Radio Lora, München
Markus Hiereth
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03.02.2014

SAUERLACHER GEOTHERMIE-KRAFTWERK NAHM BETRIEB AUF

Anmoderation

Der Lack ist ab an der Energiewende: Den Stromkunden koste sie zuviel. Mit denkbaren Blackouts gibt die Industrie sich und andere dem Grusel hin. Der Aufbau einer deutschen Solarindustrie sei eine Schnapsidee gewesen und jetzt wollen die Bayern auch keine Windräder sehen. Als trübte all das den Horizont der in erneuerbare Energien investierenden Unternehmen nicht genug, werden sie auch von technischen Problemen heimgesucht. Ein Unternehmen meldete letzte Woche wieder 'mal einen Sieg: Die Stadtwerke München haben ein Kraftwerk angeworfen, das mit Hitze aus dem Untergrund Gebäude temperiert und Strom erzeugt. Markus Hiereth verschaffte sich für LORA einen Eindruck vom neuen Geothermie-Kraftwerk in Sauerlach.

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Beitrag

Stephan Schwarz, Geschäftsführer Versorgung und Technik, schaut zurück auf dieses Projekt, das man im Jahre 2005 in Angriff nahm.
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Also das war ein sehr anspruchsvolles Projekt. Wir wussten das schon, bevor wir gestartet sind, weil wir die notwendige Wärme in einer sehr großen Tiefe erschließen.
Denn jene schwammartige Schicht, die heißes Wasser führt und die sich unter unserem lieblichen Voralpenland breit macht, liegt einerseits bei Sauerlach mehr als 4000 Meter tief. Doch deswegen ist sie hier auch besonders heiß. Die Sauerlacher Anlage zapft sie an, erzeugt mit heißem Thermalwasser Elektrizität oder reicht seine Wärme, je nach Bedarf, an das Sauerlacher Fernwärmenetz durch. Wenn keine Wärme abgezweigt wird, liefert das Kraftwerk fünf Megawatt an das Netz, was der Nennleistung von zwei Windrädern entspricht. Anders als bei ihnen kann der Betreiber diese Leistung rund um die Uhr bereitstellen. Denn jede Sekunde saugt eine Pumpe 110 Liter von 140 Grad aus einer Bohrung, das Wasser gibt in der Anlage Wärme ab und gelangt 100 Grad kälter über zwei andere Bohrungen in die Schicht zurück, aus der es kam.
Die Wärmeentnahme fällt geologisch nicht ins Gewicht. Man rechnet in Jahrzehnten, ehe die angezapfte Zone ein oder zwei Grad kälter wird. Mit dem wesentlichen wirtschaftlichen Risiko bekommt man es bei der Geothermie gleich zu Beginn zu tun. In den drei Sauerlacher Bohrungen, alle um die 5000 m lang, steckt riesiger technischer Aufwand und entsprechend viel Geld. Ob Thermalwasser letztlich sprudelt - absolut sicher ist das nicht vorhersagbar. Allerdings decken Investoren dieses Risike heute über eine spezielle Versicherung ab.
Als Stadtwerke-Aufsichtsrat nahm Christian Ude bei seiner Rede zur Inbetriebnahme nicht schwer, dass das Projekt 90 Millionen Euro verschlungen hat, ja freute sich des Teiles, den das Unternehmen auf Ewig in drei Löcher in die Erde gesteckt hat. Jetzt geht das, da das Vorhaben trotz der Probleme schon beim Bohren nicht aufgegeben worden ist. Der Münchner Oberbürgermeister verlässt sich auf die Geschäftsführer der Stadtwerke. Stephan Schwarz versichert, dass das Projekt wirtschaftlich blieb, obwohl es auch in der zweiten Phase, nach der Bohrung von Schwierigkeiten verfolgt geblieben ist. So war ein zentrales Bauteil, eine Pumpe, nicht einsetzbar. Mit zwei Jahren Verspätung ging das Kraftwerk ans Netz. Stephan Schwarz antwortet auf die Frage, zu wessen Lasten der zwangsläufig höhere Aufwand ging:
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die Firmen haben natürlich ihre Risiken, ihre Fehler mittragen müssen. Im Grunde war es ein Lernstück für alle und wir haben unsere ursprüngliche Erwartungshaltung, was wir für eine Rendite aus diesem Projekt haben, natürlich anpassen müssen, weil die Wahrheit uns eingeholt hat. Aber wir machen immer noch einen Gewinn mit der Anlage. Das ist ja wichtig.
Der Stadtwerke-Geschäftsführer macht auch kein Hehl daraus, dass das Sauerlacher Kraftwerk ohne das Erneuerbare-Energien-Gesetz nicht existierte. Bei dessen zahllosen Überarbeitungen und Tarif-Anpassungen wurde die Geothermie vergleichsweise sanft angefasst.
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Derzeit ist ja die Geothermie-Förderung im EEG-Gesetz gar nicht so in der Diskussion. Der Fokus geht mehr auf Photovoltaik und die Windenergie. Das war uns ganz wichtig, dass diese Diskussion um Besitzstände, auch von der Kanzlerin, im vorletzten Jahr ja schon entschieden wurde: Besitzstände gelten. Damit ist für uns die Planungssicherheit gegeben im EEG-Gesetz.
Für Rücksicht spricht einmal die lange und aufwendige Planung, der es für Geothermie-Kraftwerke bedarf. Zum anderen wird Erdwärme im Kreis der erneuerbaren Energien immer ein Exot sein, weil man nur in wenigen Regionen auf sie trifft. Daher bleibt ihr Anteil am EEG-Umlage-Volumen und ihr Einfluss auf den Strompreis gering. Im konkreten Fall fließt ein Teil dieses Geldes auch einer Kommune zu. Denn es ist die Gemeinde Sauerlach, die sich die Erdwärme bergrechtlich gesichert hat. Für die Nutzung der Quelle zahlen die Stadtwerke eine Pacht. Die Kommune profitiert mit am Strom. Insofern wird Barbara Bogner das Lob der Münchner Stadtwerke nicht schwer gefallen sein. In ihrer Zeit als Sauerlacher Bürgermeisterin wird die Pacht kaum neu auszuhandeln sein. Wie lange das Einvernehmen gesichert ist, wird nicht öffentlich gemacht.
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Über die Vertragsdetails will ich mich da nicht äußern.
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Es ist ein Pachtvertrag. Also werden wir von daher zu gegebener Zeit sicher die Pachtverträge anpassen müssen. Das macht uns heute keine Sorge.
Auch einen Streit erachtet Stephan Schwarz von der Stadtwerke-Geschäftsführung als beigelegt. Bald nach Start des Testbetriebes beklagten sich Anwohner über Lärm. Tatsächlich ist das Innere der Anlage von einem hellen, schneidenden Geräusch erfüllt. Doch draußen, am Tag der Eröffnung war nichts davon zu hören. Die Stadtwerke verweisen auf ein Gutachten, das die Einhaltung der Lärmgrenzwerte attestiert.
Nachdem die Ingenieure bei diesem Projekt offenbar durch dick und dünn gegangen sind, fragt sich, was die Sauerlacher Anlage für die Münchnerinnen und Münchner bedeuten mag. Stephan Schwarz gibt sich hinsichtlich der Nutzung der Geothermie im Münchner Untergrund gelassen und führt begründend an, in Sauerlach hätten die Stadtwerke ...
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... gelernt, dass man im Vorfeld mehr Erkundigungen machen muss. Das machen wir heute in München mit der Fernwärme durch die neuesten Seismik-Techniken. Um dann wirklich die Bohrungen erfolgreich setzen zu können.
Vor allem werden die Erdwärme-Vorhaben in der Stadt technisch vergleichsweise einfach sein. Denn unter München liegt die auszubeutende geologische Schicht weniger tief.
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Man muss auch dazu sagen, das bohr- und bergtechnische Risiko, ist in München ungleich [niedriger] ... Das Problem hier war die große Tiefe, die wir in München in der Form gar nicht brauchen.
Jedoch bedeutet dies auch, das man mit dem hier geförderten Thermalwasser keinen Strom erzeugen kann. Es werdem nur Geothermie-Stationen realisiert, die nächste am westlichen Stadtrand, in Freiham. Durch sie hält das heiße Wasser aus dem Untergrund einfach das Wasser im Fernwärmenetz auf Temperatur.