Radio Lora, München
Markus Hiereth
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1302es32
26.02.2013

ENERGIEEINSPARUNG IN DER INDUSTRIE DURCH WÄRMEDÄMMUNG


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Anmoderation

Die Energienachfrage kann auf alle mögliche Art und Weise klassifiziert werden: Nach Energiequelle Kohle - Erdgas - Uran - Sonne - Wind. Nach Verwendung: Zum Klimatisieren, zum Transport, zum Antreiben von Maschinen. Oder nach Verwender: Privater Verbrauch, Verkehr, produzierende Wirtschaft. Im folgenden Beitrag geht es genau um sie, selbst wenn sich jetzt, zwischen fünf und sechs, noch nicht alle Entscheider aus ihren Sesseln losgerissen haben und sich auf das informative LORA-Programm verlassen, um im Benz und im BMW auf den Ring- und Ausfallstraßen zähen Verkehr ertragen zu können. Nach dem folgenden Beitrag wissen auch sie, was zu tun ist, um Energie zu sparen.

Beitrag

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So eine Anlage ist zunächst ein Gewirr von Rohrleitungen und Behältern. Wenn wir die anschauen, fällt häufig auf, dass gewisse Teile, seien es Flansche, Ventile, Armaturen überhaupt nicht gedämmt sind. Wenn man sich den Wärmeverlust von diesen Teilen anschaut, dann ist der ganz erheblich. Ein ungedämmtes Ventile hat ungefähr den Verlust von 20 Meter isolierter Rohrleitung. Das ist, was uns am häufigsten auffällt.
Günther Kasparek ist es, der hier Eindrücke aus deutschen Industrieanlagen wiedergibt. Beruflich war er über Jahrzehnte mit Problemen der Isolierung befasst, wobei es dabei gar nicht primär um's Energiesparen ging.
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Isolierung macht man, weil man Prozesse sicherstellen will. Die Chemie muss isolieren. Wenn sie in ein Kraftwerk gehen mit 600 Grad, das ist rot glühend. Da müssen sie isolieren, schon aus technischen Gründen.
Von daher trifft er bei Begehungen Anlagen an, aus welchen zwar herauskommt, was soll. Doch unter einem Energieaufwand, der heute nicht mehr zu vertreten ist. Wohl auch deswegen ist der Ruhestand nicht Günther Kaspareks Ding, er ist nach wie vor in Fabriken, Chemieanlagen und Kraftwerken unterwegs, inzwischen allerdings im Auftrag einer Stiftung, die den Energieverbrauch reduzieren will. Dabei fällt auf,
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... dass viele Anlagen sehr alt sind, auch die Isolierungen sehr alt sind. Wenn man näher hinschaut, sieht man, dass die Dämmstoffe womöglich feucht sind und damit einen erhöhten Wärmeverlust haben. Dass Isolierungen beschädigt sind, weil sehr häufig Schlosser und Monteure auf den Isolierungen umherlaufen und die dann zusammentreten. Und dann fällt uns natürlich auf, weil wir ein Gefühl dafür haben, dass viele Rohrleitungen und Behälter einfach zu wenig, schlicht zu dünn gedämmt sind.
Dass den Produktionsanlagen ein energietechnisch so niedriger Stand zu attestieren ist, sei auch mit den Rahmenbedingungen zu erklären:
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Im Industriebereich gibt es im Gegensatz zum Gebäudebereich, in dem die Energieeinsparungsverordnung EnEV gilt, keine Standards und keine Vorgaben. Es gab, das heißt, den gibt es heute noch, einen Richtwert von 150 Watt pro Quadratmeter Isolieroberfläche. Aber dieser Wert kommt aus Zeiten vor zwanzig, dreißig Jahren und entspricht keineswegs mehr den heutigen Energiepreisen. Und unser Ziel ist, das in das Bewusstsein der Unternehmen hineinzutragen und modernere Kriterien für die Auslegung der Isolierung bekannt zu machen.
Mit "unser" meint Günther Kasparek die schon erwähnte Stiftung, die European Industrial Insulation Foundation, kurz Eiif. Sie wurde im Jahr 2009 von im Bereich Wärmedämmung tätigen Unternehmen gegründet und hat ihren Sitz am Genfer See. Einer ihrer ersten Schritte war es, die Ausgangslage zu erfassen. Ein entsprechender Auftrag, Zahlen zu Energieverbrauch und Einsparmöglichkeiten der europäischen Industrie zu ermitteln, ging an das Ecofys-Institut. Dessen Befund:
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Das Energieeinsparpotential in Europa entspricht einer Jahresleistung von 15 Kohlekraftwerken a 500 Megawatt oder dem Jahresenergieverbrauch von 10 Millionen Haushalten. Oder als anderem Wert. Das ist gleich dem Jahresenergieverbrauch der gesamten niederländischen Industrie.
Ecofys schätzte auch ab, inwiefern eine bessere Isolierung von Industrieanlagen zum Schutz des Klimas betrüge:
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Das CO2-Einsparpotential entspricht 80 Millionen Mittelklasseautos mit einer jährlichen Fahrleistung von zwölfeinhalbtausend Kilometern.
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Wenn Sie heute die Planung einer modernen Anlage ansehen und über die Kosten nachdenken, ist es häufig so, dass die Gesamtkosten einer Anlage häufig aus betriebspolitischen Gründen vorgegeben sind. Dann werden die auf die verschiedenen Anlagenbereiche umgelegt. Und nachdem heute die Haushaltseffizienz eine ganz erhebliche Rolle spielt, versucht man überall Kosten einzusparen und fast traditionellerweise macht man das auch mit der Industrieisolierung, die häufig an letzter Stelle steht.
Die Wärmedämmung, die einer Anlage zugestanden wird, ist im allgemeinen die mit den niedrigsten Gesamtkosten, in welche zwei Posten eingehen: Was kostet das Isolieren, was die Energie über die Dauer der Anlagen-Nutzung? Günther Kasparek plädiert hingegen dafür, zur Schonung von Ressourcen und zum Schutz des Klimas stärker zu dämmen, selbst wenn die Gesamtkosten dann etwas höher ausfallen. Wenn er aber auch auf Anlagen mit völlig unzureichnender Wärmedämmung stößt, erklärt er sich dies mit einer Gesetzgebung, die nur die Wohngebäude immer strengeren Standards unterwarf.
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Wir müssen unterscheiden zwischen Isolierung im Gebäudebereich und im Industriebereich. Isolierungen im Industriebereich amortisieren sich nicht im Zeitraum von zehn bis zwanzig Jahren, sondern je nach Temperatur in der Anlage im Zeitraum von drei Monaten bis höchstens zwei Jahre. Und für diesen Bereich hier bringt Isolierung den Unternehmen nicht nur Energieeinsparung, sondern auch Einsparung an finanziellen Ressourcen.
Damit arbeiteten viele Industrieanlagen weniger wirtschaftlich als möglich, trotzdem dränge es deren Betreiber nicht zu einer Bestandsaufnahme, denn ...
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Isoliermaßnahmen werden als Kostenfaktor gesehen, die das Budget belasten und nicht als eine Investition, die für die Zukunft auch finanzielle Vorteile für die Unternehmen bringt.
Auch ein althergebrachter Zuschnitt von Verantwortlichkeiten wirke da kontraproduktiv. Eine Wärmedämmung würde durch den Instandhaltungs-Manager veranlasst, der aber
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... möchte für Bau und Renovierung von Anlagen möglichst wenig Geld ausgeben, und zwar Geld, das in seinem positiven Effekt dem gesamten Unternehmen zugute kommt. Deshalb sieht der Maintenance-Manager in der Isolierung nur Kosten, die sein Budget belasten.
Weniger Geld würde vermutlich verheizt und manche interne Diskussion wäre überflüssig, wenn der Gesetzgeber der Industrie in Sachen Wärmedämmung couragiert begegnet wäre. Der Europäischen Industrie Isolierungs Stiftung Eiif bleibt, bei den Entscheidern zu werben, oder sie anhand der Ecofys-Studie mit ihrer ökologischen Verantwortung und der volkswirtschaftlichen Dimension der Verschwendung zu konfrontieren. Die Botschaften kämen schon an, meint Günther Kasparek.
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Allerdings bei der Vielzahl der Industriebetriebe, die wir in Deutschland haben, ist es eine sehr umfangreiche Arbeit, mit den Unternehmen zu sprechen, in Energiekonferenzen zu gehen und die Ideen vorzutragen und auch dann in Form einer Energieberatung konkret zu sagen, wo Einsparpotentiale sind.
Bestandsaufnahmen und Maßnahmen-Beratungen in einzelnen Industrieanlagen gehören denn auch zu den Angeboten der Eiif.
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Wir analysieren die Mängel. Wir zeigen auf, welche unnötigen Energieverluste auftreten und damit auch welche unnötigen Kosten auftreten und wir machen dann Vorschläge, wie man das ändern könnte und welche Kosten eingespart werden könnten.
Erbracht werden diese Dienste von Ingenieuren, die durch einen Kurs bei der Eiif und aufgrund ihres Berufs mit der Materie vertraut sind. Ihre Arbeitgeber gehören der Stiftung an.
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Das sind Leute im Ingenieurbereich oder auch Meister, werden Kurse für Energieberatung angeboten.
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Hier sollen die Mitarbeiter in die Lage versetzt werden, Anlagen zu beurteilen hinsichtlich ihres Effizienzgrades und auch den Unternehmen Vorschläge zur Energieeinsparung zu machen.
Interessierten Firmen vermittelt die Stiftung solche Berater und versichert, dass Maßnahmen, die diese am Ende vorschlügen, firmenneutral erteilt werden und dass die Bestandsaufnahme insofern verlässlich sei, als die Berater dabei Kriterien folgten, die ihnen im Kurs nachweislich vermittelt worden sind.
Geht man von den Ecofys-Daten aus, gäben diese Grund genug, mit gesetzlichen Standards etwas gegen unnützem Energie-Einsatz in der Industrie zu tun. Ein anderes Mittel war mit der Besteuerung verknüpft. Der Industrie waren von der einstigen rot-grünen Regierung bis 2012 Ausnahmen bei Energie- und Stromsteuer zugestanden worden. Im Gegenzug verpflichte sie sich, den Kohlendioxidausstoß bis 2012 um 35 Prozent gegenüber 1990 zu verringern - ein Ziel, das längst erreicht ist. So war auszuhandeln, wie es mit den jährlich 3,2 Milliarden ausmachenden Steuerbefreiungen weitergehen solle; beziehungsweise welche neuen Gegenleistungen die Industrie erbringt [1]. Ein Vorschlag, demzufolge jedes Unternehmen jährlich Nachweise für gewisse eingesparte Energiemengen erbringe, wurde als "bürokratisches Monster" abgelehnt. Doch eben ein solches scheint nun mit der jüngsten Gesetzesänderung in die Welt gesetzt: Erwartet werden nicht Verbrauchs-Änderungen, die aus den gezahlten Steuern auf Strom und Gas sowieso abzuleiten wären, sondern Gutachten [2]. Die Unternehmen müssen ab 2013 belegen, dass sie "wesentliche Teile" ihrer Produktion einem Audit nach ISO-Norm 50001 unterziehen. So scheint nichts als eine regelmäßige Aufnahme des Status Quo die Gegenleistung zu sein, für die die Berliner Ministerien auf weitere zehn Jahre Befreiungen bei der Energie- und der Strom-Steuer gewähren.
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Ich denke, dass im Augenblick auf staatlicher Seite noch Defizite vorhanden sind. Was wir von der Eiif machen: Wir gehen nach Europa. Wir versuchen, die zuständigen Mitarbeiter in der europäischen Kommission, denen diese Thema generell nahe zu bringen und versuchen, dass sich auch die europäische Politik dieses Themas annimmt.

Abmoderation

Im Internet stellt sich die European Industrial Insulation Foundation, in der Günther Kasparek Wege zu geringerem Energieverbrauch in der Industrie aufzeigt, unter www.eiif.org vor. Die Informationen dort sind auch auf Englisch verfügbar, also gut für einen Blick von Amerika über den großen Teich nach Europa. In die andere Richtung schaute Johnny Borrell von Razorlight und heraus kam "America"
Anmerkungen und Verweise
1
Handelsblatt vom 24.04.2012
2
Tatsächlich greift die Bezeichung Gutachten zu kurz. Ein Energiemanagement nach DIN ISO 50001 soll laut Wikipedia-Artikel einen kontinuierlichen Zyklus darstellen: Darin folgten aufeinander das Konzipieren. das Organisieren, die Erfassung der Lage, die Festlegung (neuer) Ziele. Inwiefern das Energiemanagement zu mehr Energieeffizienz führt, hängt von den nach der Lageerfassung formulierten Zielen ab. Die erhaltenen Daten geben allerdings Hinweise auf geeignete Ansatzpunkte zur Energieeinsparung.