Anmoderation
In windstillen Herbstnächten verteilt sich ihr Aroma in der Braunschweiger Luft. Braune Fäden zieht ihr Sirup, wird er auf dem Brot verteilt. Die Rede ist von der Zuckerrübe. Düstere Perspektiven meldeten jüngst die Medien für dieses wichtige Erzeugnis aus der Region. Unserem Magazin Erdbär gab dies den Anstoß, sich für den Anbau der Zuckerrübe zu interessieren. Markus Hiereth verabredete sich mit Landwirt Ulrich Löhr. Er traf ihn bei der Arbeit an: Im Traktor Reihen über einen Acker südlich von Groß-Denkte ziehend - den bedeckten am Tag zuvor noch grüne Rübenschöpfe. Das Geschehen der letzten 24 Stunden faßt Ulrich Löhr zusammen.
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Gestern gegen 14 Uhr erschien Rübenvollernter, hat bis heute morgen um 3 oder 4 die Rüben geerntet, gerodet im Fachjargon.>
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Am Freitag, zur Zeit des Gesprächs, holte das Gerät schon die Rühen aus einem Acker bei Ahlum. Zwei solcher Maschinen gehören 15 Landwirten gemeinsam, Ulrich Löhr ist einer von ihnen. 1800 Hektar Rüben bauen sie selbst an. Daneben nehmen sie Ernte-Aufträge anderer Landwirte aus der Region an, so dass die 350000 Euro teuren Rübenroder auch bei Aschersleben, bei Liebenburg oder bei Stöckheim am Braunschweiger Stadtrand zum Einsatz kommen.
Das Ziehen, Schieben und Purzeln in der Maschinerie beendet die Kultur der Zuckerrübe, wobei schon im Spätherbst des Vorjahres Vorkehrungen für ihr Gedeihen geschaffen wurden. Der Acker wird mit Kalium und Phospat gedüngt und eine spezielle Zwischenfrucht hilft, Schädlinge, sogenannte Nematoden zu dezimieren. Die Zwischenfrucht wird Ende November gehäckselt und der leere Acker im Frühling für das Saatgut bereitgemacht. Wie für alle Nutzpflanzen gibt es auch bei den Zuckerrüben verschiedene Sorten. Der Namen eines Klassikers fällt auf die Frage an Ulrich Löhr, welche Sorte er auf diesem Acker stehen hatte.
Diese Rübe hieß Lessing. Es gibt Frührodungsrüben, Kombinationstypen und Massentypen, die lange Vegetation brauchen.
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Die Rübe Lessing wäre demnach eine späte Rübe. Welche weiteren Gründe bewogen Löhr, sie anzubauen?
Es gibt verschiedene Züchterhäuser. Sorte von [strube-dikmann], die sitzt hier in der Gegend. Arbeitsplätze hier. Die anderen müssten eine ganze Ecke besser sein, damit ich diese einsetze.
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In millimetergroße Pillen liefert der Handel die Rübensamen. Hintergrund dafür ist wohl Maschinengängigkeit.
... Rübe mit speziellen Sägeräten eingesät. Reihenabstand halber Meter, alle 20 Zentimeter. Dann aufregende Zeit, denn Rübe ist in Jugendzeit eine Mimose. Frost. Niederschlagsmenge. In dieser Zeit Pflanzenschutzmittel wegen Lohnkosten.
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Nach sechs Wochen Aufregung Ruhe. Ernte anderer Früchte. Mitte September setzt Rübenkampagne ein. 10. September bis 10. November. ...
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Nicht gleich leuchtet ein, daß die ersten Rüben schon im Sommer geerntet werden, wo diese ohne weiteres noch zwei Monate länger wachsen könnten. Wieder liegt der Grund in der Mechanisierung und Industriealisierung, die offenbar alles, was mit der Zuckerrübe zu tun hat, bestimmen.
Um die teure Technik der Zuckerfabrik auszunützen. Ernte bis Mitte November. Notwendig, die eine oder andere vor ihrem optimalen Reifezustand zu ernten. Rübenkampangne von 100 Tagen.
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Maschinen roden 24h sieben Tage die Woche.
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Dabei fragt sich natürlich, wer eine solche Arbeit übernimmt: Allein und bei Dunkelheit Streifen für Streifen eines unbekannten Rübenackers zu roden.
Wir haben einige motivierte Junglandwirte. Söhne von Gesellschaftern, Studenten. Teilen sich die Arbeiten. Ist beliebt. High-Tech ist Herausforderung.
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Ende des Jahres wird die Zuckerfabrik von Wierthe geschlossen. Je weniger Anlaufpunkte zur Verarbeitung es gibt, umso länger werden die Wege, umso mehr Tempo braucht es auf dem Asphalt. Heute schon vorbei sind jene Zeiten, in welchen Traktoren mit 25 Stundenkilometer-Schild die Autofahrer enervierten. Bei Ulrich Löhr fällt in Zusammenhang mit den bald noch längeren Transportwegen sogar das Wort Maut, die bekanntlich den Lastverkehr auf den Autobahnen trifft. Bedenkt man jedoch, daß die Autoindustrie derzeit sowieso den Akzent auf starke Motoren, Geländegängigkeit und voluminöse Karossen setzt und Modelle wie der BMW X5 oder der VW Tuareg die Grenzen zwischen Auto und Traktor verwischen, ist klar, daß der Rübentransport an sich an Attraktivität gewinnt.
Dabei macht sich die Landwirtschaft keine Illusionen hinsichtlich der angebauten Mengen - sie werden fallen. In der Schließung der Raffinerie in Wierthe sieht Ulrich Löhr nur einen Vorgriff auf eine Änderung der Zuckerrüben-Marktordnung, über die in diesem Monat beschlossen werden soll und die Löhr und seinen Kollegen kritisieren. Nun war Wierthe für ihn nicht die erste Adresse zum Anliefern der Ernte. Näher bei Groß-Denkte liegt eine Fabrik südlich von Wolfenbüttel.
Ja Schladen. Gehört dem gleichen Unternehmen, Nordzucker. Schladen bleibt erstmal.
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Und ob Schladen oder Wierthe, Geschäftspartner des Bauern bleibt derselbe, es ist die Nordzucker AG, deren Aktien von den Landwirten selbst gehalten werden; eine Konstellation von der Ulrich Löhr meint, daß sie gewisse Interessen der Erzeuger zu sichern hilft.
.. 1870, 1890 taten sich Landwirte zusammen, gründeten Zuckerrübenfabriken, im Laufe der Zeit zu einem Unternehmen verschmolzen. Gut daß noch in der eigenen Hand
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und den Rüben im Sommer noch weniger Zeit zum Wachsen bliebe. In den Winter hinein wird die Lagerung wiederum zum Problem. Was derzeit an den Feldrändern an Rüben angehäuft wird, ist nur deponiert und kommt noch vor Weihnachten in die Fabrik und nicht, wie man denken könnte, wegen des schwierigen Marktes für die Schweine gedacht. Die gibt es nämlich erstens auf Ulrich Löhrs Hof nicht und zweitens werden sie ihrem Ruf als Allesfresser gar nicht unbedingt gerecht.
Schweine schon gar nicht. Hier auf Ackerbau spezialisiert. Rindvieh verträgt kleine Ration vielleicht.
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So wird also Löhrs Ernte komplett geschnitzelt, extrahiert und eingedampft bis am Ende süße Kristalle in die Tüten rieseln. Den Jahrgang wird man nicht vorne aufgedruckt finden, obwohl es manches Jahr Gründe dafür gäbe.
Extreme Sommer 2003 jahrhundertrockener Sommer. 2002 das genaue Gegenteil: Auf den Feldern ersoffen. Des Nachts Trekker angefordert zum Herausziehen der Rübenvollernter. Es war grauenhaft.
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Mithin betrachtet der Landwirt aus Groß-Denkte das Jahr 2005 als gerechten Ausgleich.
Insgesamt dieses Jahr gute Ernte. Herbst wie wir ihn uns nicht besser hätten malen können. Hat vieles ausgeglichen.
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Wobei sich Ulrich Löhr mit dem Rückblick nicht aufhält, denn auf dem Feld folgt den Rüben der Weizen, dessen Aussat das Gespräch über die Rübe unterbrochen hatte.
Weiter Weizen säen. Die Dunkelheit setzt ein. Man muß sehen, wo man hinfährt. Obwohl Licht am Traktor, für heute wohl zuende.
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[Traktor wird angelassen]