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Markus Hiereth Radio Okerwelle, Braunschweig
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15.11.2007

Heinrich - Gewinnerfilm 2007
"TRUST ME"

Anmoderation

Mit ihrem ersten oder dem zweiten eigenen Film können sich Regisseure in Braunschweig beim Filmfest um den Publikumspreis "Heinrich" bewerben. Achtzig Einreichungen gab es dieses Jahr; über die Leinwand liefen zehn und das Publikum entschied, indem es Stimmkarten mit einem Riss versehen hat. Die Kartenflut haben sodann Festivalmitarbeiter angesehen und Durchschnittsnoten für jeden Film errechnet. Vorne lag am Ende "Trust me". Dahinter steht Andrew Kazamia als Regisseur und seine Frau Fran mit einigen ebenfalls wesentlichen Jobs. Markus Hiereth sprach am Sonntagabend mit den glücklichen Preisträgern.

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Interview

Ich stelle mich als "ausführender Produzent" der Filme vor, aber ich bin mit Andrew verheiratet. Daher begleite ich die Produktionen von Anfang an ...

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Andrew sagte bei den Mitternachtsgesprächen, er habe gar nicht gewusst, dass beim Braunschweiger Filmfest ein Preis verliehen werden. Sie waren da besser vorbereitet.

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Natürlich. Andrew braucht das nicht zu wissen; er braucht seinen Kopf für anderes.

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Wie sieht sie aus, die Arbeit die sie übernehmen? Was steht da im Mittelpunkt?

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Fran hat gute Augen und ist bezüglich des Optischen bei Theater- und Filmproduktionen ausgebildet. Das ist dann auch der Punkt, wo ich auf sie baue und mich mit ihr austausche. Es ist einfach Teamarbeit. Die Drehbücher sind von mir, beim Casting werde ich von Fran unterstützt. Sie kümmert sich um die Kostüme und assistiert mir beim Drehen. Das auch ist der Punkt, an dem ein relativ großes Team zu steuern ist. Die nächstwichtigsten Leute sind dann diejenigen, die mit der Aufzeichnung zu tun haben. Wir haben einen wunderbaren Kameramann, dessen Frau uns auch geholfen hat.

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Es klingt, als wäre alles ganz klein, doch auf der Leinwand wirkt der Film keineswegs so. Es gibt tolle Szenerien und die technische Qualität von Aufzeichnung und Nachproduktion sind erstklassig. Wir haben wirklich mit ausgezeichneten Leuten gearbeitet.

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Ihr Siegerfilm heißt "Trust me" "Vertrau mir". Um was geht es denn darin?

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Im Kern sind die USA das Thema, die Kultur der Vereinigten Staaten, wo Bekanntheit und Ruhm eine Art Freibrief darstellen. Leere Versprechungen sind üblich; ein großspuriger Auftritt und das Versprechen "Glaub mir und dann regle ich die Dinge." reichen. Politiker, Filmstars, PR-Leute - alle treten so auf. Es sieht so aus, als sei Bekanntheit der Schlüssel zu allem: zu Geld, Medienpräsenz und Macht. Man kommt an und stellt sich dar, als hätte man Antworten und Lösungen zu allem.

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Wie erklären Sie sich den Erfolg beim Braunschweiger Publikum?

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Interessant ist, dass er als fremdsprachiger Film tatsächlich verstanden wurde. Das lässt hoffen, dass man ihn weltweit anbieten könnte.

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Es ist einfach ein lustiger Film. Der Kerl, der die ganzen Stimmen imitiert, trickst alle aus, denn der kann jeden spielen: Dustin Hoffman, Al Pacino, Präsident Bush, Clinton. Was wir meinen, verstehen also die Zuschauer überall auf der Welt. Dieses Gespann, er und sein Partner amüsiert die Leute oder sie lachen aus vollem Halse, denn Joe und Danny sind scheinbar mit allen Wassern gewaschen.

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Doch der Film zeigt Joe auch einmal von einer anderen Seite, er scheut vor der Kamera.

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Ja, Joe ist zunächst schüchtern und hat kein Selbstver-trauen. Ich greife da auch den altbekannten amerikanischen Traum auf, wonach in den Vereinigten Staaten jeder kleine Junge Präsident werden kann. Jeder Arme kann zu Reichtum gelangen, jeder Einwander kann sich gesellschaftliche Anerkennung verschaffen. Das ist die unentwegt verbreitete Mär: "Die USA, das Land für jeden". Unser Film nimmt sie nur auf, ein Hauswächter und Putzmann macht Karriere und wird ein Star. In Wirklichkeit ist es so: Wenn du nicht reich und mächtig bist oder wenigstens reiche und mächtige Freunde hast, ist das nur ein Traum. Insofern ist "Trust me" eine Satire auf das, was das US-Kino in Bezug auf die eigene Nation unentwegt vermitteln will.

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Der zweite Hauptdarsteller, Danny, ist auch interessant, denn er benutzt oder betrügt mehr oder weniger jeden, der seinen Weg kreuzt. Doch immer stellt man sich die Frage, ist dieser jemand nun Opfer oder Partner Dannys. Zum Beispiel bei der Masche mit der Hausfrau an der Türe. Mit seiner vorgegebenen Schusseligkeit lässt er die Leute denken, er sei nicht ganz richtig im Kopf.

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Ja, er ist ein wunderbarer Komödiant. Er hat Charme, die Leute lieben ihn und deshalb ist er als Ganove so erfolgreich. Die Leute wollen ihm einfach glauben...

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Ja man hat den Eindruck, als verlören sich gar nichts.

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Aber das ist Amerika, das ist die moderne Welt. Mit Dustin Hofmann zu reden ist etwas, ist eine Erfüllung. Das ist zweihundert Dollar wert. Diese Hausfrau ist beglückt, denn sie konnte mit Dustin Hoffman sprechen.

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Bei der Ausstattung des Films hatten Sie ein Ding, dass ihre Nerven ziemlich strapaziert hat.

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Ja, das Auto! Wir brauchten eins das schlimm aussah aber gut fuhr. Aber wir bekamen einen Wagen, der übel aussah und noch schlechter fuhr. Und einen Tag, glauben Sie mir, hat der Wagen uns 25000 Dollars gekostet, weil er einfach nicht funktioniert hat. Hundert Leute am Drehort konnten nichts tun. Die Firma - ein auf die Filmbranche spezialisierter Autoverleiher - schickte uns jemanden zum Reparieren an den Drehort. Der finanzielle Schaden war denen egal.

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Aber die fünfhundert Dollar Miete für den Drehtag haben sie uns generös erlassen.

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Die verlorene Arbeitszeit ist ihr Problem. Da geht es knallhart zu.

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Bei diversen Festivals fand der Film großen Anklang. Aber das große Publikum erreichen Sie auf diesem Weg nicht. Gibt es eine Möglichkeit, die Trennung des Publikums zu überwinden?

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Das Problem ist, dass die Filmindustrie für Kopien und Werbung Vorleistungen erbringen müsste und sie nicht sicher sein kann, dass das ordentlich Profit abwirft. Bei deren eigenen Produktionen, wo schon 30 Millionen in den Dreharbeiten stecken, ist es logisch, dass einem die Vermarktung 20 Millionen wert ist. Aber ihr Geld steckt in unserem Film nicht drin und so müssen sich für diese Produktion eigentlich nicht interessieren.

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Und außerdem würde die Vermarktung unseres Films am eigenen Image kratzen, denn sie würden unwillkürlich einräumen, dass eine Firma wie die unsere, mit zwei Leuten und einem einzigen Büro für ein Million einen Film dreht, der besser ist als die, für die sie 30 Millionen brauchen. Sie hätten ein Problem damit, dass zwei Leute - und zwar ein Engländer und seine Frau - einen wirklich witzigen amerikanischen Film abliefern. Aber ich bin sicher, wenn sie sich Gewinn davon versprechen, werden sie aktiv und vielleicht kommt es ja noch so. Ich meine, die Deutschen scheinen den Film ja zu lieben, vielleicht findet er hier einen Verleiher, das wäre großartig.

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Abmoderation

Zu wünschen wäre es, denn mit "Trust me" sprechen Fran und Andrew Kazamia Verstand und Herz in gleichem Maße an. Die Übersetzungen sprachen Gwyneth Minte und Andreas Schattka.