Anmoderation
Einer der allerwichtigsten touristischen Anlaufpunkte Italiens ist Venedig. Befürchtungen, die Stadt könnte allmählich im Wasser verschwinden, tragen vielleicht auch hierzu bei. So nimmt man von "Work in progress" also "voranschreitenden Arbeiten" in Beziehung auf Venedig gern Kenntnis. Allerdings ist "Venedig - Work in progress" kein Sanierungsprogramm, sondern so heißt eine Ausstellung von Malte Sartorius. Mehr als fünfunddreißig Jahre unterrichtete er Grafik an der Hochschule für Bildende Künste. Jetzt ist er in Ruhestand. Mit ihm sprach Markus Hiereth über seine Auseinandersetzung mit der Lagunenstadt und fragte Sartorius beispielsweise, ob er sich die Stadt systematisch, vielleicht mit Stadtplan in der Hand, erschlossen habe.
Beitrag
Ja, eigentlich nicht. Diese Arbeit ist ein Ergebnis von Spaziergängen. Ich bin also kreuz und quer durch die Stadt gelaufen, immer ... Falls Sie Venedig kennen, werden Sie wissen, daß man sich ständig verläuft: Man will um die Ecke, eine Straße abkürzen und steht vor einem Kanal und muß also zurück.
MS
Dass Wege einfach enden, bringt einen der Kunst verschriebenen Spaziergänger keineswegs aus der Ruhe. Doch Rundläufe im einem Labyrinth wären auch nicht nach Malte Sartorius Geschmack gewesen. Außerdem sollte ein Band zwischen Wirklichkeit und Wahrnehmungen erhalten bleiben. So spielte der Stadtplan doch eine gewisse Rolle, zumal noch ein Problem hinzukommt:
Das ist ja das Entscheidende in Venedig... Oder das Überraschende. Man biegt um eine Ecke und da ist wieder ein kleiner Kanal und man glaubt, man hätte ihn gesehen - aber es ist nicht der gleiche. Ich habe also, ich bin mit meiner Frau dort gewesen und die arme mußte neben mir nach jedem Foto aufschreiben, wo ich es gemacht hatte.
MS
Ohne derartige Dienste kommt natürlich aus, wer die Wahrzeichen festhält: Den Markusplatz, den Dogenpalast und die Rialtobrücke. Malte Sartorius suchte anderswo.
Venedig ist ja eigentlich als Thema dermaßen verbraucht, daß man meint, es ist da schon gar nichts mehr zu machen. Vielleicht ist genau das, was mich gereizt hat, das zu machen. Wenn man die Haupttrampelpfade verläßt, dann ist man bald allein. ... und da wird Venedig ganz still. Es ist dann nicht mehr laut, nicht mehr aufgeregt. Man sieht das normale Leben derer, die dort leben und dort immer gelebt haben
MS
Man meint, Malte Sartorius suggeriere bei dieser Gelegenheit auch, wie nahe sich Eindrücke aus einer von Kultur und Menschen geprägten Stadt und Impressionen aus rauher Natur kommen können:
Es fasziniert natürlich in Venedig generell auch das, was für meine Arbeiten auch nicht untypisch ist, das Ruinöse, das langsam Abbröckelnde, das langsam "in Schönheit Vergehende"
MS
Bei Malte Sartorius Grafik "Am Kanal" geraten nurmehr ahnbare gotische Spitzbögen zum Pendant wind- und wettergeschaffener Spalten in Wänden aus Fels. Lastkähne parken zu Füßen der Gemäuer. Sie wirken dort so selbstverständlich wie der Kutter, der Kurs vor einer schroffen Steilküste hält. Hier legt die Radierung nahe, eine gnädige Natur fülle die Schiffbäuche allmählich mit rieselndem Putz, dort weiß man, beschert menschliche Arbeit Fisch, also den begehrten Fang.
Abmoderation
Sehr kurz haben Sie noch Gelegenheit, Malte Sartorius' Sicht auf Venedig kennenzulernen, denn die Ausstellung in der BBK-Torhausgalerie endet heute, am 10. April. Sie finden die Galerie an der Humboldtstraße, Haltestelle Botanischer Garten. Der Eintritt ist kostenlos, die Galerie schließt um 17 Uhr.