und harmonische Strukturen aufzunehmen, sie schaffen ein Auf und Ab, schaffen Spannung, Ausdruck, wecken Gefühle. Und außerdem macht es Spaß mit anderen Harmonien zu singen, das löst, befreit.

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